„Packt die Kahk weg und hol die Kunafa wieder raus!“, so witzelte ganz Ägypten am Ende des Fastenmonats Ramadan im Jahr 2019. Der Scherz bezog sich darauf, dass das kleine Bairamfest im Anschluss an den Ramadan nicht, wie es im Kalender stand, am Dienstag, dem 4. Mai, sondern erst am Mittwoch begann. Denn der Fastenmonat war kurzfristig um einen Tag verlängert worden.
Das traditionelle Bairam-Buttergebäck Kahk durfte demnach noch nicht auf den Tisch. Eiligst wurde die Kunafa noch einmal herausgeholt – die im Ramadan sehr beliebte Süßspeise aus dünnen Teigfäden mit Nüssen oder Puddingcreme gebacken und Zuckersirup übergossen.

Der Mond bestimmt den islamischen Kalender

In Ägypten störte die Verschiebung des Ferienbeginns nicht wirklich. Denn kurzfristige Abweichungen im islamischen Kalender sind nichts Ungewöhnliches, da er sich nach dem Mond richtet. Das Jahr hat 12 Monate von je 29 oder 30 Tagen und umfasst deshalb nur 354 oder 355 Tage. Der 9. Monat, der Ramadan, wandert genauso wie alle anderen Monate und Feiertage, entsprechend den Mondphasen, durch das Jahr. Er beginnt jedes Jahr zehn bis zwölf Tage früher und somit kann die Fastenzeit in alle Jahreszeiten fallen, genauso wie das große und kleine Fest, wie Neujahr und der Geburtstag des Propheten – alle Feiertage haben jedes Jahr einen anderen Termin im gregorianischen Kalender.

Der Ramadan beginnt und endet, sobald die Sichel des Neumondes am Himmel zu sehen ist, der Hilal. „Der Monat besteht aus 29 Tagen. Fastet erst, wenn ihr sie (die Mondsichel) seht, und brecht das Fasten erst, wenn ihr sie (wieder) seht.“ Im Zweifelsfall, wenn z.B. der Himmel bedeckt sei, werde der Ramadan auf 30 Tage verlängert, so steht es im Hadith Abu Dawud.

Wird am 29. Schaaban, das ist der Monat vor Ramadan, der Hilal gesichtet, beginnt der Ramadan in der folgenden Morgendämmerung, wenn nicht, verlängert sich der Schaaban auf 30 Tage und das Fasten beginnt einen Tag später. Der Ramadan ist frühestens am 29. Tag beendet, wenn die Mondsichel am Abendhimmel zu sehen ist und am nächsten Tag beginnt der Monat Schawwal. Im Zweifelsfall wird das Fasten um einen Tag verlängert. Auf den  1. Tag des Monats Schawwal  fällt gleichzeitig das Fest des Fastenbrechens, das Eid al Fitr oder auch das „kleine Fest“ genannt. Dieses dreitägige Fest am Ende der Fastenzeit hat einen fröhlicheren Charakter als das sehr ritualisierte „große“ Opferfest am 10. Tag des Pilgerfahrtmonats, des Dhul Hiddscha.

Die Sichtung der Mondsichel mit bloßem Auge, auf Arabisch Ru´yat al-hilal, durch einen oder mehrere Zeugen hat zu Beginn und Ende des Fastenmonats besondere Bedeutung. Denn moderne astronomische Berechnungen, die es in der frühislamischen Gesellschaft noch nicht gab, sind nicht nur umstritten. Vielen gilt es als Sakrileg, Beginn und Ende des Fastenmonats allein durch Berechnungen und ohne Sichtung der Mondsichel festzulegen, weil die prophetischen Gebote die Sichtung ausdrücklich vorgeben.

Die Ru’yat al-Hilal gehört für die Mehrzahl der Muslime ganz einfach zum festlichen Ritus des Ramadans. Die damit verbundenen Verwirrungen werden gelassen in Kauf und meistens mit Humor genommen. Wie im Ramadan 2019. Zum berechneten Datum wurde der Hilal im Königreich Saudi-Arabien nicht gesichtet und deshalb der Ramadan auf 30 Tage verlängert.

Andersherum kam es auch schon vor, dass ein Zeuge die Sichtung des Hilal gemeldet hatte, sich jedoch bald herausstellte, dass er den hauchdünnen Hilal mit einem anderen Gestirn verwechselt hatte. Dem saudischen König kam dann am nächsten Morgen die unangenehme Aufgabe zu, den Gläubigen zu verkünden, dass der Ramadan noch nicht zu Ende sei und deshalb ein zusätzlicher Tag gefastet werden müsse.

In Ägypten wird der Neumond üblicherweise in Assuan gesichtet. Gewöhnlich richtet man sich aber nach Saudi-Arabien. Aufgegeben wird diese Gepflogenheit nur selten, mitunter im Zusammenhang mit zwischenstaatlichen Beziehungsstörungen.

Obwohl Saudi-Arabien für alle Muslime Beginn und Ende des Fastenmonats für den gregorianischen Kalender astronomisch vorausberechnet, bestehen viele Muslims auf der Praxis des Ru‘yat, so dass es durch die natürlichen Abweichungen des Mondumlaufs weltweit immer wieder zu Differenzen von einem, manchmal sogar zwei Tagen kommt. Nach der astronomischen Berechnung findet 2020 der Ramadan vom 24. April bis 23. Mai statt, Inshaallah.