Die 27. Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen – kurz COP 27 – war im November 2022 zu Gast in Ägypten und rückte den kleinen Touristenort Sharm el Sheikh am Roten Meer in den Blickpunkt des Weltgeschehens. Mit dabei waren während der letzten Tage einige Schülerinnen und Schüler der Deutschen Evangelischen Oberschule in Kairo (DEO).

Hautnah am Geschehen, die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock im Sauseschritt von einem diplomatischen Treffen zum nächsten, ein Gespräch mit der Staatsministerin Anna Lührmann sowie Korrespondentinnen und Korrespondenten der internationalen Medien – für 11 Schülerinnen und Schüler der DEO ging ein großer Wunsch in Erfüllung: Sie sprangen aus einem Planspiel ihrer Schule, der Modell COP 27 direkt auf die Bühne der großen internationalen Politik bei der COP 27 in Sharm el Sheikh.

Maxi-COP und die große Bühne der Weltpolitik

Zur 27. „Conference Of the Parties“ – sprich Vertragsparteien des Pariser Klimaschutzabkommens – im ägyptischen Badeort Sharm el Sheik versammelten über 30.000 Delegierte aus 197 Nationen, um in einer gemeinsamen Resolution über zukünftige Ziele und Maßnahmen gegen den Klimawandel zu entscheiden. Überschattet von dem Ukrainekrieg und der damit verbundenen Energiekrise schienen zu Beginn pragmatische Handelsabkommen zur Versorgung mit alternativen Energien im Vordergrund zu stehen. Über mehrere Tage zog die Kritik am Gastgeberland angesichts von Menschenrechts- und Umweltverletzungen die Aufmerksamkeit auf sich. Ergebnisse kamen erst nach mühsamen nächtlichen Verhandlungen und einer Verlängerung zustande.

Die Einschätzung des 27. Klimagipfels ist zwiespältig: Für Prof. Dr. Andreas Goldthau von der Willy-Brandt School of Public Policy in Erfurt ist sie einerseits  „ein historischer Wendepunkt“, andererseits „ eine verlorene Konferenz“.  Als historisches Ereignis betrachtet er die Gründung eines Fonds, mit dem durch Klimawandel verursachte Verluste und Schäden abgefedert werden sollen. Ab 2024 sollen extreme Folgen der Erderwärmung wie z.B. Dürre, Fluten und Anstieg des Meeresspiegels für die sogenannten „verletzlichen Länder“, zumindest teilweise kompensiert werden. Die für die CO2-Emissionen hauptverantwortlichen Industriestaaten sollen in diesen Fonds einzahlen und die überwiegend von den Klimafolgen überdurchschnittlich betroffene Entwicklungsländer solidarisch unterstützen. Zudem sollen internationale Organisationen wie die Weltbank ihre Politik verstärkt an Nachhaltigkeitsaspekten ausrichten. Leider weigert sich China, das Land mit dem höchsten CO2-Ausstoß weltweit, in den Fond einzuzahlen, indem es sich auf seinen Status als Entwicklungsland beruft. Außerdem bleiben noch viele Fragen offen, die auf dem nächsten Klimagipfel in Dubai 2023 geklärt werden müssen.

Das eigentliche Ziel der Konferenz, die weitere Erderwärmung zu stoppen, wurde jedoch verfehlt. Der 2020 in Glasgow beschlossene Ausstieg aus der Kohle wurde zwar beibehalten, das Bekenntnis zur Obergrenze für die Erderwärmung von 1,5 Grad konnte jedoch nur mit Mühe aufrechterhalten werden. Der für eine Senkung des CO2-Ausstoßes erforderliche Ausstieg aus Gas und Öl wurde zur großen Enttäuschung vieler Teilnehmer nicht in die Vereinbarungen aufgenommen.

Mini-COP als Planspiel

Dass die Schülerinnen und Schüler der DEO an diesem vielbeachteten UN-Gipfel teilhaben durften, hatten sie in erster Linie ihrem überzeugenden Auftreten bei dem Projekt Model COP 27 zu verdanken, das zwei Monate zuvor in Kairo stattgefunden hatte. Das von der DEO organisierte und von der deutschen Botschaft Kairo unterstützte Planspiel für die deutschen Schulen in Ägypten stand im Jahre des Klimagipfels in Ägypten natürlich unter demselben aktuellen Thema. „Wir wollen die Beteiligung der Jugend und der Zivilgesellschaft an der Diskussion um Klimawandel fördern. Es gibt ein wachsendes Klimabewusstsein in der Jugend von Ägypten und wir glauben, dass man das auch noch ein bisschen anregen kann“,  begründet der  deutsche Botschafter Hartmann in einem Beitrag der ARD-Tagesschau die Unterstützung der Botschaft für dieses besondere Projekt.

Das Model United Nations – abgekürzt MUN – ist eine den Vereinten Nationen nachgestellte Simulation für Schüler und Studenten, die vor fast 100 Jahren in Oxford und Harvard ihre Geburtsstunde erlebte und sich inzwischen zu dem weltweit bekanntesten Planspiel entwickelt hat. Zumeist als außercurriculare Aktivität von Schulen und Universitäten angeboten, erlangten zehntausende jugendliche Teilnehmerinnen und Teilnehmern Einblicke in Diplomatie und Politik, erwarben Wissen und Kenntnisse zu relevanten aktuellen Themen, die die Welt bewegen, und konnten zudem ihr Verhandlungs- und Kommunikationsgeschick schulen.

An der DEO kann MUN auf eine 25-jährige Tradition zurückblicken. Unzählige Schülerinnen und Schüler beteiligten sich an regionalen und überregionalen Projekten, wie MUN Athen und MUN-SH in Kiel, wo sie sich in der Rolle von UN-Diplomaten mit aktuellen politischen Themen befassen.

Mini-Diplomaten bei der Abstimmung ihrer Resolutionen bei der Modell COP27 © Michael Asaad Elphotographatia

Im September 2022 nahmen 64 Schülerinnen und Schüler von fünf Deutschen Schulen in Ägypten an der Simulation Model COP 27 teil. In den Rollen von Delegierten eines Mitgliedstaates der Vereinten Nationen befassten sie sich auf einer dreitägigen Konferenz mit den Themen der originalen UN-COP. Nach deren Vorbild galt es im „Menschenrechtsrat“ oder in der „Umweltversammlung der Vereinten Nationen“ Resolutionen zu den Themen der Konferenz zu verabschieden, z.B. zum Thema Nachhaltigkeit und Ressourcenschutz mit dem Ziel Klimawandel aufzuhalten. Mit Unterstützung von anerkannten Experten aus Ägypten und echten Diplomaten aus elf verschiedenen Ländern wurden fünf verschiedene Resolutionen erarbeitet und abschließend verabschiedet. Nach zähem Ringen einigten sich die Mini-Diplomaten auf klare Obergrenzen für einen CO2-Austoß nach Einwohnerzahlen, eine Abgabe von zwei Prozent der Steuereinnahmen für Umweltorganisationen und auf mehr Forschungsanstrengungen bei grünem Wasserstoff. 

Fachlicher Austausch mit echten Diplomaten © Michael Asaad Elphotographatia

Die Herausforderung für die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer stellen aber nicht nur die inhaltlichen Belange dar. Vielmehr hält man sich auch bei Kleidervorschriften und Verhalten an die erwachsenen Vorbilder und bedient sich insbesondere auch der nicht immer einfachen diplomatischen Sprache. Stilecht und mit beeindruckender Souveränität gestalteten die jungen Leute die Abschlussveranstaltung im Ballsaal eines großen Hotels. Begleitend zu den Debatten erstellte ein Presseteam der DEO-Schüler einen Dokumentationsfilm und eine Zeitung.

Die beiden Projektleiterinnen von der DEO hatten vor allem koordinierende Aufgaben, während die Simulation von beeindruckend selbstständig agierenden Minidiplomaten umgesetzt wurde.

Die Begeisterung für die gelungene Veranstaltung wurde von allen Seiten deutlich. Er habe keine Ahnung von Klimawandel gehabt, so ein Teilnehmer, seit MCOP aber viel herausgefunden und erkannt wie dringend die Lage sei. Sogar in der ARD-Tagesschau wurde über die Mini-COP berichtet:  https://www.youtube.com/Tagesschau

Mit ihren ambitionierten Ergebnissen für die Reduzierung der Erderwärmung übertrafen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Model COP 27 nicht nur ihre Vorbilder im darauffolgenden November in Sharm El Sheikh. Aufgrund ihrer beeindruckenden Leistungen wurde eine Gruppe aus 11 Minidiplomatinnen und -diplomaten spontan für eine Teilnahme an der echten COP ausgewählt und mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes im November ans Rote Meer entsandt.

Zwar kam es nicht zu einem persönlichen Treffen mit der deutschen Außenministerin, aber die jungen Leute erlebten hautnah die spannungsgeladene Atmosphäre und den Verhandlungsdruck der letzten Stunden und konnten  ein aufschlussreiches Gespräch mit der Staatsministerin Anna Lührmann führen und die Chef-Verhandlerin der deutschen Delegation, die Klimaexpertin Jennifer Morgan, begrüßen.

Die DEO-Gruppe beim Weltklimagipfel in Sharm El Sheikh © DEO Kairo

Ein Höhepunkt war der Besuch im Global Innovation Hub der Vereinten Nationen, wo Projekte präsentiert wurden, die sich mit den aktuellen Herausforderungen bei der Umsetzung von nachhaltiger Entwicklung beschäftigen. „In persönlichen Gesprächen mit den Vertretern innovativer Technologien konnten die Schülerinnen und Schüler sich ein Bild davon machen, was bereits möglich ist, wenn Investoren den Schritt in diese neuartigen Prozesse wagen“, berichtet die Projektleiterin Urte Mein.  

Bei den Dreharbeiten für das ARD-Morgenmagazin © DEO Kairo

Am Ende der Konferenz kommentierten die Mini-Diplomaten in einem Fernsehbeitrag für das Morgenmagazin des deutschen Fernsehens die vier aufregenden Tage. Sie zeigten sich beeindruckt von der stressigen und arbeitsreichen Welt der Diplomaten sowie den interessanten Gesprächen mit Diplomaten und Aktivisten. Sie beschäftigten sich detailliert mit den Ergebnissen der COP 27 und kamen zu einem klaren Ergebnis: Der Grund für das enttäuschende Ergebnis lag wohl nicht an dem Mangel an diplomatischer Professionalität der Chef-Diplomaten. Warum hier trotz geballter diplomatischer Kompetenz und zäher Verhandlungen auch nach zweitägiger Verlängerung eine weitere Reduzierung der CO2- Emissionen nicht vereinbart wurde, brachte ein Schüler auf den Punkt: „Es gab auch 600 Lobbyisten hier bei der Konferenz, die dafür gekämpft haben, dass man es nicht abschafft, weil es für sie sehr profitabel ist.“
https://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/morgenmagazin

Um einige Erfahrungen reicher – da sind sich die jungen Menschen einig - werden sie sich weiterhin für den Klimaschutz in ihrem Land engagieren und genau diese Erfahrungen weitergeben. Für einige haben sich auch neue berufliche Perspektiven im Bereich Umweltschutz eröffnet. Ob es sie nach diesem Schnupperkurs auf dem politischen Parkett auch in ihrer späteren Zukunft dorthin zieht, bleibt abzuwarten. Kurzfristig kam es für einige der Nachwuchsdiplomaten zu einer höchst beeindruckenden Fortsetzung der politischen Erfahrungen. Auf einer Studienfahrt nach Berlin besuchten sie auch den deutschen Bundestag. Dort wurden sie von der Vorsitzenden des Unterausschusses der Vereinten Nationen, Monika Grütters, herzlich empfangen und kamen mit mehreren Bundestagsabgeordneten ins Gespräch. Sie alle zeigten sich erfreut über „beeindruckende junge Menschen und [eine] bemerkenswerte Schule“ – so Markus Koob von der CDU/CSU. Auch werde „sehr deutlich, wie wichtig auswärtige Bildungspolitik ist“, postete Frau Grütters auf facebook.