Ägypten ohne Fuul und Ta‘amiya - so heißen Falafeln in Ägypten - ist nicht vorstellbar. Meine ersten „runden Bällchen“ aß ich vor vielen Jahren in der Oase Farafra. Nach der Besichtigung des vom Künstler Badr Abd al-Moghny Aly gebauten Museums lud er uns in sein Haus ein. Ragab, seine Frau, zauberte in Kürze ein herrliches Mahl, das auf einem großen Tablett, auf dem kleine Schälchen mit allerlei Köstlichkeiten standen, serviert wurde. Da gab es die Sesampaste Tahina, das Auberginenmus Baba ganoush, die Spinatsuppe Molokiya, die Bohnenspeise Fuul, Hühnchen, Reis, Tomatensauce, Fladenbrot und natürlich Falafeln. Die Kinder von Badr, seine Tochter Manar, damals fünf Jahre alt, und die etwas älteren Söhne, Rami und Shedi, leisteten uns Gesellschaft.

Das Museum von Badr Abd al-Moghny Ali in Farafra © Andreas Morawetz/ Leone Strizik

Als Badr mit einem Kübel den Raum betrat und darauf zu trommeln begann, staunten wir sehr, denn Manar sprang auf und begann zu tanzen. Sie lachte zu ihren Bewegungen und forderte uns auf, mitzuklatschen. Dann tischte Ragab noch Salzzitronen auf, die ich etwas skeptisch betrachtete. Doch sie schmeckten vorzüglich und werden als Gewürz zu Fleisch und Fisch gegessen. Mit Hilfe von Badr erklärte uns Ragab die Vorgangsweise. Zuerst werden die Zitronen gewaschen, gebürstet und in ein großes Glas gelegt. Mit kaltem Wasser bedeckt, sollen sie zwei bis vier Tage stehenbleiben. Danach wird das Wasser ausgeleert, die Zitronen herausgenommen, an vier Seiten eingeschnitten und mit Salz befüllt. Wieder im Glas, werden sie mit etwas Zitronensaft und kochendem Wasser übergossen. Nach vier bis sechs Wochen sind sie zum Genuss bereit und können, im Ganzen oder in Stücke geschnitten, verzehrt werden. Über die Jahre hinweg hat sich die Freundschaft mit der Familie von Badr durch mehrere Besuche in diese Region vertieft. Mittlerweile sind aus den Kindern Erwachsene geworden, die ein Studium absolvieren. Rami möchte in die Fußstapfen seines Künstler-Vaters Badr treten.

Der Künstler Badr Abd al-Moghny © Andreas Morawetz/ Leone Strizik

Seither gehören die aus Saubohnen, Zwiebeln, Lauch, Kreuzkümmel, Koriander, Petersilie und Gewürzen hergestellten Falafeln zu meiner Tagesversorgung, wenn ich in Kairo unterwegs bin. Eingefüllt in ein Fladenbrot, mit Zwiebeln, Salat und einer Joghurtsauce versehen, schmecken sie ausgezeichnet. Auch das in Essig eingelegte Gemüse, Turshi, wird zu Falafeln gegessen. Gesagt wurde mir, dass es allein in Kairo tausende Ta’amiya-Stände gibt.

Falafel werden in heißem Öl frisch auf der Straße frittiert © Andreas Morawetz/ Leone Strizik

Die orientalische Version ist vegetarisch, im Gegensatz zu den „faschierten Laibchen“ in Österreich, die in Deutschland Frikadellen genannt werden. Von wo die Falafeln ursprünglich herkommen, ist nicht gesichert. Es gibt Vermutungen, dass sie von den Kopten erfunden wurden, um ein gutes fleischloses Gericht in der Fastenzeit zu haben. Von Marokko bis zum Irak kennt jeder die schmackhaften Bällchen. In Israel wurden sie sogar zum Nationalgericht erkoren. Selbst in Europa haben sie Einzug gehalten. Mittlerweile gibt es Fertigpackungen, deren Inhalt nur noch mit Wasser angerührt werden muss.

Falafel oder Ta'ameya werden gerne mit Gemüse und Joghurt serviert © Andreas Morawetz/ Leone Strizik

Fuul! Fuul gehört zu Ägypten wie der Nil. Ohne fuul und ohne Nil, kein Ägypten. So könnte man es formulieren, wenn es um das ägyptische Nationalgericht geht. Es wird schon zum Frühstück mit Fladenbrot gegessen und hält lange satt.

Fladenbrot wird in speziellen Bäckereien für A'aisch balladi gebacken © Andreas Morawetz/ Leone Strizik

Nicht nur die ärmeren Bevölkerungsschichten lieben das an jeder Straßenecke zu kaufende Gericht, auch die Wohlhabenden schätzen es. Diese einfache, im arabischen Raum verbreitete Speise wird wie die Falafeln aus Saubohnen, die auch als dicke Bohnen oder Favabohnen bekannt sind, hergestellt. Meistens püriert, werden sie noch mit Knoblauch, Salz, Kreuzkümmel und Zitronensaft abgeschmeckt. Großzügig mit Olivenöl übergossen und falls gewünscht, mit reichlich Petersilie und Zwiebeln dekoriert, kommt die Speise auf Aluminium- oder Emailtellern auf den Tisch. Mit Fladenbrot, das zum Tunken verwendet wird oder auch damit gefüllt werden kann, ist es nahrhaft und vor allem billig.

Bereits im Alten Ägypten wurde Bier gebraut. Bier, altägyptisch henqet, war neben Wasser ein gewöhnliches Getränk und wie Brot und Zwiebeln ein Grundnahrungsmittel. Da das relativ dickflüssige Bier noch Unreinheiten enthielt, wurde es beim Ausschenken durch ein feines Sieb gegossen oder mit Hilfe eines Saugrohres getrunken. Das Bier der Pharaonen kann allerdings nicht mit heutigen Bieren verglichen werden. Die japanische Brauerei Kirin startete vor mehreren Jahren einen Versuch und stellte Bier nach einem 4.400 Jahre alten Rezept her, das an einer Grabwand gefunden wurde. Die Brauerei teilte mit, dass das Bier mit einem Alkoholgehalt von zehn Prozent etwa doppelt so stark ist wie moderne Biere und eher nach Weißwein schmecke, deshalb würde es nicht ins Programm aufgenommen.

Archäologischer Fund einer Bierbrauerei aus dem Alten Ägypten © Egyptian Ministry of Antiques

Die Beschwerde eines Arbeiters aus Deir al-Medina (Luxor-Westbank), geschrieben auf einer Tonscherbe, ist erhalten geblieben. In der Arbeitersiedlung lebten jene, die mit der Errichtung der Gräber der Pharaonen und hohen Beamten beschäftigt waren. Auf diesem über 3.000 Jahre alten Ostrakon fordert der Mann von seinem Vorgesetzten Kenhershepeshef Bier, um sich seinen Bauch zu füllen. In Deir al-Medina, wo dieses Ostrakon gefunden wurde, fand auch der erste Streik der Geschichte unter Ramses III. statt, dessen Ablauf auf einem Papyrus, der sich in Turin befindet, festgehalten ist. Doch war dies nicht der älteste Beleg im Hinblick auf Bier, da schon die Pyramidenbauer tausend Jahre früher ihren Durst damit stillten. Es gab zwei große Arbeitsgruppen, die jeweils für einen Bereich verantwortlich waren. Sie gaben sich Namen wie „Die Große“ oder „Die Grüne“, die wiederum aus Kleingruppen von zehn bis zwanzig Mann bestanden. Auch diese Untergruppen hatten Namen: „Ausdauer“ und „Perfektion“, aber auch solche wie „Die Säufer des Mykerinos“ gehörten dazu. „Ich entlohnte sie mit Bier und Brot und ließ sie schwören, dass sie zufrieden waren“, sagte der Priester und Richter Kai über die Bauarbeiter und Handwerker, die sein Grabmal errichteten.

Wie sieht es nun heute mit dem Bierbrauen und Biertrinken in Ägypten aus? Theoretisch gibt es keinen Alkohol in Ägypten, da es ein islamisches Land ist, in der Realität aber sehr wohl. Seit über 4.000 Jahren wird im Land am Nil Bier gebraut, nur mit dem Trinken ist es eindeutig schwieriger geworden. Bier war ein Grundnahrungsmittel und wahrscheinlich gesünder, als sich literweise Schwarztee mit einer Unmenge Zucker zuzuführen, wie es heute üblich ist. Der Vorbehalt der Ägypter gegenüber Alkohol hat mit den strengen gesetzlichen Vorschriften zu tun. Der Verkauf und der Konsum von Alkohol auf öffentlichen Plätzen oder in Geschäften sind verboten, mit der Ausnahme von touristischen Einrichtungen, die vom Tourismusministerium genehmigt werden müssen. In Stadtteilen wie Zamalek, Maadi oder Heliopolis ist Alkohol zu trinken gesellschaftlich akzeptiert. In ärmeren Vierteln jedoch fällt es fast schon in die Kategorie einer kriminellen Handlung. Fährt man aufs Land oder in die Oasen, kann es sein, dass man auch dort sein Bier zum Essen bekommt, wenn man die richtigen Leute fragt und etwas Glück hat. Manchmal kann es aber Stunden dauern, bis die begehrte Dose oder Flasche den Besitzer wechselt. Das alkoholische Lieblingsgetränk der Ägypter ist eindeutig Bier, die beliebtesten Marken sind Stella und Sakkara. Bier ist eine geschätzte Ware, die, wenn sie noch dazu kalt auf den Tisch kommt, einer Revolution gleicht.

Der Text ist ein Auszug aus „Das Wunder Kairo. Geschichten aus der Mutter aller Städte" von Leone Strizik. Sisile-Verlag Wien 2021