Ob besonderer Geburtstag oder Jubiläum – 140 und 120 Jahre sind auf jeden Fall ein Grund zum Feiern. 2024 ist das Jahr eines Doppeljubiläums an den beiden Schwesterschulen der Borromäerinnen in Kairo und Alexandria: Vor 140 Jahren wurde die Deutsche Schule der Borromäerinnen in Alexandria und 20 Jahre später die Deutsche Schule der Borromäerinnen in Kairo gegründet.

DSB Alexandria - Blick auf den Innenhof in den achtziger Jahren©DSB Alexandria

DSB Kairo - Der Schulturm von 1911 hat auch das Erdbeben im Oktober 1992 überstanden und ist bis heute das Wahrzeichen der Schule©DSB Kairo

Ein Anlass zu feiern für die altehrwürdigen Schulen, die sich trotz aller Krisen und Herausforderungen über fast eineinhalb Jahrhunderte gehalten und zu den besten Schulen des Landes entwickelt haben. Die DSB Alexandria bot ihren Gästen im Konzertsaal der Bibliotheca Alexandrina  einen großartigen Konzertabend mit einer Absolventin der Schule, der Mezzo-Sopranistin Farah El Dibany, begleitet vom Schulchor und dem Jugendchor der Bibliotheca Alexandrina.

Die Absolventin der DSB und Opernsängerin Alexandria Farah el Dibany begeisterte die Gäste in der Bibliotheca Alexandrina©DSB Alexandria

Den Dankgottesdienst feierten die Schwestern mit vielen anderen Gästen in der Kathedrale der Heiligen Katharina.

Mit einem Dankgottesdienst feierte die DSB Alexandria ihren besonderen Geburtstag©DSB Alexandria

Die DSB Kairo richtete zur Feier ihres Geburtstages einen festlichen Gala-Abend im Residenzgarten der Deutschen Botschaft aus mit vielen Gästen, die sich der Schule verbunden fühlen.  Star des vielfältigen Kulturprogramms war die ehemalige Schülerin und Sopranistin Rita El Achkar.

Zahlreiche Gäste feierten in der Residenz der Deutschen Botschaft den 120. Geburtstag der DSB Kairo©Michael DSB Kairo

Der Keim der stolzen Schulgeschichte für die Borromäerinnen in Ägypten geht auf das Jahr 1882 zurück, als der Orabi-Aufstand gegen die europäische Kontrolle des hochverschuldeten Landes Ägypten erschütterte. Nachdem die Engländer das Land besetzt hatten, kehrten viele Europäer nach Kairo und Alexandria zurück. Auf den Straßen der zerstörten Hafenstadt trieben sich verwahrloste Kinder der eingewanderten Arbeiter aus Deutschland, Österreich, Italien oder Griechenland herum. Der Franziskanerpater Ladislaus Schneider nahm sich ihrer kurzerhand an und unterrichtete sie zunächst behelfsmäßig zusammen mit einer westfälischen Lehrerin und zwei Bayern. Gleichzeitig bemühte er sich um die Gründung einer Schule und richtete ein Hilfegesuch an die Kongregation der Borromäerinnen in seiner Heimat Schlesien, die über reiche Erfahrungen im Schulwesen verfügten. Im Juli 1884 entsandte der Orden drei Schwestern unter der Leitung von Schwester M. Katharina Schneider, der leiblichen Schwester des Paters Ladislaus, nach Alexandria. Die ausgebildeten Lehrerinnen richteten innerhalb weniger Tage nach ihrer Ankunft in der Mittelmeermetropole angemietete Räume für den Unterricht ein. Anfang September begann der Unterricht für 40 Kinder vom Kindergartenalter bis 12 Jahren. Zehn Jahre später besuchten bereits 160 Jungen und Mädchen verschiedener Nationalitäten und Religionen die Schule und lernten selbstverständlich miteinander nach einem Lehrplan nach deutschen Standards, den die versierten Lehrerinnen erarbeitet hatten.  Neben der Schule kümmerten sich die Schwestern auch um alte gebrechliche Menschen.

Die Schwestern aus der Gründerzeit©DSB Alexandria

1886 platzte das angemietete Gebäude aus allen Nähten, man brauchte dringend eine neue Bleibe für die Schule, die Schwestern und die Pfleglinge aus dem Altenheim. Dank der großzügigen Unterstützung des Kaufmanns Wilhelm Pelizäus konnten zwei Grundstücke für ein Altenheim und die Schule erworben werden, und im Dezember 1897 wurde das neue Schulgebäude an der Rue Salah-el-Dine eingeweiht, wo sich vorher ein Gasthaus mit Namen „Au Reveil du Lion“ (Zum Erwachen des Löwen) befunden hatte. Die Schule befindet sich bis heute an diesem Standort, die Wahrzeichen des Gasthauses, zwei marmorne Löwen, waren viele Jahre Reittier und beliebtes Fotomotiv für Schülerinnen und zieren bis heute den Schulhof.

Die hervorragende Arbeit der Ordensschwestern führte dazu, auch in Kairo eine ähnliche Bildungseinrichtung zu gründen.

Mutter Katharina schickte 1904 einige Schwestern nach Kairo. Sie übernahmen zunächst ein kunstgewerbliches Institut, das von einer deutschen Lehrerin, Wilhelmine Etorff, gegründet worden war. Ein halbes Jahr später erfolgte der Umzug nach Bab-el-Louk, einer attraktiven Gegend in der neugegründeten Downtown. Viele Europäer ließen sich hier nieder, gründeten neue Geschäfte, später kamen viele, auch wohlhabende Flüchtlinge aus Vorderasien dazu. Insbesondere Christen und Juden, die aus den türkischen Gebieten Kleinasiens vertrieben wurden und sich in Alexandria und Kairo ansiedelten. Bab-el-Louk galt bald als die Hochburg der ägyptischen Intellektuellen und Freiheitsbewegung, was sich bis heute an den Straßennamen erkennen lässt. 1911 erfolgt die Einweihung eines Neubaus auf eigenem Grund an der heutigen Stelle in der Sh. Mohamed Mahmoud, 1913 wird ein Grundstück in Maadi erworben, wo sich bis zum heutigen Tag noch Kindergarten und Vorschule befinden.

Schon bald erschütterte der 1. Weltkrieg auch das Leben in Ägypten, 1915 mussten alle Schwestern das Land verlassen, die Schulen wurden geschlossen, nur die Provinzialoberin Mutter Katharina Schneider durfte wegen ihres hohen Alters in Maadi bleiben. Dort baute sie eine neue Schule auf, die fast 20 Jahre bestand.

1923 durften die Schulen wiedereröffnen. Die Borromäerinnen galten als Träger für „das Wiedererwachen deutscher Kulturbestrebungen“, so heißt es in einem Bericht der deutschen Gesandtschaft an das Auswärtige Amt in Berlin. Die Schule in Alexandria startete mit 150 Kindern, in Kairo waren es 60 Schüler neben der Schule in Maadi.

Unterricht im Jahre 1926 an der DSB Alexandria©DSB Alexandria

Als 1924 in Alexandria der Ansturm der Schülerinnen nicht mehr durch die Schwestern bewältigt werden konnte, entsandte das Auswärtige Amt vor 100 Jahren erstmals deutsche Lehrkräfte und bezahlte deren Reisekosten.  In Bab-el-Louk machte die steigende Schülerzahl eine Erweiterung des Gebäudes nötig. 1929 wurde an der Ecke der Sh. Mohamed Mahmoud/ Sh. Fahmi ein Grundstück gekauft und ein Erweiterungsbau errichtet, dessen charakteristischer Turm auch die Erdbebenschäden von 1992 überstanden hat. Das „Lyzeum der Borrromäerinnen“ war nach deutschen Richtlinien konzipiert, Arabisch wurde als Unterrichtsfach eingeführt.  1937 unterrichteten bereits mehr weltliche deutsche Lehrkräfte an der Schule und erstmalig wurde die Deutsche Schlussprüfung (Mittlere Reife) unter Vorsitz des Ministerialrates Dr. Löffler abgehalten.

Auch während des zweiten Weltkrieges dürfen die Schulen weiterarbeiten, die Schlussprüfungen wurden unter Aufsicht des schwedischen Gesandten abgehalten.

In den fünfziger Jahren begann auch für die Schulen der Borromäerinnen eine neue Ära, sie erhielten neben Lehrkräften auch finanzielle Unterstützung durch die Bundesrepublik und 1958 fanden erstmals wieder die Schlussprüfungen unter Aufsicht eines deutschen Ministerialbeamten statt. Die Unterbrechung der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Ägypten hatten keine schwerwiegenden Auswirkungen, in Kairo wurde 1967 ein neues Schulgebäude mit naturwissenschaftlichen Räumen, Turnhalle, Lehrschwimmbecken und einer neuen Kapelle gebaut. 1968 wurde die ägyptische Reifeprüfung (Taugeheya bzw. Thanaweya) für die Mädchen der DSB erstmals auf Deutsch durchgeführt mit beeindruckenden Ergebnissen.

1980 erfolgte die Anerkennung als „Deutsche Auslandsschule, die zur Schlussprüfung führt“ und 1993/94 wurde die deutsche Reifeprüfung eingeführt und der Status als „Anerkannte deutsche Auslandsschule“ erlangt. Im Jubiläumsjahr 2004 erfolgte die Einführung eines FOS-Thanaweya-Doppelabschlusses. Heute bieten die DSB in Kairo und Alexandria das Deutsche Internationale Abitur an. Die DSB Alexandria wird im Kindergarten bis 12. Klasse von 750 Schülerinnen, die DSB Kairo von 700 Mädchen besucht, fast ausschließlich ägyptischen und überwiegend muslimischen Kindern.

Die Schulen profilierten sich als Mädchenschulen mit dem unveränderten Markenzeichen der Vermittlung deutscher Sprache und Kultur auf der Basis des christlichen Erziehungsideals, während gleichzeitig aus Deutschland entsandte weltliche Schulleiter und Lehrkräfte eine Weiterentwicklung gemäß den Erfordernissen der heutigen Zeit ermöglichten. Digitalisierung, Online- Unterricht und zeitgemäße Ausstattungen und Unterrichtsmethoden gehören heute ebenso zum Profil der Schulen wie die traditionellen Grundsätze der Schwestern vom heiligen Karl Borromäus. In Alexandria wird an einem neuen Schulgebäude mit viel Raum für neue pädagogische Konzepte gebaut.  

Weit mehr als ein Jahrhundert waren die Borromäerinnen aus Schlesien sehr erfolgreich für das Bildungswesen von jungen Frauen in Ägypten tätig. Das Leitbild der Schulen beschreibt „die Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen zur Erlangung einer höheren menschlichen Würde, im Dienste der Völkerverständigung und Friedensförderung“ sowie die weibliche Identitätsförderung als zentrales Anliegen. In der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum der DSB Kairo im Jahre 1992 findet man ihr Geheimnis und ihre Besonderheit: Es sind „Schulen mit besonderem Ethos, tief verwurzelt in der Liebe und Begeisterung des christlichen Ordens, der sie trägt. Dieser Geist trägt die Schule, die Bereitschaft zur Begegnung, zur uneingeschränkten Akzeptanz, liebevoller Toleranz, dieser Geist führt vom Schulleiter bis zum einfachen Diener zur Identifikation mit der Schule“.

1981 trat Schwester Claudia als erste ägyptische Schwester der Borromäerinnen als Leiterin des Kindergartens in Alexandria in den Dienst der Schule. Seitdem sind viele ägyptische Schwestern im Dienst des Konvents, in den Schulen und im Altenheim tätig. Sie sorgen für den Weiterbestand der Borromäerinnen in Ägypten und prägen die Arbeit des Ordens und das Miteinander an den Schulen in besonderem Maße.

Wir gratulieren beiden Schulen und wünschen ihnen eine erfolgreiche Zukunft im Dienste eines friedvollen und menschenwürdigen Miteinanders.