Das Museum für moderne Kunst der Universität el-Minia ist zwar vermutlich das zweitgrößte seiner Art in Ägypten. Aber wohl kaum mehr als eine Handvoll Menschen außerhalb Ägyptens wissen um seine Existenz. Die beiden Reiseführerautoren Matthias Fabian und Nadine Eßbach machten sich auf die Suche.

„Kennst Du ein Museum für moderne Kunst in el-Minia?“, fragte Nadine eines Tages. „Bitte was?“, erwiderte ich ungläubig. Von einem solchen Museum in el-Minia hatte ich noch nie gehört. So richtig vorstellen konnte ich es mir nicht. Moderne Kunst mitten in der ägyptischen Provinz? Aber Nadine wusste noch mehr: „Das Museum scheint an der Universität zu sein, an der Fakultät der schönen Künste. Angeblich ist es das zweitgrößte seiner Art in Ägypten“, klärte sie mich auf. Irgendwo in den Tiefen des arabischsprachigen Internets hatte sie die Information ausgegraben. Aber wie zuverlässig ist diese? Für uns  gab es nur einen Weg, das herauszufinden: Wir fahren einfach mal hin!

Einige Wochen später stoppt unser Taxi vor dem Haupteingang des Universitätscampus in el-Minia. Am Tor zum Universitätsgelände kontrolliert Sicherheitspersonal alle Studierenden. Es geht fast wie bei einer Sicherheitskontrolle am Flughafen zu. Die Routine gerät jedoch jäh ins Stocken, als wir beiden plötzlich vor dem verdutzten Wachpersonal stehen. „Was macht ihr denn hier?“, fragt der ältere Herr in Uniform ziemlich perplex. „Wir möchten zum Museum für moderne Kunst an der Fakultät der schönen Künste“, erläutern wir ihm kurz und präzise unser Anliegen. „Zum Museum?“ Ihm ist förmlich anzusehen, wie er die Information verarbeitet. „Studiert ihr hier?“, fragt er nach. „Nein, wir wollen nur das Museum besuchen. Wir sind im Urlaub.“ Der Wachmann scheint völlig ratlos.

Auch der herbeigerufene Polizist kann es kaum fassen. „Touristen wollen das Museum sehen?“, vergewissert er sich beim Wachpersonal. „Welches Museum eigentlich?“ Wir wiederholen, dass es um das Kunstmuseum an der Fakultät geht. „Danach hat noch kein Tourist gefragt“, stellt er fest und hakt nach: „So etwas haben wir hier?“ Der ältere Wachmann zuckt nur mit den Schultern. „Woher kommt ihr denn überhaupt?“, sucht der Polizist nach gewohntem Terrain. Er möchte unsere Reisepässe sehen. „Hier sind zwei Deutsche an der Universität, die zu einem Museum wollen“, gibt er über Funk durch. Wir dürfen noch einmal genauestens erläutern, um welches Museum es geht. Dann verschwindet der Polizist mit den Pässen. Wir warten.

Museum © Matthias Fabian

Nach einer guten halben Stunde kehrt der Gesetzeshüter zurück. „Wieso seid ihr eigentlich ohne Polizei hier?“, möchte er wissen. „Wo wohnt ihr?“, bohrt er weiter. Wir hätten einfach das Hotel verlassen und ein Taxi zur Uni genommen, geben wir an. Unsere Antwort scheint ihn nur mäßig zufriedenzustellen. Skeptisch dreinblickend verschwindet er erneut. Wir warten.

Nach weiteren 30 Minuten, stets unter den wachsamen Blicken des freundlichen Sicherheitspersonals, beginnen wir an unserem Vorhaben, sogar an der Existenz des Museums, zu zweifeln. Doch genau in diesem bedrückenden Moment kommt die so unerwartete wie erfreuliche Nachricht. „Der Präsident der Universität erwartet euch!“, lässt uns der Polizist wissen. Wir bekommen unsere Pässe zurück, werden in ein Auto gebeten und über den Campus gefahren. Einige Minuten später und ein paar Treppenstufen höher stehen wir vor einem freundlichen und sehr geschäftigen Herrn. „Willkommen an der Universität in el-Minia!“, begrüßt uns Prof. Dr. Gamal el-Din Ali Abu el-Maged, Präsident der Universität, und stellt uns seinen Beauftragten für ausländische Gäste zur Seite. „Herzlich Willkommen!“, wiederholt er und schüttelt unsere Hände. Dann entschuldigt er sich, denn er habe dringende Anliegen zu regeln.

Sklupturen und Gemälde © Matthias Fabian

Der Gästebeauftragte geleitet uns in einen Besprechungsraum, organisiert Tee und Softdrinks und stellt sich als Magdy, 24 Jahre alt und aus Mallawi, vor. Er sei seit drei Monaten in diesem Job und wir seien sein erster Einsatz. Magdy ist total begeistert und sehr aufgeregt. Wir warten. Ab und an schauen der Polizist und der Uni-Präsident durch die Tür, erkundigen sich, ob alles in Ordnung sei. „Das ist jetzt eine wissenschaftliche Angelegenheit, die Sicherheit wird hier nicht mehr benötigt“, beruhigt der Präsident den Polizisten. Wir beruhigen den Präsidenten: „Magdy ist ein super Typ, er macht hervorragende Arbeit!“ Es fehle uns an nichts, sagen wir – außer einem Museum, denken wir. Zeit vergeht. Wir warten.

„Wie kommt ihr denn eigentlich darauf, dass es hier ein Kunstmuseum an der Universität gibt?“, füllt Madgy die inzwischen doch recht lange Wartezeit mit sinnvoller Konversation. Wir klären auf: Wir seien die Autoren des Reiseführers „Ägypten – Das Niltal von Kairo bis Abu Simbel“ aus dem deutschen Reise Know-How Verlag. Für die nächste Auflage des Buches recherchierten wir potenziell interessante Reiseziele in Mittelägypten, also dem Bereich zwischen Kairo und Luxor. In vielen Reiseführern sei diese hochinteressante Region recht knapp abgehandelt, was unseren Ehrgeiz angestachelt habe. Wir seien entschlossen, die zahlreichen antiken Monumente, aber auch koptischen Kirchen und Klöster, interessanten Moscheen und andere Attraktionen endlich einmal angemessen zur Geltung zu bringen. „Damit mehr Touristen nach el-Minia kommen“, ergänzen wir. Das hört natürlich jeder Ägypter gern. „Hervorragend!“, attestiert erwartungsgemäß auch Magdy. Wir beantworten weiter seine Fragen und warten.

Ein Bild von Ghaleb Khater © Matthias Fabian

„Wir fahren jetzt zum Museum“, erlöst uns Magdy schließlich nach zwei Stunden. Ein gut klimatisierter Wagen steht bereit, der uns tatsächlich zum Museumsgebäude bringt. Prof. Dr. Sami Abu Talib, Dekan der Fakultät der schönen Künste, begrüßt uns überschwänglich. Aus seiner Vorlesung habe man ihn geholt, als der hohe Besuch eintraf, lässt er uns wissen. Offensichtlich hat er sich extra für uns in Schale geworfen. Und nicht nur der Dekan hat sich für mich und Nadine herausgeputzt. Auch das gesamte Museum mit vier großen Ausstellungssälen ist unübersehbar frisch geschrubbt und gewienert. Der Boden unter unseren Füßen ist noch nass und Eimer und Putzutensilien werden nach dem offenbar zweistündigen Großeinsatz eiligst weggeräumt.

„So muss es bei einem Staatsbesuch sein…“, flüstert mir Nadine zu. Denn der Dekan lässt es sich nicht nehmen, uns nun persönlich durch die blitzblanken Räume zu führen und die wichtigsten der rund 550 Werke ausgiebig zu erläutern. Zu der umfangreichen Sammlung gehören neben Arbeiten ägyptischer Maler, Zeichner und Bildhauer auch Exponate internationaler Künstlerinnen und Künstler. „Wir werden das Museum auf jeden Fall in den Reiseführer aufnehmen, denn wir sind absolut begeistert“, bestätigen wir dem sichtbar stolzen Dekan. „Besucher sind immer gern gesehen, sie sollten sich aber bitte möglichst vorher anmelden. Das macht es leichter, wir sind ja eine Universität mit vielen Pflichten“, gibt uns der Dekan noch mit auf den Weg. Sein Assistent werde die Kontaktdaten zur Verfügung stellen.

Ölgemälde © Matthias Fabian

Praktische Infos:
Museum für moderne Kunst an der Universität el-Minia, geöffnet ca. 8-17 Uhr, vorher anmelden: miniafinearts@yahoo.com

Mehr Informationen zu diesem und anderen unbekannteren Reisezielen in:
Wil Tondok, Nadine Eßbach und Matthias Fabian: „ÄGYPTEN – DAS NILTAL von Kairo bis Abu Simbel“, 4. Auflage, Reise Know-How Verlag, ISBN: 978-3896624659.

Aktuelle Infos auch auf Facebook