Für unsere Kinder und Kindeskinder sollten wir einen lebenswerten Planeten erhalten. Überraschenderweise gibt es in Ägypten ein bemerkenswertes Projekt der Heliopolis-Universität: eine starke Keimzelle für diesen Gedanken der Nachhaltigkeit und konkrete Lehrpläne zur Förderung des Bewusstseins und des Verhaltens in Schulen.

Die Keimzelle der Nachhaltigkeit in Ägypten

In Ägypten hatte Professor Dr. Ibrahim Abouleish bereits 1977die Bedeutung der Nachhaltigkeit für ein ethisch gutes Leben erkannt, als er das Projekt SEKEM initiierte, d.h. zehn Jahre bevor die Brundtland-Kommission 1987 erstmals den Gedanken der Nachhaltigkeit als globales Ziel formulierte. Professor Abouleish ist ein Visionär, der damit begann, eine spezifische Form der Landwirtschaft zu betreiben, der dabei das gesamte soziale Umfeld einbezog, der ein Bildungs- und Gesundheitssystem aufbaute und Produkte entwickelte und vertrieb, die ebenfalls dem Nachhaltigkeitsgedanken entsprachen: Ökonomisch erfolgreich, ökologisch ausgewogen, sozial gerecht. Dafür erhielt er mit Recht 2003 den Right Livelihood Award, den Alternativen Nobelpreis, und wurde auch in Deutschland geehrt, zuletzt mit der Stauffermedaille in Baden-Württemberg. Die Gründung der Heliopolis-Universität, zu deren Gründern Abouleish gehört, und die ebenfalls den Grundsätzen der nachhaltigen Entwicklung verpflichtet ist, vollendet sich ein vorbildliches Bildungssystem, das anthroposophischen Grundsätzen entspricht und den Einklang von Mensch und Umwelt, von Ökonomie, Ökologie und sozialem Zusammenleben anstrebt.

Nachhaltigkeitscurriculum für ägyptische Schulen

Geleitet von diesen Kerngedanken erarbeitete ein Expertenteam an der Heliopolis-Universität ein Nachhaltigkeitscurriculum für alle ägyptischen Schulen. Im Rahmen einer europäisch-ägyptischen Kooperation wurde ein Lehrplan für drei Jahrgangsstufen entwickelt. Dieser kann über EDUcamp, Education for Sustainable Development beyond the Campus: www.educamp.eu, eingesehen und heruntergeladen werden. Er kann von ägyptischen Lehrkräften in unterschiedlichen Fächern unterrichtet werden, indem sie die Themen in ihren Unterricht einbauen oder mit den Schülern spezifische Projekte bearbeiten. Denn, so Professor Abouleish, es sei sehr wichtig, mit den Kindern und Jugendlichen konkrete Alltagssituationen zu analysieren, für die hier auftretenden Problembereiche machbare, kostengünstige Lösungen zu entwickeln und vor allem diese dann in Handeln umzusetzen. Die Heliopolis-Universität bietet dazu für Lehrer oder Lehrerteams Fortbildungsmöglichkeiten an, in denen alle Aspekte des Curriculums behandelt werden. Das betrifft einerseits die fachlichen Inhalte, aber auch schülerorientierte Methoden oder spezielle handlungsorientierte Projekte.

Lehrerfortbildung © SEKEM

Bausteine des Curriculums

Die verschiedenen Teilgebiete des Curriculums sind: Landwirtschaft, Biodiversität, Energie, Unsere Welt, Wasser. Für jedes der Teilgebiete sind klare Ziele formuliert. So sollen die Schüler unter anderem befähigt werden, den Wasserkreislauf und die Produktion frischen Wassers aus Salzwasser zu erklären. Sie sollen erneuerbare Energien kennen und ihre Nutzung verstehen, nachhaltiges Verhalten erkennen und von nicht nachhaltigem unterscheiden können und ein Bewusstsein für die Heimat und die konkreten Handlungsmöglichkeiten hier entwickeln. Aber auch die Fragen: Wie ernähre ich mich gesund? Wie erkenne ich die Qualität von Nahrungsmitteln? werden im Nachhaltigkeitscurriculum aufgegriffen.

Die Besonderheit dieses Curriculums ist seine fachlich-ganzheitliche Qualität, die sich auf ein qualitativ hochwertiges globales Konzept bezieht und wissenschaftlich fundiert ist. Dazu gehören zum Beispiel auch die fünf Pfeiler des Lernens, wie Jacques Delors und die UNESCO sie 1997 und 2010 formuliert haben: 1. Lernen, um zu wissen, 2.Lernen, um zu handeln, 3. Lernen um zusammenzuleben, 4. Lernen zu sein, 5. Lernen, sich selbst und die Gesellschaft zu verändern.

Lehrer lernen Lehren © SEKEM

Diesen Grundsätzen entsprechend setzt das Curriculum auf wichtige Lehr- und Lernprinzipien wie Interdisziplinarität und Ganzheitlichkeit. Die einzelnen Unterrichtseinheiten stützen sich auf die Methoden des nachfrage- und problem-orientierten Lehrens und Lernens sowie auf eine partizipatorische und anwendungsorientierte Wissensvermittlung. Zu den Prinzipen gehören darüber hinaus der Bezug zu lokalen und globalen Problemen und Bedürfnissen sowie die Anerkennung der Menschenrechte.  

alternative Unterrichtsmethoden © SEKEM

Als pädagogische Verfahren und Methoden wird den Lehrkräften ein umfangreiches Repertoire empfohlen; u.a. Rollenspiele und Simulationen, Experimente, Schulspiele, Gruppendiskussionen oder auch Feldstudien.  

Schüler lernen nachhaltig © SEKEM

Nachhaltigkeit im internationalen Kontext

Seit die Brundtland-Kommission 1987 erstmals den Gedanken der Nachhaltigkeit als globales Ziel formulierte, hat sich diese Idee mehr und mehr als eine der zentralen Menschheitsaufgaben herausgestellt und wird von allen Staaten der UNO als solche anerkannt.

Die Vereinten Nationen hatten von 2005 bis 2014 eine UN-Dekade dazu ausgerufen: Bildung für Nachhaltige Entwicklung. Ziel war es, in allen beteiligten Ländern ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Nachhaltigkeit für das Leben auf der Erde unabdingbar ist. Weltweit sollen wir  Menschen überall so leben, dass auch alle nachfolgenden Generationen noch einen lebenswerten Planeten vorfinden. Es geht damit um den Ausgleich zwischen Ökonomie, Ökologie und sozialer Gerechtigkeit auch über alle Länder der Welt hinweg.

Alle Staaten verpflichteten sich im Rahmen der UN-Dekade dazu, die Ziele der Nachhaltigkeit bekannt zu machen und in ihren jeweiligen Bildungssystemen die nötigen Grundlagen dafür zu legen, etwa durch die Aufnahme dieser Idee in die geltenden landesspezifischen Curricula. Dadurch soll nicht nur ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit geschaffen, sondern insbesondere auch das entsprechende Verhalten gefördert werden, das nicht durch Wissen allein, sondern nur durch handlungsorientierte Projekte erlernt werden kann.

In Baden-Württemberg, wohin es sehr gute Kontakte von Prof. Dr. Ibrahim Abouleish und SEKEM gibt, wurde ebenfalls ein Nachhaltigkeitscurriculum in die aktuellen Bildungspläne von 2016 aufgenommen und als ein wesentliches Bildungsziel implementiert. Die Qualität des ägyptischen Curriculums, das von der Heliopolis-Universität entwickelt wurde, ist vergleichbar und hält höchsten Ansprüchen stand.

Lesen Sie weiter! Die SEKEM Vision/ Heft 5 2014/15