Der 29. April weckt eine doppelte Erinnerung an den zeitgenössischen Dichter Konstantinos Petrou Kavafis, da dies sowohl sein Geburtstag im Jahre 1863 ist, als auch sein Todestag 1933. Kavafis zählt zu den wichtigsten Lyrikern neugriechischer Literatur und gilt als der größte zeitgenössische griechisch-alexandrinische Dichter, der in Ägypten und über den Mittelmeerraum hinaus internationale Berühmtheit erlangte. In seinen Gedichten kommt die Begegnung zweier Welten zum Ausdruck: der klassischen griechischen Welt und des alten Nahen Ostens. Für H.C. Buch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ist er „der letzte klassische und erste moderne Dichter Griechenlands“.
In seiner Wohnung, in der er die letzten 25 Jahre seines Lebens verbrachte, wurde im Zentrum von Alexandria ein Museum zu seinen Ehren eingerichtet. Hier in diesem Haus lebte Konstantinos Petrou Kavafis und schrieb seine Gedichte, deren Ästhetik immer noch stark und lebhaft ist, die von einer Generation zur nächsten ihre Spuren hinterlassen.
Der Eingang zum Kavafishaus©Mina Abdel Malek
Hier ist das Zuhause und der Lebensraum, den er umarmte, um sich in ein Museum zu verwandeln, das die Erinnerung an diesen Dichter verewigt. Hier können wir in die Tiefen der Welten und Gefühle dieses Schöpfers eintauchen und mit ihm alle seine Bücher kennenlernen, die in 35 internationale Sprachen übersetzt wurden.
Zimmer im Kavafis-Museum©Cavafy Museum
Kavafis’ Leben
Konstantin Kavafis wurde am 29. April 1863 in Alexandria geboren. Seine Eltern waren aus Istanbul, wo sie zum Patriziat der Griechen gehörten, inskosmopolitische Alexandria eingewandert. Sein Vater Petros, Sohn eines Diamantenhändlers, machte hier im Handel mit ägyptischer Baumwolle ein Vermögen. Es heißt, dass er der erste war, der die Baumwollentkörnungsindustrie in Ägypten einführte. Er hatte zwei Industriebetriebe in der Stadt Kafr El-Zayat, die derzeit dem Gouvernement Al Gharbia angegliedert ist, etwa 100 Kilometer von Alexandria entfernt. Er hatte auch Geschäfte in der Region Mina Al-Basal in Alexandria, ein Büro für landwirtschaftliche Kulturpflanzen im aristokratischen Viertel Zizinia im Zentrum von Alexandria und ein weiteres Büro im Geschäftsviertel Muski in Kairo. Seine Mutter Chariklia stammte aus der Patrizierfamile der Futiades.
Einige Forscher glauben, dass die Familie des Dichters armenischen Ursprungs ist, aber er selbst hat nie darauf Bezug genommen, war vielmehr stets stolz darauf, ein Grieche aus Byzanz zu sein. „Ich bin kein Grieche. Ich bin griechisch“, soll er sein Selbstverständnis erklärt haben. Es ist erwähnenswert, dass das Wort Kavafis ein türkischer Name ist, der „Schuhmacher“ bedeutet.
Der Vater war ein Freund des Khediven Ismail (1863 - 1879) Gouverneur von Ägypten, der ihm anlässlich der Eröffnung des Suezkanals im Jahr 1869 eine Medaille verlieh. Schon sein Vorgänger, Khedive Muhammad Said Pascha war mit dieser griechischen Familie befreundet. Die finanzielle Lage von Petro Kavafis hatte sich in den letzten Jahren vor seinem Tod jedoch sehr verschlechtert und er verlor einen großen Teil seines Vermögens.
Konstantin war der neunte Sohn seines Vaters. Als seine einzige Schwester namens Helene in jungen Jahren starb, soll seine Mutter den Verlust ihrer geliebten Tochter damit kompensiert haben, indem sie Kavafis wie ein Mädchen behandelte, ihm Mädchenkleidung anzog und seine Haare entsprechend frisierte. Gleichzeitig soll sie ihm nicht die nötige Nähe geschenkt haben, was einige Biografen als Ursache für seinen schüchternen, introvertierten und weniger unabhängigen Charakter interpretieren. Seine künstlerischen Neigungen könnten mit seinen beiden Brüdern, die das Malen als Hobby praktizierten, und dem jüngeren Bruder mit einer Vorliebe für Musik erklärt werden.
Als Kavafis sieben Jahre alt war, starb sein Vater und zwei Jahre später siedelte die Mutter mit ihren Kindern nach England um, wo der älteste Bruder die Filiale des väterlichen Geschäfts übernommen hatte. Sie lebten dort, bis Konstantin 16 Jahre alt war. In England erwarb er Kenntnisse in englischer Literatur, insbesondere von Shakespeare, Brown und Oscar, ebenso auch gute Kenntnisse der englischen Sprache und der englischen Sitten. Es wurde gesagt, dass er Griechisch mit britischem Akzent sprach. Sein ganzes Leben lang trug er auch Kleidung im englischen Stil.
1879 kehrte Kavafis mit seiner Familie nach Alexandria zurück und besuchte die griechische Höhere Handelsschule. Hier traf er auf eine Person, die ihn stark beeinflusste, nämlich den Schulleiter Konstantin Papazzian, der in Geschichte und Philosophie an deutschen Universitäten promoviert hatte. Er war streng und wurde nicht müde, die griechischen Leistungen in der Geschichte zu loben. Wegen der politischen Unruhen in Alexandria im Zuge der Nationalbewegung gegen die englische Kolonialmacht, floh die Mutter 1882 mit ihren Kindern nach Konstantinopel in die Heimat ihres Vaters Fotiades. Die Familie blieb drei Jahre dort, während denen Konstantin seine Studien zur byzantinischen Geschichte und Kultur fortsetzte. Er lernte Dante auf Italienisch zu lesen und interessierte sich besonders für demotisches Griechisch.
Konstantin Kavafis©Wikipedia
1889 kehrte Kavafis nach Alexandria zurück, wo er zunächst Hilfstätigkeit im ägyptischen Bewässerungsministerium übernahm. Später arbeitete Kavafis als Makler bei der ägyptischen Baumwollbörse in Alexandria, die zu dieser Zeit ein globales Zentrum für den Baumwollhandel war. 1892 wechselte er als Angestellter in die Bewässerungsabteilung des Ministeriums für öffentliche Arbeiten. In dieser Position blieb er dreißig Jahre lang mit einem mageren Gehalt. Nach seinem Rückzug aus dem Berufsleben 1922 verbrachte Kavafis seine Zeit mit Lesen und Schreiben in seinem Haus.
Kavafis machte keinen Universitätsabschluss, sondern bildete sich durch eigene Lektüren. Zusätzlich zu seinem Griechisch sprach er Englisch, Französisch und Italienisch fließend. Er sprach auch Arabisch, obwohl er kein Arabisch lesen und schreiben konnte. Kavafis interessierte sich auch für das Studium der griechischen Geschichte, der Klassiker und allgemein der europäischen Literatur. Der englische Kritker E. M. Forster spielte auf das Genie von Kavafis an und schrieb am 1919 über ihn: "Kavafis ist extrem mächtig und sehr großartig, und er ist einer der Prominenten in der intellektuellen und kulturellen Bewegung.“
Kavafis verehrte Alexandria, die Stadt, die sein Bezugspunkt zu seiner griechischen Vergangenheit mit ihrer Literatur und ihren Mythen war. In Alexandria erhielt er den ersten Impuls für sein Interesse an der griechischen Klassik und Geschichte. Dieses zweitausendjährige poetische Erbe erneuerte er, indem er in seinen Gedichten seine inneren Gefühle in klassische Formen goss.
In seinem berühmten Gedicht „Die Stadt“ aus dem Jahre 1894 sagt er über Alexandria:
"Die Stadt wird dir folgen.
In denselben Straßen wirst du herumgehen.
In denselben Nachbarschaften wirst du altern,
und in eben diesen Häusern wird dein Haar weiß werden.
Immer wirst du in dieser Stadt ankommen".
1933 starb Kavafis an seinem 70. Geburtstag an Kehlkopfkrebs. Er konnte nicht mehr sprechen, aber der Kehlkopf der poetischen Wahrheit, der sein Feuer entzündete, brannte weiter und verblasste nicht. Die Poesie sang weiter und inspirierte die Menschheit, und sie demonstrierte weiterhin die Bedeutung des Schönen für die menschliche Existenz: die Süße der menschlichen Seele.
Totenmaske von Konstantin Kavafis im Museum©Roland Unger
Kavafis wurde auf dem Familiengrab auf dem griechischen Friedhof in Alexandria beigesetzt.
Kavafis und der Geist der Poesie
Im Alter von 19 Jahren begann Kavafis mit dem Schreiben von Gedichten und veröffentlichte 1904 im Alter von 41 Jahren seine erste gedruckte Gedichtsammlung. Die Zeitschrift „Al-Hayat Al Gadida“ (Neues Leben) veröffentlichte seine Gedichte von 1908 bis 1918 in arabischer Übersetzung. Bald wurde er über Alexandria hinaus berühmt.
Kavafis’ Gedichte lassen sich in drei Gruppen einteilten:
- Die historischen Gedichte drücken seine Ideen und Vorstellungen aus, die er aus der Geschichte Alexandrias und aus seinem Wissen und seiner Kenntnis der hellenistischen und byzantinischen Kultur gezogen hat, sowie die Auseinandersetzung mit dem intellektuellen Dilemma, das immer das menschliche und das ewige Leben betrifft.
- Seine emotionalen Gedichte enthüllen den großen Aspekt menschlicher Schwäche und sprechen Erinnerungen an die Vergangenheit, Ereignisse der Gegenwart und Hoffnungen für die Zukunft an.
- In seinen philosophischen Gedichten spricht der Dichter über sich selbst und befasst sich mit den wichtigsten Umständen, die sein Leben bestimmen.
Das Kavafis-Museum
Kavafis lebte die letzten 25 Jahre seines Lebens in seiner Wohnung in der Nähe der Fouad-Straße, im Attarin-Bezirk in Alexandria. Der Straßenname war zu Kavafis’ Lebzeiten Lepsius und wurde seither in Sharm El Sheikh umbenannt. Nach der Eröffnung des Museums wurde die schmale und kurze Straße zur Kavafis-Straße, die sich ganz in der Nähe von zwei der wichtigsten Straßen der Stadt befindet, der Fouad und der Safiya Zaghloul.
Kavafis’ Haus in Alexandria gilt als großer archäologischer Schatz. Es wurde vor mehr als hundert Jahren erbaut. Nach seinem Tod beherbergte es 33 Jahre lang die Pension Amir, bis 1991 der damalige griechische Kulturberater Kostis Moskov nach Alexandria kam und eine Vereinigung für Kavafis-Freunde gründete. Er konnte das Kavafis-Haus für ein Museum zurückgewinnen, das der griechischen Botschaft in Ägypten angegliedert ist. Am 12. Oktober 1992 wurde das Kavafis-Museum eingeweiht und bis heute stellt eines der Mitglieder dieses Vereins, ein reicher Mann namens Strati Jax, die nötigen Gelder zur Verfügung, um des großen Dichters Kavafis zu gedenken.
"In diesem Haus lebte Kavafis die letzten 25 Jahre seines Lebens". Dies sind die Worte, die Besucher auf einem schwarzen Marmorschild lesen, wenn sie vor dem Eingang zum Museum im Haus des großen Dichters Kavafis stehen, an der Schwelle zu einer wunderbaren Welt. Darunter befindet sich ein weiteres weißes Stück Marmor mit den Wörtern: "Kavafis-Haus".
Das Museum umfasst neben seiner Grabmaske und einer Büste des Dichters auch zahlreiche seiner Besitztümer sowie Gegenstände, die er von seiner Familie und seinem Vater geerbt hat.
Verehrte Leserin, verehrter Leser, ich lade Sie ein, das Kavafis-Museum in Alexandria zu besuchen! In dem Moment, in dem unsere Füße die Schwelle des Hauses überschreiten, beginnt ein Moment voller Reichtum, in dem uns der Geist der Poesie, Seufzen, Atmen, Freude, Traurigkeit und Denken dieses großen Dichters begleiten. Finden Sie heraus, dass dies alles in seinen zeitlosen und inspirierenden Gedichten verkörpert ist!