lebte Marianne Manda von 1987 bis 1990 jährlich jeweils drei Monate in Munbaqa, einer Ausgrabungsstätte aus der Bronzezeit am Ufer des Euphrat, und so lautet der Buchtitel ihrer „Erinnerungen an Syrien“. Aber es sind weit mehr als Erinnerungen: Wer einmal in der Wüste war, kehrt nicht mehr als derselbe zurück. Dieses Sprichwort gilt auch für die Autorin selbst.
Das Ausgrabungsteam beim Rundgang über die Ausgrabungsstätte Munbaqa©Marianne Manda
Die oft anekdotenhaften Schilderungen ihrer Reisen, Exkursionen und Tagesabläufe bei den Ausgrabungen vermitteln Freude und Bewunderung für die alten Kulturen, ihre Ehrerbietung und Wertschätzung. Autobiographisch beschreibt Marianne Manda auch ihren eignen Lebensweg zu Kunst und Brotberuf, ihre Suche nach sich selbst. Sie wurde 1943 in Kempten im Allgäu geboren und verbrachte hier ihre Kindheit und Jugend. „ Schon als Kind trugen mich meine Träume immer weit fort“. In ihrem jüngeren Leben war Reisen für sie ein „Synonym für Freiheit, mit Vorliebe auf einem Pickup stehend durch die Wüste brausend“. Mit ihren Reisen setzte Marianne Manda ihre Sehnsucht ins Leben um. Sie will jedoch keinen romantischen Exotismus, sondern mitteleuropäische Denk- und Sichtweisen, Lebensgewohnheiten durch ihre Begegnung mit anderen, auch älteren Kulturen relativieren. Sie liebt Menschen außerhalb von Rastern und Schubladen. Die mittlerweile 80-Jährige „hasst“ in ihrem jetzigen Leben das Reisen, es sei letztlich Mittel zum Zweck. Zusammen mit ihrem Mann Georg pendelt sie nur noch zwischen ihrer Sommerheimat - ihrem Studio und ihrem „Stadl im Wald auf der Wiesn“ in ihrer bayrischen Heimat Kempten- und ihrer Winterheimat – einer Altbauwohnung in der Sharia bursa al gedida in der Downtown von Kairo; gelegentlich fliegt sie nach Addis Abbeba, wo sie im Nationalmuseum mit „ihrer zweiten Familie“, einem sechsköpfigen Expertenteam, Fundstücke aus der äthiopischen sabäischen Vergangenheit dokumentiert.
Ausgegrabene Wohnkammer mit Keramikgefäßen in Munbaqa©Marianne Manda
Bis heute ist ihr Leben beim Schreiben und grafischen Gestalten geprägt von den Ur-Themen „Auf-dem-Sprung-Sein“, der Spannung von Festhalten und Loslassen, Aufbruch und Ankunft. Ihre Erinnerungen erzählt sie im Stile eines orientalischen Geschichtenerzählers. Gespickt mit Anekdoten schildert sie mit viel Humor, Menschlichkeit und einer ansteckenden Empathie, die Lust auf Abenteuer macht, die menschelnde Gemeinschaft von Abenteurern und Abenteurerinnen, beschreibt die großartigen Landschaften, Begegnungen mit besonderen Tieren.
Auszahlungstag für die Grabungsarbeiter©Marianne Manda
Sie vermittelt sehr detaillierte und lebendige Einblicke in die Arbeit der Ausgrabungen, sie beschreibt die vielfältigen Tätigkeiten der unterschiedlichen Expertinnen und Experten von Köchen und Dienern, Arbeitern und Vorarbeitern über Archäologen, Architekten, Geologen, Orientalisten, Experten für Lehmziegel und Keramik, bis hin zum Chef, die alle zum Erfolg der Ausgrabungen, aber auch etwas Wesentliches zu der eingeschworenen Gemeinschaft der Abenteurer beitragen. Neben den menschlichen Aspekten beschreibt sie bis ins Detail, aber anschaulich und für Laien gut verständlich die sehr komplexen archäologischen Arbeitsweisen.
Erschüttert und erschütternd zugleich konstatiert sie, dass die Erforschung durch Ausgrabungen auch das Ende des unwiederbringlich verlorenen Urzustands dieser archäologischen Stätten bedeutet, diese jedoch vertraglich auch immer konsolidiert werden. Nachdem die Fundstücke ans Tageslicht gefördert, sorgfältig gereinigt, sortiert, zugeordnet, fotografiert und gezeichnet sind, werden sie behutsam in Kartons verpackt und in ein Archiv geschafft. Damit ist diese alte Kulturstätte zwar dokumentarisch erfasst und digital verewigt – aber gleichzeitig dem schützenden Erdreich entrissen.
Die Munbaqa-Ausgrabung am Euphrat, gegenüber der markante Berg Aruda©Marianne Manda
Ein Lichtblick: Wahrscheinlich sind die Fundstücke zumindest vor dem Vergessen gerettet, weil sie vor der Vernichtung durch die Natur oder den Menschen bewahrt sind. Heute sind die Regionen um die 5000-6000 Jahre alte Kultur von Munbaqa Schauplatz eines furchtbaren Krieges, von Kriegsverbrechen, Zerstörung, Elend und Tod.
Gerne nutzt Marianne Manda auch die Gelegenheit, ihren Brotberuf, dem sie mit so großer Leidenschaft nachgeht, genauer zu erklären und eine Frage, die jedem schon bald auf der Zunge brennt, zu beantworten: Wozu braucht man im Zeitalter der Digitalisierung eigentlich noch eine archäologische Zeichnerin? Wie man es wird, was es braucht, warum mit Fotografie und digitalen Medien dort kein Ersatz geschaffen werden kann, ist nach der Lektüre ihres Buches keine offene Frage mehr.