Nicht schon wieder Schule und Corona, davon haben wir in letzter Zeit oft gehört, mag mancher Leser denken. In diesem kurzen Artikel geht es jedoch um etwas völlig Neues, das die Leser interessieren wird.

Zum Schuljahr 1977/1978 wurde an der Deutschen Evangelischen Oberschule Kairo (DEO) erstmalig der „Begabtensonderzug“ eingeführt. Diese heute unter dem Namen N-Stufe bekannte Einrichtung war ursprünglich ein soziales Projekt der Schule. Unter etwa 300 begabten Schülerinnen und Schülern der 4. Klassen von umliegenden Grundschulen wurden nach einem Testverfahren 30 ausgewählt. Diese Schülerinnen und Schüler, die zwar begabt, deren Eltern jedoch mittellos waren, wurden unentgeltlich an der DEO unterrichtet und zum Abitur geführt. Der Schwerpunkt des Unterrichts lag natürlich auf dem Erwerb der deutschen Sprache, da sie als „Seiteneinsteiger“ im Gegensatz zu den anderen kein Deutsch sprachen. Aus diesem Grund erhielten die Schülerinnen und Schüler der Klasse 5n 16 Wochenstunden Deutsch. Im Laufe der Zeit wurden auch für die N- Stufe Schulgebühren eingeführt, da sich die Schule nicht mehr in der Lage sah, den zusätzlichen Klassenzug zu finanzieren.

Dann kam im Schuljahr 2020/2021 Corona und der Fernunterricht. Zwölfjährige an fünf Tagen in der Woche nur über das Internet zu unterrichten, erwies sich als herausfordernd. Der Leiter der N- Stufe, Dr. Frank Laska, überlegte gemeinsam mit der Schulleitung, wie man die Qualität des Fernunterrichtes verbessern könne. So entstand das Kooperationsprojekt mit der Universität Eichstätt- Ingolstadt.

An dieser Universität lernen die Studenten, wie man Deutsch als Zweitsprache (DaZ) und Deutsch als Fremdsprache (DaF) unterrichtet. Prof. Dr. Tanja Rinker, die Leiterin des Fachbereichs in Eichstätt beschrieb das Projekt mit der DEO wie folgt:

Studierende des Faches Deutsch als Zweitsprache unterrichten die Klassen 4n und 5n in DaF digital. Dabei werden die neusten Methoden der Lehrforschung angewandt, also ein Gewinn für die Schüler in Kairo und die Studenten in Eichstätt. Zusätzlich findet jeden Mittwoch eine Kleingruppenförderung für drei bis fünf Schüler statt, in der die Schüler, bedingt durch die geringe Teilnehmerzahl, sich kommunikativ leichter und häufiger einbringen können.“

Unterricht in Kleingruppen zur besseren Förderung©Stefan Gerke

Das Projekt erwies sich als voller Erfolg und wird fest in das Konzept der Schule übernommen werden.

 Im Juni 2022 besuchten Studenten aus Eichstätt die DEO und der Autor hatte Gelegenheit, mit Schülerinnen und Schülern, Studierenden und Lehrern zu sprechen:

Ich finde die Erfahrung mit den Studenten sehr schön und es hat mir Spaß gemacht, weil ich viel gelernt und neue Leute kennengelernt habe.“ Karma El- Sakka, Klasse 5n

Ich fand die Erfahrung sehr toll. Ich habe viel gelernt und auch geübt. Ich war sehr glücklich, als sie alle zu Besuch kamen. Ich wünsche, dass wir uns wiedersehen.“ Farida Othman, Klasse 5n

Es war toll. Ich habe von den deutschen Studenten viel gelernt und sie waren geduldig.“ Ahmad Al Mahdi, Klasse 5n

Auch eine Studentin beschrieb ihre Erfahrungen: „Für mich war das Projekt mit den Schülern aus Kairo sehr interessant und lehrreich, da ich nach kurzer Zeit gemerkt habe, dass man auch ohne Nervosität in eine Unterrichtsstunde starten kann. Das lag wahrscheinlich daran, dass die Kinder trotz unserer räumlichen Distanz derart motiviert und liebenswert waren.“

Salwa Belal, die Klassenleiterin der 4n, äußerte sich wie folgt: „Dieses Kooperationsprojekt war, meiner Meinung nach, für die Kinder eine echte Bereicherung und sie haben davon ganz viel gelernt. Für mich persönlich war dieser Unterricht einmal pro Woche eine Entlastung und ich habe auch ganz gern mir den Unterricht angeschaut und wie die Kinder sehr interessiert und motiviert sich am Unterricht beteiligt haben.“  

Die 4n und ihre Gäste bei der Auswertung der Stunde©Stefan Gerke

Soweit zum Kooperationsprojekt an der DEO. Neue Situationen erfordern halt neue Wege; diese sind das N-Stufen-Team mit Frank Laska gegangen. Neben dem pädagogischen Gewinn des Projekts kam jedoch noch ein weiterer Aspekt hinzu: der der Völkerverständigung. Sowohl den Schülerinnen und Schülern der DEO in Ägypten, als auch den Studierenden in Deutschland ist es mit ihrer kooperativen, respektvollen und liebenswürdigen Art gelungen, eine Atmosphäre herzustellen, die zum gemeinsamen und demokratischen kulturellen Verständnis erheblich beiträgt.

Diejenigen, die sich für dieses Thema interessieren, seien auf das im kommenden Jahr erscheinende Buch „150 Jahre Deutsche Evangelische Oberschule in Kairo“ verwiesen