Bei meinen Recherchen stieß ich auf den Namen des ägyptischen Künstlers Mohamed Abla. 1953 in Mansura geboren, lebte er nach seinem Studium an der Fakultät der Schönen Künste in Alexandria, sieben Jahre in Europa und davon längere Zeit in Österreich. Ölmalerei und Grafik sowie Collagen bilden die Schwerpunkte seiner Arbeiten. Wichtige Inhalte sind der Nil, die Umgebung, aber auch die Auseinandersetzung mit aktuellen und traditionellen Themen. Im Fayyum, in der kleinen Stadt Tunis, südwestlich von Kairo gelegen, hat Abla mit seinem Art Center und dem Karikaturmuseum neue Schritte gesetzt. Nach dem Vorbild der Sommerakademie Salzburg, an der er einige Jahre lehrte, lädt er alljährlich kunstbegeisterte junge Menschen aus aller Welt zu Workshops ein.

Als er 1998 von einer Amerikareise zurückkam, fand er sein Atelier und Bilderlager mit über 500 Bildern, das sich im Musafirkhana-Palast in der Altstadt von Kairo befand, abgebrannt vor. Die Arbeit von zwanzig Jahren war dahin. Er hatte das Gefühl, als ob er nicht mehr existieren würde. Der Verzweiflung nahe machte er sich auf die Suche nach einer neuen Bleibe und fand sie mitten im Nil.

Auf der Insel Qursaya gibt es überwiegend Landwirtschaft © L. Strizik/ A. Marowetz

Mohamed Abla hat sich einen außergewöhnlichen Arbeitsort ausgesucht, einen ehemaligen Bauernhof auf der Nilinsel Qursaya. An die 5.000 Menschen leben auf der Insel, großteils Bauern und Fischer, aber auch einige Städter, die sich das grüne Idyll als Wohnort auserkoren haben. Die Ackerflächen werden noch immer mithilfe von Wasserbüffeln bearbeitet, viele Häuser sind aus Lehmziegeln gebaut und kein Weg ist breiter als ein Fußpfad.

Unterwegs zu Mohamed Abla © L. Strizik/ A. Marowetz

Es gibt weder Autos noch Brücken. Stattdessen gibt es ein kleines Boot, das vom Fährmann mit einer Eisenkette händisch gezogen wird, mit dem er Bewohner und Gäste die kurze Strecke über den Fluss bringt. Im Jahr 2001 verkündete die Regierung, dass die Bewohner die Insel verlassen müssten, da sie für ein höchst wichtiges Entwicklungsprojekt gebraucht würde. Wut und Verzweiflung machten sich unter der Bevölkerung breit, die schon seit mehreren Generationen auf der Insel lebt und der Regierung auch Pacht bezahlt. Mohamed Abla und andere Intellektuelle (wie der bekannte Filmemacher Yussuf Chahine) setzten sich für die Sache der Inselbewohner ein. Diese wehrten sich: mit ihren Körpern, Stöcken und Steinen kämpften sie gegen die Polizei. 2007 kamen dann 200 Soldaten mit dem offiziellen Auftrag, die Bewohner zu vertreiben, auf die Insel. Gerüchten zufolge wollte ein Investor aus den Golfstaaten die Insel kaufen und darauf Luxushotels errichten. Wieder lehnten sich die Menschen auf und Mohamed Abla wurde einer der Anführer des Widerstands und half, die ganze Sache vor Gericht zu bringen.

Es klingt unglaubwürdig, doch im Jahr 2010 gaben die Richter den Bewohnern von Qursaya recht. Der offizielle Bescheid darüber war im Herbst 2012 aber noch immer ausständig. Das heißt, im Grunde ist alles wie zuvor und die Soldaten sind ebenfalls geblieben. Am 18. November, nur wenige Tage, nachdem wir die Insel besucht hatten, hörte ich, dass es erneut zu Zusammenstößen zwischen dem Militär und den Inselbewohnern gekommen war, bei denen eine Person getötet und mehrere verletzt wurden. Die Auseinandersetzung ausgelöst hatten Soldaten, die begannen, das Land der Bauern zu beschlagnahmen, die daraufhin eine Blockade errichteten. Der Armeesprecher ließ verlauten, dass der Armee dieses Land 2010 in einem notariellen Akt überschrieben wurde, im selben Jahr, als die Bewohner vor Gericht Recht bekamen. Wie es derzeit aussieht, wird auf Qursaya nicht so bald Frieden einkehren.

Dörfliches Leben inmitten des Molochs Kairo © L. Strizik/ A. Marowetz

Mohamed Abla erwartet uns mit zwei weiteren Personen, dem syrischen Künstler Rabie Akhrass und seiner Frau, die in Saudi-Arabien leben. Der Hausherr führt uns durch sein Refugium und erlaubt uns, in seinem Atelier zu stöbern. Auf einem Bild entdecke ich Anwar al-Sadat, neben ihm stehen ein kleiner Soldat mit einer großen israelischen Fahne und ein Amerikaner, der einen Araber belehrt. Auf einem anderen Bild tummeln sich schemenhaft Menschen und Tiere, am rechten Rand zeigt eine kleine Zeichnung Kinder, die entsetzt beobachten, wie zwei Männer den Nil stehlen. Zweifelsohne geht es Abla auch um politische Anliegen. Wir werden zu Tee und Obst eingeladen. Mohamed Abla erzählt von seiner Zeit in Wien und Salzburg, aber auch von der Zeit, die er protestierend auf dem Tahrir-Platz verbrachte. Ein Atelier, kurzfristig in der Nähe des Geschehens eingerichtet, erlaubte ihm, sofort auf die Vorfälle zu reagieren. Die Massen vom Tahrir-Platz marschierten sozusagen in seine Kunst, er war zum „Kunst-Aktivisten“ geworden.

Im Gespräch mit dem Kunst-Aktivisten Mohamed Abla © L. Strizik/ A. Marowetz

Im Dezember 2011 entstanden Bilder mit dem Titel „Wolves“, die der Künstler nach dem harten Durchgreifen von Militärs gegenüber friedlich Protestierenden gemalt hatte. Das Foto, das damals um die Welt ging, zeigte eine am Boden liegende junge Revolutionärin, die von Soldaten zusammengeschlagen und entblößt wurde. Bei Ablas Malereien, die er sehr schnell auf die Leinwand pinselte, sind die Soldaten zu Tieren geworden, zu Wölfen oder Werwölfen, um damit die Unmenschlichkeit dieser Aktion darzustellen. Keine Galerie in Kairo wollte diese Bilder ausstellen, viel zu heikel war dieses Thema. Im Februar 2013 veranstaltete Norwegen in Oslo ein Kulturfestival, zu dem Künstler und Musiker aus dem Nahen Osten und aus Palästina eingeladen wurden. Die Ausstellung „Images in Times of Rebellion“ war Teil des Festivals und zeigte jene Werke Mohamed Ablas, die 2011 entstanden waren.

Der Text ist ein Auszug aus „Das Wunder Kairo. Geschichten aus der Mutter aller Städte" von Leone Strizik. Erschienen bei BoD – Books on Demand, Norderstedt 2018