Die Moschee des ʿAmr ibn al-ʿAs im heutigen Kairo ist nicht nur die älteste islamische Gebetsstätte auf afrikanischem Boden und beeindruckt Kairo-Besucher seit den frühen Tagen des Islam. Um den Erbauer und das fast 1400 Jahre alte Bauwerk ranken sich auch einige in Vergessenheit geratene Sagen.

Etwa um 640 n.Ch. erreichte das Heer des Feldherrn ʿAmr ibn al-ʿAs das christliche Ägypten. Amr belagerte die aus römischer Zeit stammende „Festung Babylon", von der sich noch heute Ruinen im koptischen Viertel von Kairo erhalten haben. Unweit der seinerzeit mächtigen Verteidigungsanlage schlug der Araber das Zeltlager für seine Truppen auf. Nach der Eroberung der Festung und der Unterwerfung Alexandrias baute der Feldherr auf dem Gelände die nach ihm benannte Moschee und gründete al-Fustat, dt. das Zelt, die erste islamische Stadt in Afrika. Später regierte ʿAmr ibn al-ʿAs als Gouverneur in ganz Ägypten.

Die Legende vom goldenen Ball

Dass ein Araber über Ägypten herrscht, war für die Eliten des Nillandes zu jener Zeit undenkbar gewesen. Davon berichtet die Legende, die der arabische Geschichtsschreiber al-Maqrizi überliefert:

„‘Amr hatte mit mehreren Coreischiten eine Handelsreise nach Jerusalem gemacht, und während er hier in den Bergen die Cameele weiden ließ, traf er auf einen christlichen Mönch, welcher vor Durst fast verschmachtete; ‘Amr gab ihm aus seinem Schlauche zu trinken und der Mönch schlief ein. An seiner Seite war eine Höhle, aus welcher eine große Schlange hervorkam, die ‘Amr sobald erblickte, als er einen Pfeil auf sie abschoss und sie erlegte.“

Der Mönch erwachte und sah, dass der Araber ihm zum zweiten Mal das Leben gerettet hatte. Er lud ‘Amr in seine Heimatstadt, in das ägyptische Alexandria, ein. Al-Maqrizi fährt fort:

„Als sie nach Alexandria kamen, wurde hier gerade ein Fest gefeiert, an welchem die Könige und die Angesehensten mit einem goldenen Balle werfen, den sie mit ihren Ärmeln aufzufangen suchen, indem sie glauben, dass, wer den Ball mit dem Ärmel fange, nicht sterben würde, bevor er bei ihnen zur Regierung gelangt sei. Der Mönch erwies dem ‘Amr große Ehre, zog ihm ein seidenes Kleid an und nahm ihn mit in die Versammlung, wo sie mit dem Balle warfen, und es traf sich, dass der Ball in ‘Amr’s Ärmel flog. Sie wunderten sich darüber und sagten: es ist doch das erste Mal, dass dieser Ball uns die Unwahrheit ansagt, denn dieser Araber wird niemals über uns herrschen.“

Doch „dieser Ball" hatte nicht die „Unwahrheit angesagt": ʿAmr ibn al-ʿAs regierte der Geschichtsschreibung zufolge von 661 bis zu seinem Tod 664 als Statthalter in Ägypten.

Sagenumwobene Großherzigkeit

Von der Gründung der Moschee ‘Amrs erzählt eine andere Legende. Sie rühmt die Großherzigkeit des arabischen Eroberers. Aufgeschrieben hat sie der türkische Reisende Evliya Celebi, der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts mehrere Jahre in Ägypten lebte. Der Türke berichtet zunächst, wie der Eroberer an der Stelle, wo heute die Moschee steht, einst sein Feldlager aufschlug und rundherum einen Graben errichten ließ. Dann fährt er fort:

„Tag für Tag wurde heiß gestritten, und die im Glaubenskampf gefallenen Krieger wurden gleich an Ort und Stelle begraben. Als dann durch Gottes Ratschluss die Stadt erobert war und die Zelte abgebrochen und in die Stadt geschafft werden mussten, da stellte sich heraus, dass auf dem Zelt des ‘Amrü-bnü-l-‘As [ʿAmr ibn al-ʿAs] eine Taube ihr Nest gebaut hatte. Als ‘Amr die Taube sah, befahl er: ‚Brecht das Zelt nicht ab! Die Taube ist schließlich unser Gast, und Gäste muss man ehren. Der Vogel soll seine Jungen großziehen, bis sie ausfliegen. Wer bei uns Zuflucht sucht, ob Vogel, Vierfüßer oder Mensch, der ist sicher – brecht das Zelt also nicht ab!‘ Als die Jungen heranwuchsen und schon aus dem Nest flogen, setzten sie sich jedesmal vor ‘Amr hin und gebärdeten sich recht vertraut. Dann ließ ‘Amr das Zelt abbrechen und zwei große Klöster, die dort standen – ein koptisches und ein griechisches – niederreißen. Dort aber, wo früher der Graben gewesen war, ließ er die Grundfesten ausheben und eine Moschee erbauen.“

Der Gebetsraum der Amr-Moschee © Jürgen Sorge

Die magische Kraft der Zwillingssäulen

Der türkische Reisende weiß von einer weiteren Legende zu erzählen. Derzufolge besitzen zwei der zahlreichen Marmorsäulen, die die Moschee tragen, magische Kräfte.

„Vor dem hinteren Tor und dem Tor, das in die Gebetsrichtung geht, stehen zwei Marmorsäulen, von denen der Volksglaube besagt, dass kein schlechter Kerl zwischen ihnen durchkommt, ein Unbescholtener aber keinerlei Schwierigkeiten hat. So mancher korpulente Mann kommt also mühelos durch, während so mancher gertenschlanke Bursche zu seiner Schande steckenbleibt. Als sich einmal ein bekannter Satir [Hofdiener] der ägyptischen Beg durchzwängen wollte, blieb er stecken, so dass er nur mit Hilfe aller Zuschauer, die an seinen Armen anzogen, wieder zurückkonnte. Niemand weiß, ob es die Schande war, die ihn umbrachte, aber als er die Moschee verließ, gab er seinen Geist auf. Im Handumdrehen wurde sein Leichnam gewaschen und nach dem Freitagsgebet gleich beigesetzt.“

Doch nicht allein die Legenden rund um Bauwerk und Namensgeber schlugen Geschichtsschreiber und Reisende in ihren Bann; das architektonische Kleinod selbst beeindruckte. 

Marmorsäulen tragen auch heutzutage das Dach der Moschee © Jürgen Sorge

Die Moschee des Feldherren war ursprünglich viel kleiner als heute. Doch bereits unter der Regierung des Umayyaden-Kalifen Mu‘awija I. (gest. 680) wurde die Gebetsstätte zu einer Hofmoschee umgebaut, die 827 die heutigen Ausmaße hatte. Als die schiitisch ausgerichteten Fatimiden im Jahr 969 Ägypten eroberten und Kairo sowie die später berühmte al-Azhar-Moschee gründeten, blieb die Moschee des ʿAmr ibn al-ʿAs unversehrt und das religiöse Zentrum al-Fustats.

Ein Einkaufparadies im 11. Jahrhundert

Mitte des 11. Jahrhunderts war der Reisende Naser-e-Khosrau in der ägyptischen Hauptstadt unterwegs und besuchte die Moschee des ʿAmr ibn al-ʿAs. Ihm imponierten die Hunderte von Marmorsäulen, die die Moschee trugen. Die Wand, in welche die Gebetsnische eingelassen war und von einem Ende bis zum anderen aus weißen Marmorstücken bestand, auf denen der ganze Koran in Schönschrift geschrieben war, riefen seine Bewunderung hervor. Doch mehr als die Pracht der muslimischen Gebetsstätte beeindruckte den Perser das quirlige Leben rund um die Moschee, die er als "Ausflugsort der großen Stadt" beschrieb.

„[…] es kommt nie vor, dass weniger als 5000 Besucher sich darin aufhalten, seien es nun Studenten, Fremde, Schreiber, die Beglaubigungen und Urkunden aufsetzen, oder andere. […] In der Moschee liegen ständig zehn schöne, bunte Bastmatten übereinander ausgebreitet, und jede Nacht brennen mehr als hundert Lampen. Der Qadi al-Qudat [ein Oberrichter] hält auch in dieser Moschee Gericht."

Weltweit einzigartig fand Naser-e-Khosrau zudem das üppige Angebot auf dem Bazar an der östlichen Seite, dem Suq ul-Qanadil, zu dt. dem Lampenmarkt.

„In keinem anderen Land wird man solch einen Bazar finden. Jede Neuigkeit, die es gibt auf der Welt, gibt es auch hier. Ich sah dort Gebrauchsgegenstände, die aus Schildpatt hergestellt worden waren, wie etwa ein Kästchen, Kämme, Messergriffe usw. Ich entdeckte einen außergewöhnlich schönen Kristall, der von wunderbarer Meisterhand geschliffen und aus al-Maghrib hierhergebracht worden war. […] Ich sah auch Elfenbein, das aus Zangibar [Sansibar] stammte, es gab mehr als 200 Man [rund 170 kg] davon. Eine Ochsenhaut aus Habasha [Äthiopien] fand sich hier, die aussah wie ein Leopardenfell und aus der man Sandalen fertigte. Aus Habasha hatte man auch einen schönen großen Vogel mitgebracht, der über und über mit weißen Punkten bedeckt war und auf seinem Kopf eine Krone, ähnlich der des Pfaus, trug. In al-Misr gibt es außerdem viel Honig und Zucker.“

Bei einem großen Brand in al-Fustat im Jahr 1169 wird die Moschee des ʿAmr ibn al-ʿAs zerstört, danach wieder aufgebaut, um im 18. Jahrhundert erneut zu verfallen. 1796 wird sie schließlich auf Befehl des Mamluken-Emirs Murad Bey Muhammad ein weiteres Mal erneuert.

Amr-Moschee 1893 © unbekannt/ Brooklyn Museum

Bis heute ist sie geprägt von dem großen, an seinen vier Seiten von Arkadenhallen umschlossenen Hof. Die prächtigste Halle ist die sechsschiffige an der nach Mekka ausgerichteten Seite –  ein Säulenwald, durch den hindurch an der Qiblawand, neben dem Minbar und der hohen Kanzel aus Holz, die marmorne Gebetsnische schimmert.

Der schöne Brunnen im Hof soll mit dem heiligen Brunnen Zemzem in Mekka in Verbindung stehen. Aus dem Zemzem-Brunnen sollen laut islamischer Überlieferung Hadschar und Ismaʿil – eine Sklavin des Stammvaters Abraham und sein erstgeborener Sohn – Wasser geschöpft haben, als sie in der Wüste rund um das heutige Mekka am Verdursten waren.

Der Brunnen im Hof der Amr-Moschee © Protious by CC0 1.0

Wehmut und Begeisterung im 19. Jahrhundert

Im Zuge des wachsenden Interesses am Orient reisten im 19. Jahrhundert zahlreiche Europäer nach Ägypten und einige brachten ihre Eindrücke vom Besuch der Moschee des ʿAmr ibn al-ʿAs zu Papier. Nicht alle erlagen dem Charme der alten Legenden. Nicht jedem erschienen die Säulenarkaden prächtig und der Brunnen im Hof sagenumwoben. Gustave Flaubert, zum Beispiel, besuchte die Moschee des Feldherrn Ende des Jahres 1849. Lakonisch notierte der zu den großen realistischen Erzählern Frankreichs gehörende Schriftsteller in seinem Reisetagebuch:

„Amr-Moschee, im alten Kairo, nach dem Muster derjenigen von Mekka. Man zeigt uns die Säule, die Omar mit Peitschenhieben von Mekka forttrieb und der er befahl, sich hier aufzustellen, was sie auch tat. Man sieht die Spuren der Schläge. Man zeigt uns einen Brunnen, in dem letzthin ein Algerier seine Tasse wiederfand, die er in den Zemzem-Brunnen hatte fallen lassen. Man zeigt uns beim Eintritt zur Linken ein Paar Zwillingssäulen: der Mensch, der noch nie gelogen hat, kann, obschon sie sehr nahe beieinander stehen, zwischen ihnen durchkommen, und dann schließen sie sich wieder.“

In Staunen geriet auch die erfolgreiche deutsche Schriftstellerin Ida von Hahn-Hahn, die während ihrer Orientreise 1843/44 die Gebetsstätte aus den frühen Tagen des Islam besuchte. Zwar machten die Hallen auf sie einen „wahrhaft edlen Eindruck". Doch die Aristokratin und spätere Nonne vermisste in jeder Hinsicht „Phantasie und Gefühl", wie sie in ihren „Orientalischen Briefen" schrieb:

„Von der späteren Grazie, der Ausschmückung ist bei der Amru-Moschee noch keine Spur, aber diese langen, lichten, von 238 Marmorsäulen getragenen Hallen machen einen wahrhaft edlen Eindruck. Man begreift, dass geradeso die glühenden Anhänger einer Religion bauen mussten, denen der mystische Dienst der Heiligen und Bilder ein Greuel war; die keine Opfer zu bringen, keine Mysterien zu vollziehen hatten, und die sich in dem jugendlichen vollen Purismus einer neuen geistigen Lehre, welche sich klar wie ein Rechenexempel aussprach, durchaus begnügt fühlten. Für Phantasie und Gefühl ist hier nichts! – aber auch gar nichts! – dennoch kann ich nicht sagen, dass ich jene Dürre empfunden hätte wie in Konstantinopel zwischen den hohen kahlen Mauern der Moscheen. Nein! Aber ich dachte: O Himmel, hier müssen Geister ihren Gottesdienst halten und keine Menschen. Der Mensch will noch etwas Anderes, will Symbole, will Bilder, Geheimnisse, will Begrenzung, – und nicht bloß diese unendliche Klarheit, die beinahe wie eine winterliche Sternennacht meiner nordischen Heimat wirkt.“

Amr-Moschee um 1923 © William Henry Goodyear/ Brooklyn Museum

Es passt in die damalige Zeit, geprägt von Romantik und Orientalismus in der Kunst, dass auch der französische Schritftsteller Gérard de Nerval beim Besuch der Moschee eher Wehmut empfand anstatt Verzückung.

„Amrus Moschee, die nach der Eroberung Ägyptens als erste erbaut wurde, liegt auf einer heute öden Stelle zwischen der neuen und der alten Stadt. Nichts schützt diesen einstmals verehrungswürdigen Ort vor der Entweihung. Ich bin durch den Säulenwald gegangen, der das alte Gewölbe noch trägt, ich bestieg die geschnitzte Kanzel des Imam, die im Jahre 94 der Hedschra errichtet wurde und von der es hieß, dass es keine schönere und keine edlere außer der des Propheten gegeben habe, ich lief durch die Gänge und erkannte mitten im Hof jene Stelle, wo das Zelt des Statthalters Omars [ʿUmar] aufgeschlagen wurde, als ihm der Gedanke kam, das alte Kairo zu gründen. […] Heute befindet sich dieser Ort nicht mehr in der Stadt, sondern erneut, so wie es die Chronisten schilderten, mitten in Weinbergen, Gärten und Palmenhainen.“

In seinem 1886 erschienenen „Cicerone durch das alte und neue Aegypten“ widmete auch der deutsche Ägyptologe Georg Ebers der ʿAmr ibn al-ʿAs Moschee einen Abschnitt, der neben einer Portion Empörung aber auch große Begeisterung spüren lässt. So berichtete er zunächst von unscheinbaren Gassen, die zu durchwandern sind. Von Schutthügeln, die zu übersteigen sind. Von grauen, staubigen Mauern, die kaum erahnen ließen, dass sie eines der ehrwürdigsten und größtangelegten Werke der arabischen Baukunst umschlossen. Von Bedauern und Entrüstung über die jammervolle Sorglosigkeit, mit der man dies edle Denkmal dem Verfalle preisgab. Um sich sodann tief und ehrlich beeindruckt zu zeigen.

„[…]endlich aber wird er, wenn er es versucht hat, von den Lücken und Trümmern absehend, diesen großartigen Bau als Ganzes zu überschauen und aufzufassen, von aufrichtiger Bewunderung und von jenem frommen Schauder ergriffen werden, dem sich der Mensch allem wahrhaft Großen gegenüber schwer zu entziehen vermag.“

Um das Jahr 2000 wurden die bisher letzten umfangreichen Sanierungsarbeiten an der Moschee ausgeführt. Im 21. Jahundert gehört sie zu den architektonischen Kleinoden und sehenswerten Beispielen für die islamische Baukunst in Kairo.

Amr-Moschee um 2000 © Jürgen Sorge