Bei aller Bescheidenheit, lieber Sherif, nur „zur rechten Zeit am rechten Ort“ gewesen zu sein, ist wenig aussagekräftig für einen jungen Ägypter, der nach einem glänzenden Abitur an der Deutsche Evangelische Oberschule in Kairo (DEO) 2014 Ägypten verließ, um womöglich erst einmal Deutschland zu erobern.
„Wir werden noch von ihm hören, an ihm kommt niemand vorbei!“... da waren sich alle einig an der DEO. Nicht nur Lehrer und Schüler, nein auch die Damen und Herren der Verwaltung, des Wach- und Reinigungspersonals, der technische Leiter, die Elternvertreter, der Schulvorstand... einfach alle.
Die Rede ist von Sherif Rizkalah, einem jungen Mann, der schon während seiner Schulzeit nicht zu bremsen war. Jetzt ist er mit 23 Jahren Moderator im ZDF. Sein Bachelor-Studium der Politik- und Rechtswissenschaften hat er im vergangenen Jahr beendet und das Masterstudium in Angriff genommen. Anders kann man das gar nicht nennen. Sherif nimmt und nahm grundsätzlich recht viel„in Angriff“,
Kürzlich sprechen wir via Video-Chat wieder mit ihm. Verändert hat er sich nicht. Bei aller Zielstrebigkeit, mit der Sherif seinen Weg verfolgt, zeigt er sich immer noch höchst aufmerksam, humorvoll und charmant.
Sein Charme, so heißt es ohnehin, sei „legendär“ und seine respektvollen und ausgesprochen höflichen Umgangsformen fallen auf. Ebenfalls seine Fähigkeit, „Aktives Zuhören“ tatsächlich zu praktizieren. Dieses „Aktive Zuhören“ beherrschen heutzutage nur noch wenige Redakteure und Journalisten, auch älteren Semesters. Dazu gibt es sogar ausführliche Studien.
Sherif hingegen hört sehr genau zu und erkennt, was sein Gesprächspartner ausdrücken möchte, ohne dass er selbst als Interviewer oder Moderator dem Gegenüber die eigene Meinung quasi in den Mund legt oder dessen Antwort gar nicht mehr hinterfragt. Dies ist in der von ihm konzipierten Talksendung „Der Sheriff“, ausgestrahlt im Herbst 2018, zu beobachten. Über 7/24 moderierte er eine Livetalkshow von insgesamt 160 Stunden. Ein Weltrekord! Die Idee dazu kam ihm auf seiner geliebten Couch sitzend. Und einmal mehr nahm er ein Projekt „in Angriff“: Nämlich, einen großen Teil der Mitarbeiter eines deutschen Fernsehsenders, des WDR, dafür zu begeistern. Mit Erfolg.
Möglicherweise war er 2013 tatsächlich zu rechten Zeit am rechten Ort, weil die Deutschlehrer der DEO allen Schülern empfahlen, das erforderliche Betriebspraktikum der 10. Klassen unbedingt im Ausland zu absolvieren. Auch wenn man ihn dort kaum vermutet hätte, absolvierte Sherif dieses Praktikum in Deutschland beim ZDF Fernsehgarten. Er spricht begeistert über die Arbeit und Souveränität der Moderatorin Andrea Kiewel und des gesamten Teams. Dort traf er im übrigen das erste Mal auf das logo-Team, das ihn damals über das aktuelle Politgeschehen während der Zeit der zweiten Revolution gegen Mursi zur aktuellen Lage in Ägypten interviewte. Nach weiteren zwei Wochen im Bundestag und späteren Praktika beim WDR und ZDF heute-journal blieb er fasziniert irgendwie beim Fernsehen hängen.
Nach einem Casting moderiert er seit März 2019 als freier Mitarbeiter die Kindernachrichtensendung „logo“. Viele Pläne gibt es nun für ihn. So soll er im Frühsommer als Reporter für „30 Jahre logo“ durch das gesamte Bundesgebiet reisen. Für ihn eine völlig neue Aufgabe. Denn bisher arbeitete Sherif in direktem Kontakt mit seinen Gesprächspartnern. Nun moderiert er künftig, zumindest für die Übertragung, ausschließlich mit einem Kamera-Roboter und ist mit diesem alleine. Das erscheint ihm zwar als sehr gewöhnungsbedürftig, ist aber auch eine neue Herausforderung, die er in Angriff nimmt. Er ist einem Zeitrahmen von zehn Minuten unterworfen und muss einfach, verständlich und für Kinder ansprechend moderieren können ohne zu banalisieren oder die gängigen Worthülsen zu verwenden.
Nicht leicht für einen jungen Menschen, der es gewohnt ist, sich gewählt und rhetorisch geschult auszudrücken. „Ich frage mich andauernd, was ich wie machen möchte, wie ist der Hintergrund. Das bereitet mir schon Kopfzerbrechen. Welche Kenntnisse haben diese jungen Menschen? Welches Wort kann ich benutzen? Z.B. das Wort „heftig“. Ist das nur Umgangssprache, zu wertend, zu übertrieben? Das dauert manchmal Stunden. Macht aber auch Spaß.“
Die Frage nach der ersten Zeit in Deutschland beantwortet er mit einem Schulterzucken. Es war ihm langweilig. An der Schule in Kairo permanent beschäftigt, hatte er schwer daran zu knabbern, dass er quasi nur eine Matrikelnummer war. Auf seiner geliebten Couch – er sagt nie Sofa – auf der er seine Ideen entwickelt, wurde ihm schnell klar: „Nur rumsitzen und nichts tun, das ist nichts für mich. Das war schon an der DEO so und ist hier nicht anders. Ich kann das einfach nicht, dieses Nichtstun.“
So nahm er im zweiten Semester eine Stelle als Studentische Hilfskraft an und im Semester darauf ergab es sich, dass er eins Seminar „Arabischer Frühling in Ägypten“ und juristische Arbeitsgemeinschaften unterrichten durfte. Im Schnitt sogar jünger als die fast 200 Studierenden, die sein Seminar und die AGs besuchten, wurde er von ihnen nach dem Semester scherzhaft der „Kleine Diktator“ genannt. Tja, Handys auf dem Tisch und unsachgemäße Gespräche waren ihm ein Greuel und er wollte „einfach etwas Sinnvolles machen“. Dieselben Studenten schlugen ihn für den DAAD-Preis vor, den er dann auch erhielt. Mit einigen ist er heute noch gut befreundet.
Er arbeitet gerne. Er arbeitet so gerne, dass es Spaß macht, sagt er, lacht dabei und winkt mit seiner „Zettelwirtschaft“ – einer losen Blattsammlung, die Grundlage für die Umsetzung seiner auf der Couch entstandenen Ideen ist. Sogar die Gliederung seiner Bachelor-Arbeit habe sich so ergeben. Immer liegt irgendwo seine To-do-Liste. Er nennt es – wie jeder, der ähnlich arbeitet – „kreatives Chaos“.
Er sei dankbar: für seine Familie. Dankbar seiner Mutter gegenüber, die ihm die Freude am Arbeiten vermittelte, seiner Großmutter, die ihn lehrte , dem Leben, egal was es bereit hält, mit einem Lächeln und viel Fröhlichkeit zu begegnen und die auch seine beste Freundin war. Dankbar auch für die Jahre an der DEO und so manche Menschen an dieser Schule, die ihm die unterschiedlichsten Sichtweisen und deren Reflexion aufzeigten, was ihn sehr prägte. Schließlich dankbar für die vielen Chancen, die sich ihm boten, für die er empfänglich war und sie aufsog wie ein Schwamm.