Das Grand Egyptian Museum, kurz GEM, ist ein Museum der Superlative. Die Verantwortlichen sprechen gerne von der 4. Pyramide oder der Pyramide des 21. Jahrhunderts. Wegen des Corona-Virus wurde die Eröffnung kürzlich in das Jahr 2021 verschoben.

Hier findet die große ägyptische Vergangenheit ihr neues Zuhause!

Am Rande Kairos vor dem Hintergrund der weltberühmten Pyramiden von Gizeh strecken sich die riesigen Hallen des neuen Museums aus Stahl, Glas und Beton in den Wüstensand. Auf der 17 m hohen und fast einen Kilometer langen Hauptfassade aus Glas und Alabaster prägen unzählige große und kleine Pyramiden als Profilbilder und als Gestaltungselemente der Eingänge das Gesicht dieses modernen Bauwerks. Hieroglyphen-Kartouschen der großen Pharaonen sind - wie Türschilder - am Haupteingang angebracht. Hier findet die große ägyptische Vergangenheit ihr neues Zuhause!

Das Innere überwältigt durch ein spektakuläres Zusammenspiel von Licht, monumentaler Größe, kühner Architektur und atemberaubenden Kunstschätzen. Zu Füßen der gewaltigen antiken Weltwunder aus schlichten, in den Himmel strebenden Steinquadern wurde auf 100 000 Quadratmetern Wüste ein Meisterwerk moderner Museumsarchitektur gebaut, wie es kein vergleichbares seiner Art auf der Welt geben soll.

Das Große Ägyptische Museum

Rund 50 000 Artefakte ägyptischer Kunst und Kultur von der Urgeschichte bis zur griechisch-römischen Epoche werden auf einer Ausstellungsfläche von knapp 50 000 Quadratmetern ausgestellt. 20 000 Stücke davon werden zum ersten Mal in der Öffentlichkeit gezeigt. Weitere 50 000 antike Objekte sollen in zugänglichen Magazinen lagern. Zu dem modernen Museumskomplex gehören auch ein Kindermuseum, ein Konservierungszentrum für die Aufarbeitung und Pflege der wertvollen Stücke, acht Restaurants, 28 Geschäfte, ein Boutiquehotel und ein Konferenzsaal mit 1200 Plätzen. Ein neuer Weg soll den Besuchern einen direkten und bequemen Durchgang zu den zwei Kilometern entfernt liegenden Pyramiden ermöglichen. Auch eine eigene Metrostation ist in der Planung vorgesehen.

Die Reise durch das Museum soll jeden Besucher berühren

Während das 1902 eröffnete alte Ägyptische Museum am Tahrir-Platz angesichts der räumlichen Beschränkungen und der Fülle der Exponate durch seinen Charme eines Dachbodens faszinierte, wird im GEM ein modernes Museumskonzept umgesetzt, das wertvolle Exponate angemessen präsentieren möchte, aber auch stark auf Erlebnis, Inspiration und Emotion angelegt ist. Die Reise durch das neue Museum soll jeden Besucher berühren.

Die Reise beginnt auf der Piazza vor dem Haupteingang mit einem der größten altägyptischen Obelisken. Das Besondere daran ist, dass eine Kartusche von Ramses II. unter dem Obelisken verborgen ist. Erstmalig seit 3500 Jahren wird die Kartusche nun sichtbar gemacht, indem das gewaltige mehrere 100 Tonnen schwere Ausstellungsstück aufgehängt wird.

Im lichtdurchfluteten Atrium begrüßt die Kolossalstatue von Ramses II. die Besucher. Weil sie in das fertige Gebäude nicht mehr hineingekommen wäre, wurde das mächtige Exponat bereits im Januar 2018 vor der Fertigstellung des Gebäudes feierlich in das Museum überführt. Nun steht er da - 80 Tonnen roter Granit, 14 Meter hoch, 3200 Jahre alt - und wartet auf die Besucher.

Die "große Treppe" im GEM © Ministry of Tourism and Antiques

Hinter ihm reihen sich auf einer majestätischen Treppe um die 74 kolossale Statuen und Objekte der wichtigsten Pharaonen. Die „große Treppe“ ist ebenfalls eine der Hauptattraktionen des GEM. Sie führt hinauf zu einem 27 Meter hohen Panoramafenster mit atemberaubendem Blick auf die zum Greifen nahen Gizeh-Pyramiden.

Von dort geht es nach rechts zu den Galerien von Tutanchamun oder nach links in die chronologischen Galerien, in der 45.000 Artefakte des Alten Ägyptens von der prähistorischen bis zur griechisch-römischen Zeit ausgestellt sind.

Der goldene König ist der Star des Museums

Star des Museums ist der Pharao Tutanchamun, der mit dem GEM einen neuen Palast oder Tempel erhalten wird, so schwärmen die Medien.

Die goldene Maske des Tutanchamun bei der Restauration © Ministry of Tourism and Antiques

Hier wird die weltberühmte goldene Totenmaske zusammen mit sämtlichen Grabbeigaben präsentiert. 1922 hatte Howard Carter das noch gänzlich unberührte Grab eines eher unbedeutenden Pharaos entdeckt. Über 5000 Objekte aus diesem Grab waren seitdem vor allem im Museum am Tahrirplatz untergebracht. 1800 Stücke waren ausgestellt und über fast ein Jahrhundert der Publikumsmagnet für Millionen Besucher, über zwei Drittel verschwanden jedoch aus Platzmangel in den Lagern des Museums. Bereits seit 2018 sind wertvolle Ausstellungstücke, wie der goldene Streitwagen, der Thronsessel  und das Bett des Pharaos aus dem Ägyptischen Museum in die neuen Restaurationswerkstätten gebracht und für ihren neuen Auftritt restauriert worden. Auch die übrigen, bislang im Museum von Luxor ausgestellten Stücke haben den Weg ins GEM gefunden. Aus seinem Grab im Tal der Könige, dessen aufwändige Renovierung nach 10 Jahren erst kürzlich abgeschlossen wurde, hat man den inneren Sarkophag ins neue Museum überführt. Ob die im Grab verbliebene  Mumie des jugendlichen Pharaos besser im GEM oder im Grab in Luxor aufgehoben ist, wird noch diskutiert. Höchstes Ziel ist, dass in Gizeh die vollständige Sammlung Tutanchamuns mit noch nie zuvor gesehenen Artefakten gezeigt wird.

Es sind nicht nur die Kunstwerke aus Gold und Edelsteinen, die bereits in aller Welt auf Ausstellungen unterwegs waren, sondern auch die Gegenstände des täglichen Lebens, die bereits im alten Museum bestaunt werden konnten und alle Besucher besonders berührten. Speisen und Getränke, Werkzeuge und Kleidungsstücke sollen den Besuchern die persönliche Seite des Pharaos nahebringen: ein Schild mit einem Gepardenfell, genauso wie goldene Sandalen und königliche Unterwäsche bis hin zu Getreidekörnern. Hautnah erschließt sich den Besuchern das Leben dieses jungen Königs, sogar die Föten seiner beiden totgeborenen Kinder sollen laut Blog.Selket ausgestellt werden.

«Das GEM wird ein neues Wahrzeichen für Ägypten. Zum ersten Mal werden Tutanchamun und die Pyramiden sich treffen», erklärte der ehemalige Generaldirektor Tarek Tawfik die Vision.

Ein weiteres berührendes Erlebnis bieten die Grabbeigaben der Königin Hetepheres, der Mutter von Pharao Cheops, dem die größte der drei Gizeh-Pyramiden gewidmet ist. Das Grab der Königsmutter wurde 1925 ganz in der Nähe des neuen Museums entdeckt, die Artefakte kehren jetzt aus dem ägyptischen Museum am Tahrirplatz gewissermaßen zurück an den Ort des ursprünglichen Grabes.

„Sie werden direkt vor den großen Glasfassaden ausgestellt werden, die direkt über den Entdeckungsplatz schauen. Das ist ein Erlebnis, auf das ich mich schon freue. Das ist eine derartig innige Beziehung – so sollte ein Museum sein“, schwärmt Tarek Tawfik.

In einem eigenen Kindermuseum können Kinder - sehr modern, sehr interaktiv, aber auch mit praktischen Aktivitäten und Workshops - das Alte Ägypten erleben. „Da erklären wir, welche Stellung Pharaonen hatten, wie das alltägliche Leben war, wie die Spiele gespielt haben, wie die Könige angezogen waren,“, erklärt die Innenarchitektin Shirin Brückner. Das Stuttgarter Architektenbüro Brückner ist für die Entwicklung und Umsetzung des Museumskonzepts verantwortlich. „Sobald emotionale Geschichten erzählt werden, ist es wie bei einem guten Buch, einem guten Film: Ist die Geschichte gut, macht’s Spaß – und so ist es im Museum letztendlich auch.“

Die beiden Sonnenbarken des Königs Cheops aus dem Jahr 2667 v. Christus werden in einem getrennten Glasgebäude ausgestellt. Die Besucher können hier virtuell die Reise des Pharaos in die Ewigkeit nachempfinden.

Bereits in Betrieb seit 2010 sind die 17 Restaurationslabors in unmittelbarer Nähe des Museums. Hier werden die Artefakte auf ihren neuen Auftritt vorbereitet. Das „GEM CC“ verfügt über spezialisierte Labors für die Analytik sowie über riesige Lagerräume zur Aufbewahrung und Konservierung der Artefakte des Museums. Aber auch die Generalüberholung soll möglichst schonend vonstatten gehen. So wird zum Beispiel eine ganz neue Erfindung benutzt, ein Leim auf Wasserbasis. Es handle sich um die größten Labors der Welt, sagt Tarek Tawfik, gearbeitet werde auf allerneustem Stand der Restaurationstechnik. Und sollte die Zukunft dereinst noch bessere Techniken mit sich bringen, so sei man auch dafür bereit: "Alles, was wir hier tun, ist zu 100 Prozent reversibel."

Eröffnung mit Hindernissen

Die Fertigstellung und Eröffnung des neuen ägyptischen Wahrzeichens wurde immer wieder verschoben. Bereits 2004 wurde der Grundstein gelegt, nachdem das irische Architekturbüro Heneghan Peng gegen 1576 Konkurrenten aus 83 Ländern den Zuschlag erhalten hatte. Ursache für die Verzögerungen waren sowohl Finanzierungsprobleme als auch politische Unruhen zu Beginn dieses Jahrzehnts. Kurz vor dem Ziel - die Eröffnung sollte  im 4. Quartal 2020 endlich stattfinden- machte Corona einen dicken Strich durch die Planung. Die Kosten für dieses monumentale Vorhaben hatten sich in der Zwischenzeit nahezu verdoppelt und belaufen sich inzwischen auf über eine Milliarde Dollar, so Tarek Tawfik. Der wichtigste Geldgeber ist Japan, das mit 75 Prozent an der Finanzierung beteiligt ist. Das Land unterstützt auch die Restaurationsmaßnahmen mit Geld, Technologie und Personal. Kalkuliert wird mit drei bis fünf Millionen Besucherinnen und Besuchern pro Jahr. Dann sollte das Haus sich gemäß Tarek Tawfik auch finanziell lohnen und die Kredite abzahlen können. Ein ehrgeiziges Ziel, vor allem in Krisenzeiten, wenn die größte Krise weltweit die erhofften Touristenströme zum Erliegen bringt.

Minister El-Enany inspiziert die Baustelle © Ministry of Tourism and Antiques

Dennoch geht es mit viel Elan und Zuversicht weiter. Die auf 2021 verschobene Eröffnung soll ein internationales Ereignis werden, das an die Eröffnungszeremonien des Suez-Kanals im Jahre 1869 gemahnt: Erlauchte Staatsoberhäupter und zahlreiche hochrangige Gäste aus dem In- und Ausland werden geladen, eine Oper mit Tutanchamun als Hauptfigur kommt zur Uraufführung, deren Handlung von der ägyptischen  Archäologie-Ikone Zahi Hawass höchstpersönlich erdacht wurde. Der Discovery Channel hatte bereits mit dem Drehen von Werbefilmen begonnen. Ausschreibungen für Betreiberfirmen und Veranstaltungsorganisation sind im Gange.

Atef Moftah, ein hochrangigen Militäroffizier und derzeitig leitender Aufseher des Bauprojekts und Generaldirektor, treibt die Fertigstellung ehrgeizig voran. Die Anzahl der Mitarbeiter sei als präventive Maßnahme gegen die Verbreitung des Virus reduziert. Wegen der Aussetzung des Flugverkehrs hätten rund 1000 ausländische Mitarbeiter das Land verlassen, von den ursprünglich 75 Firmen seien zur Zeit nur noch 37 tätig. Dennoch-1700 Arbeiter und 300 Ingenieure arbeiten weiter. Zumindest die bauliche Fertigstellung scheint wohl gewährleistet.

Desinfektion der Baustelle © Ministry of Tourism and Antiques

Der Antiken- und Tourismusminister El-Enany überzeugt sich laut Egypt today in der Corona-Krise persönlich von den Fortschritten, damit das „Geschenk von Ägypten an die Menschheit“ fertig wird und spätestens 2021 eröffnet werden kann.