Etwas nervös und angespannt und mit gemischten Gefühlen stehe ich vor dem Museum für Islamische Kunst, das am 18. Januar 2017 nach dreijähriger Renovierungsarbeit wieder eröffnet wurde. Gemischte Gefühle deshalb, weil ich nur wenige Wochen vor dem Bombenanschlag am 24. Januar 2014 auf das dem Museum gegenüberliegende Polizeihauptquartier im Kairoer Darb El Ahmar im Herzen des historischen Kairo mit zwei Freundinnen einmal mehr dieses Kleinod von Museum besucht hatte. Nur zu gut erinnerte ich mich an unsere Begeisterung über den Gesamteindruck, den dieses Museum bei uns hinterlassen hatte. Dieser Bombenanschlag hatte verheerende Folgen. Kostbare historische Schätze: Glasgefäße, Bronzekannen und Fayence, Gebrauchsgegenstände, mamelukische Glasmosaik-Fenster und vor allen Dingen die wunderschöne Sammlung von Moscheelampen aus Glas, die wir doch eben noch bewundern durften, wurden vernichtet. Wir konnten uns nicht vorstellen, was von den wertvollen Artefakten noch übriggeblieben sein konnte.
Eingangsportal zum Islamischen Museum © Dagmar Klementa
Drei Jahre lang wurde das damals sehr stark beschädigte Gebäude restauriert – unterstützt von Experten und finanziell gefördert von der UNESCO, den Regierungen der Vereinigten Arabischen Emirate, Italiens, der Schweiz und amerikanischen Geldgebern.
Nun stehe ich da, mit meinen gemischten Gefühlen. Nicht alleine, sondern diesmal sogar mit einer großen Gruppe interessierter und neugieriger Ägyptenliebhaber, denen es zum Teil ganz ähnlich ergeht. Ich freue mich, wie sehr sich die Angestellten freuen, dass wir so zahlreich sind. So ganz klappt das noch nicht mit dem Einlass via Computer und dem Scan, aber das kann die Freude wirklich nicht trüben. Wir bezahlen jeder irgendwie unsere 50 LE Eintritt und wer möchte, löst noch eine weitere Karte für 50 LE, um fotografieren zu dürfen. Ich möchte, und zum ersten Mal kommt auch mein ägyptischer Führerschein zum Einsatz, denn man muss eine ID hinterlegen.
Und dann ist er wieder da, der Zauber, der mich in manchen Museen oft unmittelbar umfängt.
Blick in die Ausstellungshalle © Dagmar Klementa
Es ist schön in diesem Museum: Die gedeckten Farben, das Arrangement. Es gefällt mir und ich fühle mich wohl und ich kann mich auf all das Schöne einlassen, das es zu sehen gibt. Sicher, manches vermisse ich wie befürchtet, wie eben die große Anzahl der wunderschönen Moscheelampen, blicke traurig auf Scherben, die man nie wieder zusammensetzen kann, aber erkenne auch vieles wieder, das liebevoll restauriert wurde. Ein bisschen fühle ich mich, als hätte ich einen lieben alten Freund wiedergetroffen.
Erbaut wurde das Gebäude 1880 als Staatsbibliothek am Mīdān Ahmad Maher, auch Mīdān Bab El Khalq, am Schnittpunkt von Sharia El Qala'a und Sharia El Khaleeg El Masry im Stadtteil Muski. Die Staatsbibliothek in der ersten Etage besteht noch heute, wird für Studien genutzt und kann von der Rückseite des Gebäudes betreten werden. Hier werden altertümliche Urkunden, Handschriften und Bücher in arabischer Sprache aufbewahrt.
Ab 1903 wurde in einem weiteren Teil des Gebäudes die Sammlung islamischer Kunstwerke ausgestellt und als „The House of Arab Anitiquities“ bzw. „Gallery of Arab Antiquities“ geführt. Erst 1952 wurde das Museum unter dem Direktor Zaki Hassan in „Museum of Islamic Art“ umbenannt, da es nicht nur Kunstwerke aus arabischen, sondern aus vielen verschiedenen islamischen Ländern ausstellt. 1984 wurde es wesentlich vergrößert und gilt seither mit einer Sammlung von circa 100 000 Artefakten aus verschiedenen Epochen und Regionen als das bedeutendste Museum für islamische Kunst weltweit. In den Jahren zwischen 2004 und 2010 wurde es umfassend modernisiert und im Oktober 2010 mit ausgewählten Stücken und zeitgemäßer Präsentation wiedereröffnet. Trotz großer Schäden durch den Bombenanschlag 2014 präsentiert die heutige Ausstellung im Museum laut Katalog 4400 Exponate, von denen derzeit 400 neu hinzugekommen sind.
Islamische Kunst ist geprägt durch hoch entwickelte abstrahierende Darstellungen von Pflanzen und Blüten in Arabesken bei der Ausgestaltung von Moscheen und durch eine überragende Rolle von Ornament und Kalligraphie. Bei der Kalligraphie wird eine Inschrift häufig selbst zum Ornament und sehr oft sind Schriftzüge und Suren kalligraphisch gestaltet. Man findet diese überall auch auf Wänden, Teppichen, auf Bauwerken und Gebrauchsgegenständen des Alltags. Als Begründung wird gerne, aber nicht unumstritten, ein Hadith, ein Ausspruch des Propheten Mohammed, angeführt: „Die schlimmste Strafe beim Jüngsten Gericht werden jene erleiden, die die Schöpfung nachgeahmt haben.“ Jedoch finden sich in der säkularen Gebrauchskunst auch immer wieder figürliche Abbildungen von Mensch und Tier. Denn in frühen Phasen des Islams knüpften die Darstellungen zunächst an traditionelle regionale Stilmerkmale an (z.B. Persien), die sich mit der Zeit änderten. Ausnahmen bilden auch die fatimidische und osmanische Zeit, in der die konkret-bildliche Darstellung in säkularen Lebensbereichen wieder zur Blüte gelangte.
Koranabschrift aus dem 8. Jhd. © Dagmar Klementa
Beinahe magnetisch zieht ein großes, in Szene gesetztes Buch die Blicke auf sich: ein mit brauner Tinte geschriebener Koran aus der Umayyadenzeit. Kaum vorstellbar, dass dieses Heilige Buch den Anschlag und das darauffolgende Chaos beinahe unbeschadet überstanden hat. Und auch - man muss es wissen, sonst könnte man eines der bedeutendsten Ausstellungsstücke übersehen - der kupferne mit silbernen Einlegearbeiten versehene Schlüssel der Kaaba in Mekka: Er strahlt in altem Glanz.
Die 25 Galerien bzw. Säle sind nach wie vor nummeriert und nach Themen geordnet und zeigen einen guten chronologischen Überblick über die wichtigsten islamischen Kunstepochen und deren Entwicklung: Die der Umayyaden im 7. und 8. Jahrhundert, der Abbasiden und Tuluniden im 8. und 9. Jahrhundert, der Fatimiden und Aijubiden im 10. bis ins 13. Jahrhundert und letztlich die der Mameluken vom 13. bis ins frühe 16. Jahrhundert und weiter bis in die osmanische Epoche des 19. Jahrhunderts. Andere Säle wiederum sind eher nach Themen angeordnet. Vor dem Anschlag war die Ausstellungsweise ein wenig anders: ein Teil war nach chronologischer Reihenfolge und ein Teil nach dem Material angeordnet: Glas, Keramik, Textilien…usw. Heute ist ein großer Bereich der Ausstellung chronologisch geordnet, der zweite Teil dann nach Themen eingeteilt: Medizin, Naturwissenschaften, Farben und Lichter und alltägliches Leben. In einem der neuen Räume sind neue Exponate wie Schmuck und Musikinstrumente ausgestellt, darunter Objekte aus Ägypten, Persien, dem Irak, Andalusien, Kleinasien und Syrien; womöglich einige der letzten, die Zeugnis ablegen können von einer vergangenen, blühenden Kunst.
Garten des Museums © Dagmar Klementa
Ich möchte nun nicht auf die einzelnen Räume oder gar Ausstellungstücke eingehen. Im ansprechenden Garten des Museums (nach dem Eingang und der Treppe rechts abbiegen und bis zum Ende durchgehen) ist gleich rechts ein kleiner Laden, in dem man einen englischsprachigen Führer durch das Museum kaufen kann. Oder man organisiert, so wie wir, eine Führung.
Manches beeindruckt aber besonders. Sei es, weil es sofort ins Auge sticht, wie einer der Marmorbrunnen mitten im Raum aus der Ära der Mameluken, die Nachbildung eines Empfangsraumes aus osmanischer Zeit mit sehenswerter Holzdecke, verschiedene Mosaikfußböden, Marmorsäulen und Marmorbrunnen und so manch Schönes, das man sich sehr gut in den Wikala, den früheren Handelshäusern, auch Karavanserei genannt , und in Häusern und Moscheen der alten arabischen Städte vorstellen kann. So sind zum Beispiel Türen aus Holz ausgestellt, die aus der Moschee al-Azhar stammen, eine Doppelflügeltür aus Damietta, eine tragbare, reich verzierte Mihrâb oder Gebetsnische. Auch mehrere ungewöhnliche, hölzerne Friese aus der Zeit der Fatimiden, die figürliche Szenen von Musikern, der Jagd und gar Wein trinkenden Männern zeigt. Später, als die Fatimiden gestürzt und deren Gebäude weitgehend vernichtet wurden, wurden diese Friese zur Verzierung der Madrasa und des Mausoleums von Sultan Qâlawun an der Sharia el Muiz el Din Allah im Stadtteil El Gamaleya verwendet. Allerdings wurden die Bildseiten zur Wand gerichtet, um die Gläubigen nicht zu verwirren.
Holztruhe mit Elfenbeinintarsien © Dagmar Klementa
Weiter zu bestaunen sind Holzarbeiten aus unterschiedlichen Zeiten, Stücke aus Elfenbein, Metall und Keramiken, die in Farbtönen glasiert sind, die wie reines Gold wirken, Glasmosaike, Möbel und Zubehör aus Palästen und Moscheen, Wandmalereien auch aus dem Fayoum, Waffen und Kleidung, Teppiche, Münzen und Bücher. Sogar eine Denar-Münze, die rund 1.300 Jahre alt ist. Hierbei kaum zu fassen: Man hat in all dem Schutt und den Scherben nach dem Anschlag lange nicht alle Münzen wiedergefunden. Diese Denar-Münze, wie durch ein Wunder, aber schon.
Münzsammlung © Dagmar Klementa
So viel Schönes gibt es zu sehen, dass ich mich gar nicht mehr an die Nummernfolge halten mag und im Zickzack durch die Säle laufe. Kunstvolle gedrechselte Maschrabiyen - das sind aus zahlreichen kleinen Einzelteilen gefertigte Fenstergitter, die Blicke zwar nach draußen aber nicht nach innen zulassen und dennoch eine Luftzufuhr ermöglichen, Wandfliesen in herrlichen Grün- und Blautönen, die man am liebsten einpacken und in die eigene Küche hängen möchte, große Wassergefäße aus Marmor, große hölzerne Kästen, in denen wertvolle Koranausgaben aufbewahrt wurden, zwei riesige Kerzenhalter des Sultans Qâytbây, die ursprünglich in der Moschee des Propheten Muhammad in Medina standen, ein prachtvoll verzierter Kompass, der nach Mekka ausgerichtet und unten mit Koransuren versehen ist, und, und, und...
Kompass © Dagmar Klementa
Erheiternd finden wir die mit Bildern oder Mustern bemalten Böden von Bechern aus Keramik, die das Wirkungsfeld der jeweiligen Prinzen und Angehörigen in den Palästen der Mamluken-Prinzen zeigen. Da gab es Offiziere der Reiterei, der Jagd, den Mundschenk – auch christliche Motive sind zu finden und das Rätselraten, was denn nun dargestellt sein soll, macht Spaß.
Gefäßboden mit dem Zeichen eines Mundschenks © Dagmar Klementa
In den naturwissenschaftlichen Abteilungen erstaunen sehr feine chirurgische Werkzeuge aus dem 9. Jhd.(!), ein Ausschnitt aus einem Buch, in dem die komplette anatomische Darstellung des Körpers wie Skelett, Nervensystem, Verdauungssystem, Blutkreislauf gezeichnet sind, Sonnen- und Sanduhren, Sextanten zur Beobachtung der Sonne und der Sterne am Himmel u.v.m. Sehr beindruckend finden wir alle auch einen wunderschönen Keramikofen aus der Osmanischen Epoche. Beeindruckend nicht nur ob seiner Schönheit, sondern weil wir uns im ägyptischen Winter alle nach etwas mehr Wärme sehnen und der Winter in diesem Jahr gar nicht enden mag.
Fayencekachelofen © Dagmar Klementa
Wie ein Roter Faden zeigen sich in der Ausstellung Schilder mit roten Punkten. Diese zeigen an, welche Artefakte nach dem Bombenanschlag 2014 erneut restauriert wurden. Manches lässt sich wohl nicht mehr reparieren. Scherben liegen in Vitrinen ausgestellt – vielleicht auch um die Verheerungen und die Bemühungen um die Restaurationen zu zeigen. Ein Videofilm zeigt im gleichen Saal Aufnahmen der Verwüstung: Mitarbeiter, die das Museum vor Plünderern schützten, Aufräumarbeiten und Fachkräfte bei der Restaurierung der beschädigten Artefakte. Aber es ist gelungen, die Seele des Museums wiederherzustellen und lässt einen erneut eintauchen in den alten Orient.