Nur ein Händedruck oder geht es um die Missachtung helvetischer (schweizerischer) Sitten?
Der Vorfall ereignete sich im vergangenen November an einer Schule in Therwil, einer Gemeinde mit knapp 10.000 Einwohnern im schweizerischen Kanton Basel-Landschaft.
Von einem Tag auf den andern weigerten sich zwei syrische, in der Schweiz aufgewachsene, muslimische Teenager, ihrer Lehrerin sowohl beim Betreten wie auch beim Verlassen der Schule die Hand zu geben. Als Begründung gaben die Jugendlichen religiöse Gründe an. Hier muss nun eingefügt werden, dass das Händegeben in der Schweiz wie wahrscheinlich nirgendwo sonst kulturell sehr stark verwurzelt ist. Die Lehrerin fühlte sich deshalb diskriminiert und meldete den Vorfall der Schulleitung. Diese wiederum hatte gegen das Verhalten der jungen Muslime keine Einwände und tolerierte die Weigerung.
Der ganze Vorfall konnte einige Monate unter Verschluss gehalten werden, bis Anfang April eine schweizerische Wochenzeitung die ganze Sache veröffentlichte und auch die wöchentlich ausgestrahlte Diskussionssendung „Arena“ des schweizerischen Fernsehens das Thema aufgriff.
Seither hat die Debatte über das Verhalten und die Integration von Muslimen in der Schweiz deutlich an Fahrt aufgenommen und die Kritik am Verhalten der Schulleitung nimmt zum Teil groteske Züge an. Inzwischen sind verschiedene politische Kreise aktiv geworden. Während die kantonale Bildungsdirektion mit einem rechtlichen Gutachten abklären will, ob die Hand-Verweigerung rechtens ist oder den schweizerischen Rechten und Sitten widerspricht, spricht sich die schweizerische Justizministerin klar gegen die Akzeptanz der Handschlag-Verweigerung aus. Ähnlich tönt es aus politischen Parteien. So reagiert die CVP (Christliche Volkspartei) mit einer entschiedenen Distanzierung von solchen Sonderregelungen und bezeichnet sie als „frauenverachtend“. Darüber hinaus verstießen sie „ …gegen grundlegende Anstandsregeln und Werte unserer Kultur.“ Eine rechts angesiedelte Partei will Gesetzesänderungen einbringen, die solche Vorkommnisse in der Zukunft unmöglich machen.
Die Händedruck-Affäre ist seither rund um den Globus bekannt geworden. So titelte die Washington Post: „Schweiz schockiert über muslimische Teenager, die ihren Lehrerinnen den Händedruck verweigern.“ Daneben berichteten die BBC, Le Figaro oder Fox News über den Fall. Aber auch im arabischen Raum und bis nach Indien war der „Therwiler Fall“ in den Medien zu finden. In einigen dieser Artikel erfuhren die Leser auch, dass die Schweiz ein Minarettverbot und der Kanton Tessin ein Burkaverbot kenne.
Nicht zum ersten Mal wird in der Schweiz über Religionsfreiheit gestritten. Schwimmunterricht-Dispens für muslimische Schülerinnen, Schülerinnen und Lehrerinnen mit Kopftuch, Schüler mit Kippa, ja sogar Kruzifixe an den Schulwänden in katholischen Kantonen und neuerdings die Bereitstellung von Gebetsräumen in Schulen sind Themen, die immer wieder zu Diskussionen führen.
So wie ich die momentane Stimmung in der Schweiz einschätze, ist die Mehrheit der Bevölkerung klar gegen Zugeständnisse in Sachen Religionsfreiheit. Die kulturellen Werte werden ganz deutlich höher eingestuft und an dieser Gewichtung wird sich in den nächsten Jahren auch nichts ändern, unabhängig davon, wie das in Auftrag gegebene juristische Gutachten im „Fall Therwil“ auch ausfällt.