In Luxor wurde eine über 3000 Jahre alte Tempelanlage restauriert und in einer filmreifen Feier mit Gänsehauteffekt eröffnet. Die Medien in Ägypten feierten dieses übernationale Ereignis euphorisch als Schritt in die Zukunft des Landes zur Wiederbelebung des Tourismus und als Renaissance der ägyptischen Seele.

Ein strahlendes Revival des altägyptischen Opet-Festes

Raffiniert mit modernster Technik ausgeleuchtet erschien die alte Tempelanlage in Karnak, die man bisher nur in einer Sound&Light-Beleuchtung mit vielen dunklen Ecken kannte. Bei der opulenten Eröffnungsfeier Ende November 2021 wurde in einer musicalähnlichen Inszenierung mit Hunderten von Tänzerinnen und Tänzern in Originalkostümen, einem Chor, der Lieder in altägyptischer Sprache vortrug, und einem Orchester, das auf nachgebauten Instrumenten originale Melodien aus der altägyptischen  Zeit spielte, die Opet-Prozession aufgeführt. Bei dem historischen Vorbild machte sich vor 3000 Jahren in der antiken Hauptstadt Theben der Gott Amun mit seiner Gemahlin Mut und seinem Sohn Chon auf den Weg vom Karnak-Tempel zum Luxor-Tempel. Das mehrtägige Fest fand jährlich im Frühherbst zum Dank für die fruchtbringende Nilschwemme statt. Bei der feierlichen Prozession wurden die Statuen der göttlichen Trias in 3-4m langen goldenen Barken auf dem Fluss und auf den Straßen von Priestern durch die Stadt transportiert. Es gilt wohl als das größte und prächtigste Fest der altägyptischen Zeit.

Die festliche Opet-Prozession nach historischem Vorbild © MoTA

Im November 2021 erlebten Ägypten und die Welt ein Revival dieser Tradition, die seit drei Jahrtausenden kein Mensch mehr gesehen hatte. Hunderte prominente Gäste vor Ort und Millionen Zuschauer vor den Fernsehern wurden in die Zeit des alten Ägyptens zurückversetzt. Die ganze Stadt war in die festliche Kulisse einbezogen: der Felsentempel der Hatschepsut, der vom Westufer herüberleuchtete, und die Memnon-Kolosse; im Nil kreuzten angestrahlte Aufbauten und Felukken, Heißluftballons erhoben sich wie bunte Monde über dem Tal der Könige, auf der Corniche zog eine Parade Dutzender mit Lichtern ausgestatteten Pferdekutschen entlang, begleitet von Tänzerinnen und Tänzern und das Luxormuseum präsentierte sich in vollem Glanze.

Die Goldene Barke des Amun © MoTA

Der Pfad der Götter ist restauriert

Es war die Eröffnung der in jahrzehntelanger Arbeit restaurierten Sphinx-Allee, des 2700 m langen und breiten „Pfades der Götter“, so der frühere Name. Er verbindet den Luxortempel mit dem nördlich gelegenen Karnaktempel. 1350 Sphinxen mit Widderköpfen oder Menschenhäuptern reihen sich beidseitig dieser Prachtallee, deren ältesten Statuen aus der Zeit der Königin Hatschepsut um 1400 v. Ch.stammen sollen.

Ausgrabungsarbeiten an der Widderallee in Luxor © MoTA

Der Prozessionsweg wurde 1949 von dem Archäologen Zakaria Ghoneim entdeckt. Nach der Ausgrabung von zunächst acht Sphinxen dauerte die Restaurierung der mit Sand bedeckten und teilweise zerstörten Prozessionsweges noch weitere 70 Jahre. Nun ist sie fertiggestellt und das wird in einem unvergesslichen Ereignis gefeiert, zu dem das gesamte Luxor herausgeputzt und in ein großes Freilichtmuseum umgestaltet wurde.

 

"Pfad der Götter" in Luxor ©

Historische Inschriften aus den Tempeln als Vorlage für die wiederbelebte Prozession

Die Rituale des Opet-Festes werden im Luxor-Tempel detailliert dargestellt wo die „Inschriften viele Szenen des Festes, einschließlich musikalischer Begleitung, Tänzen, Militärparaden, Darstellung der Opfergaben und Pferdeshows zeigen“, zitiert alahram online den führenden Archäologen des Landes Zahi Hawass.

Ägyptens antike Schätze als attraktives Ziel für Touristen

Der Weg der Könige erstrahlt in neuem Glanze © MoTA

Nach der Einweihung überschlugen sich die Medien vor Begeisterung, sie feierten die Veranstaltung als einen Höhepunkt für den ägyptischen Tourismus. Ihre Botschaft erklärt Zahi Hawass in NBC News: „Ägypten ist sicher und wir laden alle ein wieder nach Ägypten zu kommen. Luxor ist das größte Openair-Museum und weltweit die größte archäologische Stätte zur Geschichte des alten Ägyptens von 2000 v.Chr. bis zur römischen Zeit.“ Auch die in der weiteren Region benachbarten Tempelanlangen von Dandarah, Esna und Abydos werden in das neue Konzept einbezogen.

Das Festival ist Teil einer Kampagne, die zeigen soll, dass Ägypten seine einmaligen antiken Schätze erhält und der Öffentlichkeit präsentieren möchte. Bereits im April 2021 wurden 22 antike Königsmumien in der prächtigen und medienwirksamen Inszenierung der „Goldenen Parade der Pharaonen“ aus dem ägyptischen Nationalmuseum am Tahrir Platz quer durch Kairos Innenstadt in das neue Naturkundemuseum in Fustat überführt. Während der für den Tourismus lähmenden Corona-Zeit hatten ägyptische Archäologen bereits eine Reihe spektakulärer Entdeckungen in Sakkara präsentiert: neue unberührte Grabkammern mit Dutzenden von Mumiensärgen und wenig später eine 5000 Jahre alte Bierbrauerei, die vom ägyptischen Tourismusministerium auf facebook als „älteste Hochleistungsbrauerei der Welt“ bezeichnet wurde. Im April 2021 ging Zahi Hawass mit der sensationellen  Entdeckung der „ verlorenen goldenen Stadt"  in der Nähe von Luxor in die Medien. Zwar waren in den 1930er Jahren die Franzosen Clement Robichon und Alexandre Varille bereits auf dieses Arbeiterquartier mit Werkstätten und Hütten gestoßen. Doch damals interessierte sich niemand dafür, es wurde nicht weitergegraben.

Während im ganzen Land auch kleinere archäologische Museen eröffnet werden, um Touristen und Ägyptern das altägyptische Erbe nahezubringen, erwarten Ägyptenfans vor allem ungeduldig und gespannt die Eröffnung des an den Giza-Pyramiden gelegenen Great Egyptian Museums, kurz GEM. Das Museum der Superlative, dessen Eröffnung bereits mehrfach verschoben werden musste, soll nun 2022 in einem Mega-Event eröffnet werden, bei dem unter anderem eine extra komponierte Oper über Tutanchamun aufgeführt werden soll.

Revolution der ägyptischen Seele

Der altägyptische Riesenrummel bewirkt aber nicht nur ein Revival früherer Touristenströme sondern auch eine Renaissance der ägyptischen Selbstwahrnehmung. Aufführungen mit altägyptischen Liedern sind ein Augenöffner für das ägyptische Volk. „Zum ersten Mal haben wir unsere eigene Sprache gehört“, schwärmte ein enthusiastischer Fernsehmoderator in seiner Talkshow. Die vor 3000 Jahren gesprochene Sprache findet sich heute noch in den liturgischen Gesängen koptischer Gottesdienste, aber „ niemand wusste, dass dies unsere Sprache ist.“ Er empfand die Aufführung in Luxor einer „Revolution der ägyptischen Seele“ ähnlich. Sie macht den Ägyptern ihre eigentliche großartige Kultur bewusst, fördert den Stolz auf die Vergangenheit. Das alte Ägypten spielt heute eine entscheidende Rolle bei der Findung einer nationalen Identität. Bis in die zweite Hälfte des 20.Jahrhunderts war die Ägyptologie eher ein Anliegen von Ausländern, die vor allem die Ausgrabungen leiteten. Bei Ägyptern mangelte es völlig an Stolz und Bewusstsein für diese frühe geschichtliche Zeit. Das ägyptische Nationalmuseum z.B. wurde von einem Italiener erbaut, große Funde von Ausländern betrieben. Die altägyptische Kultur ist ein bedeutender Bestandteil für eine gemeinsame ägyptische Identität geworden.