Wasserknappheit, Bevölkerungswachstum und Klimawandel – diese Themen standen im Fokus der 4. Cairo Water Week (CWW), zu der vom 24.10.-28.10. 2021 nationale und internationale Fachleute sowie Politikerinnen und Politiker in Kairo zusammenkamen, um sich mit einer der größten Herausforderungen Ägyptens zu beschäftigen - der dramatischen Wasserknappheit.
Ägypten zählt zu den wasserärmsten Ländern der Welt
Das Wüstenland Ägypten galt bereits im Alten Ägypten als „Geschenk des Nils“, was zum Ausdruck bringt, dass der Fluss als Lebensader die Voraussetzung dieser frühen Hochkultur war. Im Jahre 2021 sieht sich das Land mit einer dramatischen Wasserverknappung konfrontiert, die absehbar zu weiteren drastischen Verschlechterungen der elementaren Lebensbedingungen und der sozio-ökonomischen Entwicklungsperspektiven führen kann und damit zu einer Verschärfung interner und externer Konflikte.
Auch heute würde Ägypten ohne das Wasser des Nils verdursten. Menschen, Landwirtschaft und Wirtschaft hängen fast ausschließlich vom Nilwasser ab. Fast das gesamte Frischwasserangebot stammt aus dem Nil. Dies führt dazu, dass 90 % der gut 100 Millionen Ägypterinnen und Ägypter auf den schmalen Nilufern und im Nil-Delta leben, die nur 5 % der Landesfläche ausmachen. Die übrige Landesfläche besteht, abgesehen von einigen mit Grundwasser versorgten Oasen aus Wüste. Die gewaltigen Landgewinnungsprojekte sind zum großen Teil von nicht erneuerbaren unterirdischen Wasserreserven abhängig.
Bevölkerungswachstum, Klimawandel, steigende Ansprüche der Nachbarländer, aber auch eine ineffiziente Nutzung und Verschmutzung machen das kostbare Gut immer knapper. So sank die Verfügbarkeit von Frischwasser pro Person bereits ab dem Jahr 1990 unter die von der UN definierte Wassermangelgrenze von 1.000 Kubikmetern pro Person und Jahr und liegt momentan bei rd. 570 Kubikmetern. Im Vergleich stehen in Deutschland über 1.800 Kubikmeter pro Person und Jahr zur Verfügung. Laut Egypt Today steht in Ägypten dem Gesamtbedarf von etwa 114 Mrd. Kubikmetern Wasser jährlich ein Angebot von nur gut 58,9 Mrd. gegenüber.
Bereits jetzt zählt das Land zu den wasserärmsten der Welt und hat gleichzeitig mit seinem signifikanten Bevölkerungswachstum zu kämpfen. Die Bevölkerung von aktuell 102 Millionen wächst derzeit um rund 2 Millionen Menschen jährlich und wird Ende der 2020er Jahre voraussichtlich die 120 Millionengrenze überschreiten. Die Folgen des Klimawandels wie Temperaturanstieg sowie längere und intensivere Hitze- und Trockenperioden spitzen die Situation noch zu.
Während die Verfügbarkeit von erneuerbarem Frischwasser schon seit Jahrzehnten sinkt, trägt das oftmals schlechte Wassermanagement, gerade in der Bewässerungslandwirtschaft, zur Verschärfung der Situation bei. Der größte Wasserverbraucher ist mit ca. 77% die Landwirtschaft. Wegen fehlender Niederschläge müssen alle Felder bewässert werden, wobei schlechtes Wassermanagement zu einer Nutzungseffizienz von lediglich 50% und damit zu einer enormen Wasservergeudung führt.
Schlechte Wasserqualität durch Verschmutzung
Neben knappen Wasserressourcen ist die Qualität des Wassers im Nil und in den Kanälen der landwirtschaftlichen Be- und Entwässerungssysteme schlecht. Eine ausreichende Wasserqualität kann in vielen Regionen nicht gewährleistet werden, da unzureichend gereinigte kommunale und industrielle Abwässer sowie die Überdüngung und Versalzung landwirtschaftlich genutzter Flächen zur Verschmutzung des Nils und des Grundwassers in Ägypten führen. So sind gemäß Ministerium für Wohnungswesen, Versorgungsunternehmen und städtische Gemeinden derzeit weniger als 40% der ländlichen Gemeinden an ein Abwassersystem angeschlossen. Hinzu kommen Abfälle aus Haushalten, Industrie und Landwirtschaft, die ebenfalls oft im Wasser landen.
Ägyptens Landwirtschaft ist nur durch Bewässerung möglich © KfW
Risiken der Wasserknappheit
Um diesen Problemen entschieden entgegenzutreten, mangelt es den zuständigen Institutionen an ausreichenden Kapazitäten und der notwendigen finanziellen Ausstattung. Diese sind jedoch unabdingbar, um Wasserverteilungskonflikte zu verhindern, die zwischen Landwirtschaft, Industrie, Tourismus, aber auch privaten Haushalten entstehen können. Die angespannte Wassersituation ist dabei kein nationales Problem. Dammprojekte wie der äthiopische Grand Ethiopian Renaissance Dam (GERD) im Oberlauf des Nils bergen ein hohes Risiko von zwischenstaatlichen Wasserkonflikten in der Region, zumal ein ebenfalls starkes Bevölkerungswachstum in Äthiopien und Sudan die Situation verschärft.
In seiner Eröffnungsrede zur 4. CWW stellte Präsident Abdel Fattah el Sisi Ägypten als frühes Beispiel für andere Länder dar, wenn in nicht allzu ferner Zukunft der Wassermangel zu einem internationalen Sicherheitsrisiko werden könne. Wasserknappheit sei eine der drängendsten internationalen Herausforderungen.
Ägypten nimmt die Wasserknappheit sehr ernst
Nach Aussagen des Ministers für Bewässerung und Wasserressourcen Dr. Mohamed Abdel-Ati hat Ägypten einen Nationalen Wasserressourcenplan ausgearbeitet. Die Lösungsstrategien bis 2037 umfassen vier Grundpfeiler. Einer davon ist die Wasserqualität zu verbessern und duale und tertiäre Kläranlagen zu bauen. Außerdem sollen durch Meerwasserentsalzung neue Wasserressourcen erschlossen werden. Drittens wird eine Rationalisierung des Wasserverbrauchs angestrebt und die Effizienz des Bewässerungssystems erhöht, indem Ägypten Kanäle verlegt und auf moderne Bewässerungstechniken umstellt. Auch die Bevölkerung soll sensibilisiert werden, weniger Wasser zu verbrauchen und Flüsse und Kanäle sauber zu halten. Zusätzlich werden Lebensmittel importiert, deren Produktion in Ägypten besonders wasserintensiv ist.
„Ägypten nimmt die Wasserherausforderungen sehr ernst“, wird Christian Berger, Leiter der Delegation der Europäischen Union (EU) in Ägypten auf der 4.CWW in Al Ahram online zitiert. Er unterstreicht, dass eine Bandbreite von Projekten bereits umgesetzt sei und versicherte auch weiterhin die Unterstützung der EU bei einer engen Zusammenarbeit aller Partner.
Deutschland unterstützt die Modernisierung des Wassersektors
Ägypten erfährt bei seinen Bestrebungen eine breite Unterstützung durch internationale Organisationen, insbesondere auch durch Deutschland und die EU.
Im Auftrag des Bundesministeriums für Zusammenarbeit (BMZ) unterstützt die KfW Entwicklungsbank bereits seit den 1960er Jahren die Modernisierung des ägyptischen Wassersektors. Seit mehr als 30 Jahren leistet die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) technische Unterstützung im Nildelta Wassermanagement Programm (NDWM). In den beiden wichtigen Sektoren der Siedlungswasserwirtschaft und der Bewässerungslandwirtschaft im Nildelta werden dabei Voraussetzungen zur effizienteren Nutzung der begrenzten Wasserressourcen geschaffen.
Auf Basis eines integrierten Wasserressourcenmanagements, das soziale, wirtschaftliche und ökologische Interessen berücksichtigt, tragen KfW und GIZ dazu bei, die Wasserressourcen ausgewogen zu bewirtschaften und ihre Nachhaltigkeit zu sichern. Dazu gehören der Ausbau und die Modernisierung der Trinkwasserversorgung, der Ausbau der Abwasserentsorgung und -reinigung sowie Maßnahmen zur Effizienzsteigerung bei der Wasserverteilung und der landwirtschaftlichen Bewässerung.
Modernes Abwasserwerk © KfW
In Zusammenarbeit mit der französischen Agence Française de Développement, der Europäischen Investitionsbank, des Schweizerischen Staatsekretariat für Wirtschaft und der EU wird ein Programm zur Verbesserung der Wasserver- und Abwasserentsorgung in den im Nildelta gelegenen Gouvernoraten Sharkia, Gharbia, Damietta und Beheira durchgeführt. Insgesamt über 70 Wasserwerke und Kläranlagen werden neu gebaut, erweitert oder modernisiert, die dazu gehörenden Verteilungs- und Entsorgungsnetze ausgebaut.
Eine neue Phase dieses Programms konzentriert sich stärker auf den Bau von modernen Abwasserentsorgungsanlagen in den bisher nur unzureichend an das Abwassersystem angeschlossenen Gouvernoraten Minya, Assiut, Sohag und Qena in Oberägypten. Dieses Programm wird knapp 50 Einzelvorhaben umfassen.
Insgesamt werden dadurch etwa 10,8 Millionen Menschen von einem verbesserten Zugang zu sauberem Trinkwasser profitieren, wobei 3,2 Millionen Menschen erstmals einen Trinkwasseranschluss erhalten. Etwa 3,9 Millionen Menschen werden direkt durch die Modernisierung oder den Neubau von Abwassersystemen begünstigt.
Neben den umfangreichen Investitionsmaßnahmen werden die Angestellten der staatlichen Wassergesellschaften in den Projektregionen fortgebildet. Damit soll ein sicherer und nachhaltiger Betrieb der finanzierten Anlagen sichergestellt werden.
Der Anteil der deutschen finanziellen Zusammenarbeit am Gesamtvolumen dieser Maßnahmen in Höhe von ca. 565 Millionen Euro beträgt ca. 129 Millionen Euro, hauptsächlich in Form von Entwicklungsdarlehen.
Entsalzung gilt als vielversprechend
In der Entsalzung von Meerwasser sieht die ägyptische Regierung eine vielversprechende Alternative zur Deckung des Trinkwasserbedarfs, vor allem in den Küstengouvernoraten am Mittelmeer und am Roten Meer. Dieses bisher vergleichsweise teure Verfahren der Wassergewinnung gewinnt angesichts der technologischen Fortschritte, die die Kosten deutlich reduzieren, an Attraktivität und hat das Potenzial die Wasserknappheit zumindest zu verringern. Dr. Sayed Ismail, stellvertretender Minister im Ministerium für Wohnungswesen, Versorgungsunternehmen und städtische Gemeinden sieht hierin „die vielversprechendste Alternative zur Deckung des Trinkwasserbedarfs der ägyptischen Küstengouvernements am Mittelmeer und am Roten Meer“. In ihrem ambitionierten Plan zum Ausbau von Meerwasserentsalzungsanlagen habe die Regierung als Ziel gesetzt, in den nächsten 30 Jahren Anlagen mit einer Gesamtkapazität von 6,4 Millionen Kubikmeter Wasser pro Tag zu errichten, um den steigenden Wasserbedarf, besonders in den Küstenregionen und die Mindestversorgung von ca. 2 Millionen Menschen zu decken.
Ackerbau verbraucht fast 80 Prozent
Aufgrund der extrem geringen Niederschläge ist Bewässerung eine Grundvoraussetzung für den Ackerbau in Ägypten. Etwa 77 % der Wasserressourcen des Landes werden dabei für die Bewässerungslandwirtschaft genutzt. Durch den Anfang der 1970er Jahre in Betrieb genommenen Assuan-Hochdamm verfügt Ägypten über einen Überjahresspeicher und kann Schwankungen des Wasserzuflusses aus dem Niloberlauf innerhalb eines Jahres und zwischen wasserreichen und wasserarmen Jahren ausgleichen. Dies ermöglicht eine geregelte ganzjährige Bewässerung und zwei Ernten pro Jahr. Zu diesem Zweck hat Ägypten ein umfangreiches Bewässerungssystem geschaffen, das aus dem Hochdamm, sieben Nilstauwehren und mehreren hundert Pumpstationen und einem weitläufigen Be- und Entwässerungssystem besteht.
Um die Nutzungseffizienz von lediglich 50% zu erhöhen, werden die Bewässerungssysteme ab den Hauptkanälen, die vom Nil abzweigen, bis hinauf die Feldebene und das damit zusammenhängende Drainagesystem erneuert. Soweit es sinnvoll ist, sollen die traditionellen Bewässerungsmethoden des Flutens durch moderne Tröpfchenbewässerung oder Sprinkleranlagen ersetzt werden, die wesentlich weniger Wasser verbrauchen.
Die Nutzung des Wassers in den Bewässerungskanälen muss effizienter werden © KfW
Die KFW finanziert im Auftrag der Deutschen Bundesregierung die Modernisierung der Bewässerungsinfrastruktur. Dazu gehören der Bau, die Erweiterung und Modernisierung von Stauwehren sowie von Be- und Entwässerungskanälen einschließlich Pumpstationen. „Wir wollen dazu beitragen, dass das Wassermanagement in Ägypten qualitativ besser, nachhaltiger und effizienter wird“, unterstreicht Enrico Spiller – Portfoliomanager der KfW.
Ein Großteil der Bewässerungssysteme, insbesondere der Nasser-See und der Assuan-Staudamm und ein komplexes System aus Stauwehren und Hauptkanälen liegt in öffentlicher Hand. Zuständig für Bau, Betrieb und Wartung ist das Ministerium für Wasserressourcen und Bewässerung. Die Stauwehre oder Barragen sind in der Regel sehr alt und müssen dringend erneuert oder rehabilitiert werden.
Ein prominentes Beispiel ist das neue Assiut-Stauwehr, das 2017 mit deutscher Unterstützung fertiggestellt wurde. Es ersetzt das 1902 errichtete Stauwerk, das über 110 Jahre lang Wasser aus dem Nil in den 350 km langen Ibrahimiyya-Hauptbewässerungskanal leitete. Dieser Kanal erstreckt sich fast bis nach Kairo und versorgt eine landwirtschaftliche Nutzfläche von rund 690.000 ha. Durch den Ibrahimiyya-Kanal fließt doppelt so viel Wasser wie beispielsweise durch den Main und er bewässert eine landwirtschaftliche Fläche, die dreimal so groß wie das Saarland ist.
Ägyptische Mitarbeiter werden in der Nutzung der modernen Anlagen ausgebildet © KfW
Kleinbäuerliche Landwirtschaft profitiert
Durch die Bereitstellung zinsgünstiger Entwicklungsdarlehen über insgesamt 286 Millionen Euro finanzierte die KfW, im Auftrag der Deutschen Bundesregierung, zwei Drittel der Baukosten und organisierte und überwachte den Bau des neuen Stauwehrs, das zusätzlich ein integriertes Wasserkraftwerk zur Stromerzeugung umfasst. Der Neubau kommt vor allem den Kleinbauern der Region zugute. So wird die Bewässerung für 1,1 Millionen landwirtschaftliche Betriebe und damit die Lebensgrundlage für ca. 5 Millionen überwiegend armer Menschen gesichert, die von der kleinbäuerlichen Landwirtschaft leben. Sie bauen Weizen, Mais, Gemüse und Baumwolle an und sind Viehzüchter. Überwiegend versorgen sie damit sich und ihre Familien und produzieren für den lokalen Markt. Das Assiut-Projekt sichert ihr Einkommen, kann es aber auch noch steigern. Das ist wichtig, denn die Region ist von hohem Bevölkerungswachstum und Landflucht gekennzeichnet. Zusätzlich werden 210 000 Haushalte mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgt.
„Deutschland, als langjähriger und verlässlicher Partner ist auch weiterhin bereit, in Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern Ägypten sowohl im Bereich Wasserver/Abwasserentsorgung, als auch in der Bewässerung weiter zu unterstützen, um die Ziele des National Water Resource Plans zu erreichen und für die gesamte ägyptische Bevölkerung eine adäquate und nachhaltige Wasserversorgung sicher zu stellen“, so Enrico Spiller.