Syrien, Syrer und die Suche nach einem besseren Leben
Am Dienstag, dem 4. April 2017, gab es in Chan Scheichun in Syrien einen Gift- bzw. einen Chemiewaffenangriff, bei dem mehr als 100 Menschen starben und 400 verletzt wurden. Darunter waren 30 Kinder und Frauen, die sofort vom Gift betroffen waren, und noch weitere, die später gestorben sind. Außerdem wurden ganze Familien durch diese Chemiewaffen vergiftet. Danach wurde auch noch das Krankenhaus Al-Rahma zerstört. Manche Menschen vermuteten, es handle sich bei dem Gift um ein Gemisch von Serin und Chlor. Die Krankenhäuser konnten leider nicht alle Patienten behandeln.Die Lage in Syrien verschlechtert sich von Tag zu Tag.
Viele Syrer haben das Land schon verlassen und sind auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen. Hier in der Schule (DEO, Anm. der Red.) bieten Syrer bei der Sonnenuhr sehr leckeres Essen an. Wir dachten, dass wir sie vielleicht interviewen könnten, um sie zu fragen, was sie von der ganzen Situation halten. Bekommen sie genügend Hilfe und Unterstützung von Ägypten und den Ägyptern? Geben wir ihnen das, was sie brauchen? Die Antworten stehen hier im Interview. Aber zuerst muss ich den Syrern danken, dass sie bereit waren, mit uns zu sprechen, da ich ganz genau weiß, wie schwer das Ganze ist.
Syrerin verkauft Backwaren © Renate Gomaa
Wie sah euer Leben in Syrien aus?
Das Leben war toll. Wir hatten sehr gute Lebensbedingungen. Aber dann fing der Krieg an und die Situation wurde sehr schlimm.
Wann und warum habt ihr euch dafür entschieden, euer Land zu verlassen und nach Ägypten zu kommen?
Im Jahre 2013 sind wir nach Ägypten gekommen. Wir wollten das Land nie verlassen, aber unsere Wohnung wurde zerstört und wir hatten kein Haus mehr. Wo sollten wir hingehen? Wir konnten natürlich nicht auf der Straße leben. Es war eine sehr schwierige Entscheidung, denn mein Vater war krank und ich hatte zwei kleine Kinder. Wir kamen nach Ägypten, weil das Leben hier nicht so teuer ist und weil die Menschen hier sehr freundlich sind - und dazu noch ist es ein arabisches Land. Ägypten und Syrien sind eine Einheit.
Was habt ihr von Ägypten und den Ägyptern erwartet?
Wir hatten Hoffnung. Wir wollten einfach leben.
Und wie werdet ihr von den Ägyptern gesehen?
Manchmal bekommen wir Unterstützung, aber nicht von allen. Viele Menschen sind sehr nett und hilfsbereit, aber an jedem Ort gibt es gute und schlechte Menschen.
Hattet ihr euch Ägypten genauso vorgestellt?
Ehrlich gesagt dachten wir, das Leben würde besser aussehen. Wir hatten einen Schock, als wir hierher kamen, denn wir wussten nicht, dass das Leben hier so schwierig sein wird.
Was gefällt euch nicht an Ägypten?
Die Leute irgendwie. Es gibt jetzt so viele schlechte, meist junge Menschen, die die ganze Zeit ganz schlimme Schimpfwörter sagen, andere nicht respektieren usw. Ihre Eltern können sie nicht kontrollieren. In Syrien sieht man so etwas gar nicht.
Bekommt ihr genügend Unterstützung von Ägypten?
Früher war alles besser. Die Regierung hat uns geholfen und alles war einfacher. Wir haben jetzt keine Chance mehr und alle Türen sind zu.
Habt ihr hier sofort eine Arbeit gefunden oder musstet ihr lange warten?
In den ersten beiden Monaten hat keiner von uns gearbeitet und wir haben Geld geliehen. Aber danach mussten wir natürlich arbeiten. Diese Arbeit hier suchte ich mir dann später aus, weil sie einfach ist und nicht viel Zeit beansprucht.
Wie erklärt ihr euren Kindern die Situation? Und besuchen sie hier die Schule?
Was sollen wir ihnen sagen? Die Situation ist einfach so schlimm und das müssen sie verstehen. Hier gehen sie zu einer öffentlichen Schule. Es ist echt schlimm. Die ägyptischen Kinder in ihrer Schule respektieren ihre Lehrer gar nicht und benehmen sich nicht in der Schule. Sie haben unsere Kinder beeinflusst, denn in Syrien sind die Menschen eigentlich nicht so. Es sind nicht mehr meine Kinder, die ich kannte. Jetzt sind sie wie Ägypter und ich kann sie leider nicht mehr erziehen.
Besucht ihr eure Bekannten hier und in Syrien?
Hier besuchen wir uns manchmal, aber wir kennen uns alle nicht so gut, denn wir kommen aus verschiedenen Orten. Zwischen meinen Bekannten in Syrien und mir gibt es ab und zu Besuche.
Glaubt ihr, die Lage in Syrien wird sich verbessern?
Das hoffen wir. In Syrien ist alles zerstört und Menschen sterben jeden Tag. Ich hoffe, dass dies alles bald ein Ende hat. Aber es sieht nicht so aus, als ob sich was ändern kann.
Wovon träumt ihr?
Ich habe schon aufgehört zu träumen. Wovon soll ich träumen? Die Situation ist sehr schlimm. Ich weiß nicht, was auf meine Kinder wartet; ich weiß nicht, wie ihre Zukunft aussehen wird. Je mehr ich darüber nachdenke, desto schlimmer erscheint mir das Ganze.
Wann könnt ihr wieder nach Syrien zurückfliegen?
Es sieht nicht so aus, dass wir bald nach Syrien fliegen könnten. Die Lage dort wird immer schlechter. Ich glaube nicht, dass wir diesen Schritt bald unternehmen können, obwohl ich meine Freunde und Syrien sehr vermisse.
Das Interview führte Nouran El Maraghi, Schülerin der 12. Klasse an der DEO für die Schülerzeitung.