„Der Islam hat kein Gotteshaus, das der Sultan-Hassan-Moschee vergleichbar ist, weder in seiner erhabenen Größe noch in der Schönheit seiner Architektur“, schreibt der Ägypter Ahmed al-Maqrizi(1364-1442 n. Chr.). In Kairo entsteht zu Füßen der Zitadelle Mitte des 14. Jahrhunderts das größte und schönste Bauwerk der mamlukischen Architektur. Das ist keine Selbstverständlichkeit, blickt man auf den jungen mamlukischen Bauherrn, Sultan Hassan an-Nasir (1334-1361 n. Chr.) und vor allem auf eine verheerende Pestepidemie, die wenige Jahre vor Baubeginn in Kairo gewütet und enorme Oper gefordert hatte.

Ein großes Bauvorhaben in schwierigen Zeiten

Schon vorher hatte die islamische Welt ein fürchterlicher Schlag getroffen: Aus dem Osten waren die Mongolenheere immer tiefer in die muslimischen Länder eingedrungen, hatten 1258 n. Chr. Bagdad erobert und zerstört. Mit der Hinrichtung des herrschenden Kalifen al-Mustasim endete die Abbasiden-Dynastie in Bagdad. Zeitgleich etablierten in Kairo die Mamluken ein Sultanat. Sie waren ehemalige Sklaven, die nach Ägypten verschleppt und zu Soldaten ausgebildet worden waren. Mit der Machtübernahme der Mamluken, die bis 1517 n. Chr. unumschränkt in Ägypten herrschen sollten, begann eine Zeit, in der nicht mehr Familienbande über das Wohl und Wehe der Dynastien entschieden, sondern rigoros das Recht des Stärkeren.

Als besagte Mongolenheere, die mit ihrer brutalen Kriegsführung Angst und Schrecken verbreiteten, weiter nach Westen vordrangen, waren es letztendlich die ägyptischen Mamluken, die 1260 bei Nazareth in Palästina die als unbesiegbar geltenden Eroberer aufhielten.1291 vertrieb der Mamluken-Sultan al-Aschraf Khalil die letzten Kreuzritter aus dem Heiligen Land.

Nur wenigen Söhnen von Mamlukenherrschern ist es damals vergönnt, die Sultanswürde zu erlangen. Einer von ihnen ist Hassan an-Nasir, ein Sohn von an-Nasir Muhammad ibn Qalawun. 1354 beginnt er mit der Errichtung seiner Moschee.

Bei deren Bau orientiert er sich an der von Sultan Saladin (1137/1138-1193) eingeführten Bauform der Madrasa. Dies sind Moscheen, die in der Hauptsache für die Lehre bestimmt sind. Sie unterscheiden sich in ihrer Architektur von den „Gami’s“, in deren großen offenen Höfen sich die Masse der Gläubigen zum Freitagsgebet versammelt. Eine Madrasa hat dagegen nur einen kleinen quadratischen Raum in der Mitte. Statt der seitlichen Arkaden verfügt sie über vier Querschiffe. In jedem dieser Querschiffe ist eine der vier Rechtsschulen des sunnitischen Islam untergebracht – Schafe’i, Maliki, Hanafi und Hanbali. In jedem lehrt ein Lehrer seine Schüler.

Ahmed al-Maqrizi, ein bekannter ägyptischer Historiker, Theologe und Chronist, schildert um 1410 die Sultan-Hassan-Moschee als „ein Wunder der Baukunst“. Sie sei unter dem Namen „Hochschule des Sultans Hassan“ bekannt. Sie liege „auf dem Platz zwischen der Zitadelle und dem Teich el-Fil, an der Stelle, wo früher das Haus des Emirs Jalbagha el-Jahjawa stand. […] An ihrem Bau wurde während drei Jahren gearbeitet, und an keinem einzigen Tag wurde die Arbeit ausgesetzt. […] Der Sultan hatte beschlossen, vier Minarette zu erbauen, von wo der Ruf zum Gebet ertönen sollte.“ Nachdem drei davon vollendet waren, stürzte aber das Minarett über dem Portal ein. Dabei sollen ungefähr 300 Kinder, darunter viele Waisenkinder, die in der Schule neben dem dort angelegten Brunnen unterrichtet wurden, umgekommen sein. Darauf soll der Sultan es aufgegeben haben, das Minarett wiederaufzubauen […] „Als das erwähnte Minarett einstürzte, erschrak die Bevölkerung von Misr und Kairo, weil dies ein Vorzeichen von dem Erlöschen der herrschenden Dynastie war, und es geschah, dass der Sultan dreiunddreißig Tage nach dem Einsturz des Minaretts ermordet wurde.“ zitiert Ursula Beyer den Historiker in dem von ihr herausgegeben Werk „Kairo. Die Mutter aller Städte“.

Nicht zuletzt wird die Moschee nun auch für kriegerische Zwecke missbraucht: Bei einem Aufstand wandeln rebellierende Mamluken die Moschee im Jahr 1391 n. Chr. zu einer Festung um, von der aus sie die Zitadelle angreifen.

Von der Zitadelle aus bietet sich heute dieser Anblick auf die Sultan-Hassan-Moschee. Rechts daneben ist die viel jüngere Rifai-Moschee zu sehen. © Jürgen Sorge

Die Moschee in Legenden und Reiseberichten

Der Türke Evliya Çelebi (1611 - nach 1683) reiste viele Jahre seines Lebens durch die Welt. Um 1670 kam er für längere Zeit nach Ägypten. In seinen unter dem Titel „Kairo in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts“ erschienenen Aufzeichnungen schwärmt der Türke unter anderem voller Bewunderung für die Handwerker, die am Bau der Sultan-Hassan-Moschee mitwirkten: „Die zierliche Perlmuttarbeit in Ahorn in der Gebetsnische, nach Art der indischen Einlegearbeiten, ist mehr, als Menschenhände zustande bringen können. Auch die Kanzel muss man einfach gesehen haben, denn so etwas Herrliches findet man in keiner anderen Moschee: eine alte Arbeit in Naturmarmor, die wie ein Scherenschnitt von Fahri aussieht. Da hat der geniale Steinmetz Reihe um Reihe von Kannelüren, die zartesten Rosen der Malereien von Rum und den Jasmin der chinesischen Malereien so köstlich aus dem Marmor hervorgezaubert, dass alle Steinmetzen der Welt zusammen nicht imstande wären, auch nur einen einzigen solchen Meißelstoß zu führen.“

Weiter zitiert er eine Legende, die die Entstehung der Gebetsstätte eng mit dem Prophetenenkel Hussein und der Schlacht bei Kerbela verknüpft. Nach der Niederlage Husseins gegen den herrschenden Kalifen Yezid (reg. 680-683 n. Chr.) wurde der Nachkomme des Propheten hingerichtet. Als Zeichen des Sieges der sunnitischen Glaubensrichtung über die schiitische wurde sein Haupt nach Ägypten gesandt, wo man es zunächst dort liegen ließ, wo später die Moschee des Sultans Hassan entstand. Nach der Legende traten viele tausend Anhänger des Kalifen Yezid das „Erlauchte Haupt“ des Imam mit Füßen, worauf ihre Füße wie Schläuche anschwollen. Noch heute gebe es viele tausend Menschen mit schlauchartig angeschwollenen Füßen, die alle von diesen Übeltätern abstammen.

Ein Blick von der Zitadelle auf die Sultan-Hassan-Moschee. (Holzstich von 1882)

Anton von Prokesch (1795-1876), österreichischer General und Diplomat, ist bereits als junger Mann mehrfach auf diplomatischen Missionen in Ägypten und in weiteren Gegenden des Orients unterwegs. Auch er beschreibt die Sultan-Hassan-Moschee mit begeisterten Worten, weil sie „ob ihrer Größe, Pracht, Kühnheit und Vollendung nur mit den vorzüglichsten Bauten der gotischen Schule verglichen werden kann. Von dem Giebel und den Minaretts dieser Moschee, beschossen die Aufrührer mehrmals mit Kanonen das Schloss, wenn sie die Statthalter des Sultans nach ihren Wünschen zu beugen gesonnen waren. Ich habe diese Moschee, so wie manche andere, nie ohne Bewunderung und Erhebung betrachten können. Ihr Anblick sprach mich wie die Romanze vom Cid, wie ein Bild aus schönster Ritterzeit an. Ihre mächtigen Massen erfüllten die Seele mit Sicherheit, der hohe Schwung in ihrer Anlage und Zeichnung regt dichterische Wärme an, die vollendete Ausführung gibt wohltätige Klarheit.“

1849 bereist der Schriftsteller Bogumil Goltz (1801-1870), Sohn eines preußischen Verwaltungsbeamten, das Land am Nil und schildert in seinem Reisebericht „Ein Kleinstädter in Ägypten“ recht eigenwillig die Ruhe, die das Innere der Moschee inmitten des Trubels der Stadt bietet: „Es war im ersten Tagesgrauen, als ich mit Hilfe von reichlich gespendeten Trinkgeldern, in das Innere dieser dem Besuch von Franken nicht offen stehenden, schönsten und merkwürdigsten Moschee in einem von den Augenblicken eingelassen wurde, wo unter den wenigen Leuten auf der Gasse eben kein Späher und möglicher Angeber zu vermuten war. – Als ich mit meinem Führer, einem Herrn von Wrede, […] in den Vorraum getreten war, mussten wir uns die Fußbekleidung abziehen. Wir wandelten sonach im Heiligtume auf bloßen Strümpfen umher. Diesmal belohnte sich aber das Ceremoniel in Übereinstimmung mit der deutschen Redensart, die von einem Genesenden oder einem, der gute Geschäfte macht, zu sagen pflegt: ‚Er ist wiederum auf dem Strumpf.‘ Die Hassanmoschee ist aus den Werkstücken einer zerstörten Pyramide in Form eines griechischen Kreuzes erbaut. Ihre Mauern steigen zu einer riesigen Höhe hinan und werden von imposanten Zinnen bekrönt. Sie zeigt einen edeln Kuppelbau und ihre Gewölbebogen haben jene majestätische Hufeisenform, die zugleich Starrsinn und Überkraft auszudrücken pflegt."

Sultan Hassan Moschee © Christoph Scholz

„Der ungeheure, ringsumher mit einer Inschrift (in bas relief ausgehauenen Buchstaben von 2 Fuß Höhe), geschmückte Hofraum ist auf allen vier Seiten von großen Hallen umgeben. Die nach Osten liegende ist bedeutend größer als die anderen und enthält Kanzel wie Pult. Hinter ihr traten wir in eine öde weite Kapelle, in deren Mitte unter der gewaltigen Kuppel sich das Grabmal des Sultans befindet: ein einfacher, von eisernen Gitterwerk eingefriedigter steinerner Sarkophag, auf welchem ein Foliant des Korans aufgeschlagen liegt. Aber eben diese Einfachheit, die gänzliche Schmucklosigkeit und Leere, die Geisteröde der stillen geweihten Räume, zu deren hohen Fensterbrüstungen der Lärm des Welttreibens nicht hineinzudringen vermag, krampft das eitle Herz zusammen, spricht zum Geiste und wirkt das Gefühl des Erhabenen in den Tiefen des menschlichen Gemüts.“

Der Ägyptologe Georg Ebers, bekannt unter anderem durch den nach ihm benannten Papyrus Ebers, dem zirka 3500 Jahre alten, bisher größten wiederentdeckten medizinischen Nachschlagwerk aus dem Alten Ägypten, räumt in seinem 1886 erschienenen „Cicerone“ der Sultan-Hassan-Moschee viel Platz ein. Auch in seinen Augen wird die Gebetsstätte zu Recht für die schönste und edelste unter den Kuppeln tragenden Grabmoscheen angesehen. Er denkt aber auch an die widrigen Voraussetzungen, unter denen die Moschee einst entstand: „Von seinem [Sultan Hassan] ersten Regierungsjahre bis zu seinem Tode waren vierzehn Jahre vergangen, und dieser kurze Zeitraum blieb bemerkenswert durch ein entsetzliches Unglück, welches Kairo heimsuchte, und durch die Vollendung eines schönen Werkes, welches heute noch mit Recht die herrlichste von allen Zierden der Chalifenstadt genannt wird. Hassan selbst zog sich nach Sirjakus zurück, während die fruchtbarste von allen Pestplagen, welche Ägypten jemals heimsuchte, vom November 1348 bis zum Januar 1349 täglich viele Tausende von Menschenleben hinraffte. Über China, die Tartarei, Mesopotamien und Syrien scheint diese Seuche, der ‚schwarze Tod‘, welcher auch von Konstantinopel aus Italien, Spanien, Frankreich und Deutschland heimsuchte, an den Nil gekommen zu sein. Nicht nur die Menschen, sondern jedwedes Lebendige, sogar die Pflanzen wurden von dem Gift dieser furchtbaren Seuche getroffen. An den meisten Haustieren, ja selbst an den Hasen, zeigten sich Pestbeulen, die Leichen von unzähligen Fischen bedeckten die Oberfläche des Nils, und die Datteln an den Palmen waren von Würmern erfüllt und ungenießbar. In der kurzen Zeit zweier Monate sollen in Fostat und Kairo an 900.000 Menschen zu Grabe getragen worden sein.“ Auch Ebers ist kaum begreiflich, woher Sultan Hassan kurz nach dieser katastrophalen Epidemie die Mittel und Arbeitskräfte für den Bau einer der großartigsten arabischen Bauwerke nahm.

Der Brunnen in der Sultan-Hassan-Moschee (Holzstich von 1859) © unbekannt

Frida Schubart ist mehrmals in Ägypten zu Gast. Ihre Erinnerungen daran schreibt sie in dem Buch „Von Wüste, Nil und Sonne“ auf. Darin räumt sie der Sultan-Hassan-Moschee den Vorzug vor anderen Gebetsstätten in Kairo ein. Das Gebäude lernt sie während ihrer Ägypten-Reisen, die sie ab 1909 unternimmt, kennen: „Von den zahlreichen Moscheen in Kairo sahen wir natürlich nur einige; die liebste war uns die Sultan-Hassan-Moschee. Es ist ein wundervoller Bau, majestätisch in seiner Größe und Einfachheit. Hier, wie in vielen anderen Moscheen, hat der Erbauer seine Grabkammer mit der eigentlichen Moschee, dem Gebetsraum, verbunden. Eine mächtige Kuppel, die größte von Kairo, wölbt sich über dem Sarge des Sultans Hassan; mattes Licht fällt in den schmucklosen Raum, der durch seine Höhe und die harmonischen Verhältnisse einen tiefen Eindruck macht.“

Jürgen Sorge ist Autor und Herausgeber u.a. von: Die Moscheen von Kairo. Ein Lesebuch. Engelsdorfer Verlag 2011