Nach einer Umfrage von IMAGES MENA Egypt „muss noch ein langer und kurvenreicher Weg zurückgelegt werden, bevor die Mehrheit der Männer – und ebenso vieler Frauen – die Gleichbehandlung der Geschlechter in allen Lebensbereichen voll akzeptiert.“
Die International Men and Gender Equality Survey (IMAGES), ausgeführt von PROMUNDO, einer privaten UN-unterstützten Organisation präsentiert damit ein Ergebnis, das nicht sonderlich überraschend, aber in seinen Details durchaus interessant ist. Die Studien wurden zwischen April 2016 und März 2017 in der MENA-Region - Ägypten, Marokko, Libanon und Palästina - durchgeführt, 10 000 Männer und Frauen zwischen 18 und 59 Jahren dazu befragt.

Der Schatten eines Mannes ist besser als der Schatten einer Mauer

So lautet ein altes Sprichwort in Ägypten. Nach IMAGES hat in den vier untersuchten Ländern der Schatten der Männer zwar durchaus Schattierungen bekommen und die Auseinandersetzung mit männlichen Privilegien und weiblicher Ungleichheit hat an Fahrt aufgenommen. Aber die traditionellen Rollenmuster sind nach wie vor in den Vorstellungen der Menschen klar ausgeprägt.

Freizeit im Azhar-Park © Bernd Sandmann

Die große Mehrheit der Männer spricht sich für die traditionellen Rollenmuster aus und befürwortet Ungleichheit und Gewaltausübung Frauen gegenüber. Die „heimische Fürsorge“ stellt für 60 bis nahezu 80 Prozent der männlichen Befragten die eigentliche Aufgabe der Frauen dar. Schockierend ist jedoch, dass die Mehrheit der interviewten Frauen in den vier Ländern – ungefähr 50 Prozent - diese Sicht der Männer teilt.

Überwiegend Mütter sind zuständig für Freizeitaktivitäten der Kinder © Roshanak Zageneh

Zwar beeinflussen sozialer Stand und Bildung sowie eine städtische Umgebung die Vorstellungen bei Männern und Frauen in positiver Richtung. Allerdings, und das ist erstaunlich, unterscheiden sich die Aussagen von jüngeren und älteren kaum. „Evtl. führen die schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse für jüngere Männer, die Schwierigkeiten einen Job und gesellschaftliche Anerkennung als Mann zu finden zu einem Rückschritt in Sachen Gleichberechtigung“, so die Studie. Auch könne das zunehmend konservativere religiöse Klima ein Grund sein.

Die Frauen tragen die Taschen, die Männer die Verantwortung

In Ägypten vertritt die große Mehrheit der Männer sehr patriarchalische Vorstellungen bezüglich der Rollenverteilung, aber auch unter den Frauen sind sie durchaus verbreitet. Grundsätzlich vertritt man die Meinung, dass alle Aufgaben im Haushalt wie Kochen und Putzen Frauensache seien, während die Entscheidungsgewalt bei den Männern liege. Fast 87 Prozent der ägyptischen Männer und 77 Prozent der Frauen halten die Haushaltsführung für Frauensache während ca.90 Prozent der Männer und 58,5 Prozent der Frauen den Männern das letzte Wort und damit die Entscheidungsgewalt über Familie und Haushalt zusprechen. Interessanter Weise meinen sowohl Männer als auch Frauen mehr Kontrolle und Einfluss bei familiären Entscheidungen zu haben als das andere Geschlecht ihnen zugestehe.

Straßenszene in Altkairo © Bernd Sandmann

Für Gleichbehandlung in Bildung und Bezahlung sprachen sich immerhin zwei Drittel der Befragten ägyptischen Männer aus und erklärten ihre Bereitschaft mit weiblichen Kolleginnen zusammenzuarbeiten. Bei den Frauen wünschten sich drei Viertel gleiche Behandlung bei der Arbeit, gleichzeitig räumten fast 90 Prozent der Frauen der  Beschäftigung von Männern Priorität ein, wenn „Arbeitsplätze knapp sind“.

Auch im Hinblick auf häusliche Gewalt kommt die Studie zu eindeutigen Ergebnissen: Mehr als 50 Prozent der befragten Männer glauben, dass Frauen „manchmal Schläge verdienen“. Eine Vorstellung, die allerdings auch über 30 Prozent der Frauen teilen. Und immerhin 90 Prozent der Männer und über 70 Prozent der Frauen vertreten die Meinung, dass eine Frau Gewalt tolerieren sollte, damit die Familie weiterbesteht.

Erschütternd erscheint, dass die Beschneidung von Mädchen (FGM) trotz landesweiter Kampagnen noch immer von 70 Prozent der ägyptischen Männer und über der Hälfte der Frauen befürwortet wird.

Die Verpflichtung der Männer, ihre weiblichen Verwandten zu beschützen, besteht für fast 78 Prozent der Männer und fast 80 Prozent der Frauen. Dazu gehört auch die Kontrolle über ihre Bekleidung und ihr Auftreten in der Öffentlichkeit. Nur ein Viertel der ägyptischen Männer billigen Frauen freien Zugang zum Internet zu, und nur 42 Prozent der Frauen erwarten diesen freien Zugang. Freundschaften mit dem anderen Geschlecht werden nur Männern zugestanden. 76,9 Prozent der männlichen Befragten und 69 Prozent der weiblichen würden dies tolerieren. Völlig inakzeptabel hingegen finden 93 Prozent der Männer und 85 Prozent der Frauen, wenn Frauen männliche Freunde hätten.

Frauen in Führungspositionen sind selten: Polizeioffizierin im Dienst © wikimedia

„Männer erkennen die Führungsfähigkeit der Frauen an, sprechen sich ganz allgemein aber gegen eine prominente Rolle im politischen Leben aus“, so sagt die Studie. Zwei Drittel der befragten ägyptischen Männer äußern sich gegen mehr Frauen in hohen politischen Positionen und sehen die Politik besser in den Händen der Männer aufgehoben. Frauen als Staatsoberhaupt können sich nur ca. 13 Prozent der Männer vorstellen, während es bei den Frauen immerhin fast 38 Prozent sind. Die Mehrheit der Männer bezweifelt jedoch, dass Frauen in der Lage seien, ihre Aufgaben als Politikerin und Hausfrau miteinander zu vereinbaren, und halten Frauen grundsätzlich für zu emotional für Führungsaufgaben.

Die tägliche Betreuung der Kinder wie Windelwechseln, Baden, Füttern gehört für 98 Prozent der Männer und 85 Prozent der Frauen in die Verantwortung der Frauen. Allerdings würden Männer sich gerne mehr engagieren und ca. 60 Prozent bedauern wegen ihrer Arbeit nicht genügend Zeit für ihre Kinder zu haben.

„Die ungleiche Verteilung der Hausarbeit bedeutet für Frauen eine größere Belastung, verhindert ihre Beschäftigung mit sozialen und politischen Angelegenheiten“, so die Studie.

Auf dem Weg aus dem Schatten der Männer: Internationaler Frauentag in Ägypten © wikimedia

Zusammenfassend konstatiert IMAGES eine gewisse Offenheit gegenüber dem Thema Frauenförderung bei einer größeren Minderheit der Männer. Sowohl Männer als auch Frauen zeigen eine Mischung traditioneller Vorstellung und frauenfördernder Anliegen. Der Schatten des Mannes wird allmählich kürzer!