Sie habe sich früher nie für Ägypten interessiert, sagt Gundula Schulze Eldowy. Die aus Deutschland stammende Fotografin, Dichterin, Autorin, Sängerin und Filmemacherin erlangte vor allem durch ihre sozialkritischen Fotos aus der späten DDR ein hohes internationales Renommee. Ihre Bilder befinden sich in Sammlungen des Museums of Modern Art in New York, des Museums of Fine Arts Houston, des LACMA in Los Angeles, der Bibliothèque Nationale in Paris und zahlreichen deutschen Museen. Weniger bekannt sind ihre Fotos aus ihrer ägyptischen Phase und ihre archäologischen Forschungen vor Ort.

Sie selber wundert sich über „die Wucht, mit der Ägypten und mein Interesse für das Altertum zu mir kam“. 1993 betrat sie zum ersten Mal das Land am Nil, das sie sieben Jahre lang in unzähligen Reisen immer wieder besuchte, welches sie in seinen Bann schlug und das sie bis heute sehr liebt.

Mumien – Spiegel einer unerreichten Kultur

Während ihres Aufenthalts in den Jahren 1995-96 erhielt sie von dem damaligen Direktor des Ägyptischen Museums, Dr. Mohamed Salah, die Ausnahme-Erlaubnis, die berühmten Pharaonen-Mumien darunter Thutmosis II., Thutmosis IV., Merenptah, Sehtos I. und Ramses II. zu fotografieren. Die Fotos wurden 1996 in dem Bildband „Ägyptische Tagebücher“ veröffentlicht und in mehreren Ausstellungen international präsentiert. „Es sind düster verfremdete Menschenbilder, in denen Tod und Leben deckungsgleich erscheinen. Das Erschauern machende Wissen des Betrachters, der sich Auge in Auge mit Menschen sieht, die vor dreitausend Jahren gelebt haben, wird durch die Art der nur mit einer Taschenlampe erfolgten Beleuchtung intensiv gesteigert“, beschreibt die Tageszeitung Rheinpfalz im November 1996 die ungewöhnlichen Aufnahmen. Es sei Schulze Eldowy gelungen, in den Gesichtern der Mumien die Größe der pharaonischen Zeit widerzuspiegeln, begeisterte sich 1999 der ägyptische Journalist Sayed Abulkader in Al Akhbar in seinem Artikel „Die Welt sieht Ägypten mit den Augen von Gundula.“

Fotostrecke | Mumien © Gundula Schulze Eldowy

Ramses II., Kairo 1995 © Gundula Schulze Eldowy

Thutmosis II., Kairo 1995 © Gundula Schulze Eldowy

Merenpthah, Kairo 1995 © Gundula Schulze Eldowy

Queen Henuttawi, Kairo 1996 © Gundula Schulze Eldowy

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Hallen der Aufzeichnungen

Auch entdeckt Schulze Eldowy zufällig auf einer Luftaufnahme des Gizeh-Plateaus aus dem Jahre 1937 Spuren eines unterirdischen Hohlraums. Sie ist sie wie elektrisiert, glaubt, Hinweise auf die sagenumwobenen „Hallen der Aufzeichnungen“ gefunden zu haben.

Nach mystischen Vorstellungen enthalten diese Hallen alles Wissen und alle Weisheiten des Thot, in der ägyptischen Mythologie der Gott des Mondes, der Magie, des Schalls, der Wissenschaften und Weisheit. Diese älteste Bibliothek der Menschheit soll aus einer weit vor unserer Zeitrechnung liegenden hochentwickelten Kultur stammen. In allen Epochen und zu allen Zeiten haben Menschen nach diesem Vermächtnis gesucht – dessen Räume man unter der Cheops-Pyramide oder unter der Sphinx vermutete – angeblich sogar der große Cheops. Unter anderem fanden im Jahre 1976 Bohrungen und Ausgrabungen an der Sphinx statt, die jedoch nur natürliche Hohlräume offen legten. Um weitere Schäden an dem Bauwerk zu verhindern, wurden diese Grabungen bald gestoppt. Doch in den neunziger Jahren begann erneut eine besessene Suche. Zu dieser Zeit entdeckte Gundula Schulze Eldowy die alte Luftaufnahme.

Reproduktion der Luftaufnahme von 1937 mit „Hallen der Aufzeichnungen“ © Gundula Schulze Eldowy

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Sie lieh sich bei der ägyptischen Luftwaffe einen Hubschrauber und machte mit speziellen Filmen eigene Fotos von dem Plateau der Gizeh-Pyramiden, um Beweise für ihre Entdeckung anzutreten. Sie ließen sich mit bloßem Auge nicht wahrnehmen, aber „mein Kameraauge hatte die Hallen erspäht“, beschreibt sie den Fund. Die Cheops- und Mykerenos-Pyramide haben je drei Nebenpyramiden, sodass sich mit der Cheops-Pyramide neun Pyramiden auf dem Gelände befinden.

Fotostrecke | Luftaufnahmen des Pyramiden-Plateaus mit Lage der „Hallen“ © Gundula Schulze Eldowy

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Bei ihren Luftaufnahmen erkannte sie, dass alle neun Pyramiden und die Sphinx an markanten Stellen in Beziehung zu dem Umriss der „Hallen“ stehen. Schulze Eldowy ist sicher, dass diese oberirdischen Spuren auf ihren Fotos Hinweise auf unterirdische Bauten geben. „Die Konstruktion folgt einem klaren, logischen Muster, in welchem jedes Teil zueinander in Beziehung steht. So etwas ist kein Zufall“, erkennt sie.

«Ziehe eine Linie vom großen Standbild [Sphinx],
 das ich erbaute zu der Spitze der Pyramide, die als Tor erbaut wurde. Ziehe eine andere, gegenüberliegende
 Linie im gleichen Winkel und der
 gleichen Richtung. Grabe dort und finde das, was ich verborgen habe. Dort wirst du den unterirdischen
 Eingang finden, welcher zu den Geheimnissen führt, die verborgen wurden.» (Thot in der Smaragd-Tafel XI)

  • Eine verlängerte Linie der 3 Mykerinos - Nebenpyramiden Richtung Osten ergibt die nördliche Längskante der Hallen
  • Eine verlängerte Linie der Cheops - Nebenpyramiden Richtung Süden, ergibt die Ostkante der Hallen.
  • Mit Hilfe der 6 Nebenpyramiden ist es ganz leicht, die ‚Hallen der Aufzeichnungen‘ zu finden. Sie sind ein Orientierungspunkt.
  • Ein weiterer Orientierungspunkt bietet eine verlängerte Linie der Westkante der Cheops- Pyramide Richtung Süden. Sie ergibt die Westkante der Hallen
  • Die Hallen ziehen sich parallel zur Südkante der Cheops-Pyramide und reichen bis zu deren Nebenpyramiden, in einer Länge von ungefähr 300 Metern
  • Die Nord-Ost-Ecke der Hallen liegt auf der Hypotenuse eines Dreiecks, die alle 9 Pyramiden verbindet und in der Spitze der Chephren Pyramide endet.
  • Ziehen wir also nach Thot eine Linie von der Sphinx zur Spitze der Cheops-Pyramide und eine andere, gegenüberliegende Linie im gleichen Winkel und der gleichen Richtung, so endet sie im Schnittpunkt der verlängerten Linie der Mykerinos - Nebenpyramiden, die die Nordkante der Hallen der Aufzeichnungen darstellt. Die Linien ergeben das Dreieck: Cheops-Pyramide, Sphinx, Hallen. Von der Spitze der Cheops-Pyramide Richtung Süden führt die Grundlinie des Dreiecks in einen Schnittpunkt aller drei Linien. Dort ist vermutlich der Eingang.

Quelle: Gundula Schulze Eldowy

Skizze mit Mykerinos-Pyramide, Totentempel, Aufgang zum Taltempel – rechts davon das Gebiet der Hallen, Gizeh 2000 © Gundula Schulze Eldowy

Bestätigt fühlt sie sich von James J. Hurtak. Der Amerikaner gilt als einer der bedeutendsten, allerdings auch umstrittensten zeitgenössischen Pioniere im Bereich der modernen grenzwissenschaftlichen Forschung. Er hatte durch besondere thermosensorische Verfahren im sogenannten Osiris-Grab einen weiteren Komplex von Kammern und Tunneln aufgespürt. „Offiziell hieß es, die Suche nach den Hallen, die als älteste Bibliothek galten, wäre Humbug. Das wäre eine Suche ohne Bestand. Es würde die Hallen nicht geben. Aber heimlich hat man doch sehr viel entdeckt. Die Bibliothek hat man nicht entdeckt, aber viele andere Sachen“, erklärt Schulze-Eldowy im Hinblick auf unzählige Forschungsaktivitäten im Bereich des Pyramidenplateaus.

Fotostrecke | Luftaufnahmen der Pyramiden von Gizeh 1998-2000 © Gundula Schulze Eldowy

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Im Herbst 2017 entdeckte man interessanterweise im Rahmen des „Scan Pyramids Project“ mit Myonen-Messgeräten unter der Cheops-Pyramide einen 30 Meter langen Hohlraum. Das Projekt ist eine Kooperation des ägyptischen Antikenministeriums, der ingenieurwissenschaftlichen Fakultät an der Kairo-Universität und des Heritage Innovation Preservation Institut.

Entdeckung in der Cheops-Pyramide

Bei ihren Erforschungen traf Schulze Eldowy auch auf den deutschen Ingenieur Rudolf Gantenbrink, der im März 1993 mit seinem selbstgebauten Mini-Roboter „UPUAUT“ in der Cheops-Pyramide den Südschacht der Königinnenkammer erkundete und auf eine rätselhafte Falltür stieß. In dieser Kammer entdeckte die Fotografin 1995 mit ihrem Kameraauge in etwa neun Metern Höhe jeweils einen Schacht an der Ost- und Westwand.

Fotostrecke | Königinnenkammer Cheops-Pyramide Schacht Westwand © Gundula Schulze Eldowy

Königinnenkammer in der Cheops-Pyramide, Aufnahme von unbekanntem Schacht in der Westwand, 1995
© Gundula Schulze Eldowy

Königinnen-Kammer in der Cheops-Pyramide
Farbige Nahaufnahme des unbekannten Schachtes in der Westwand, 1996
© Gundula Schulze Eldowy

Farbige Infrarotlicht-Nahaufnahme vom Schacht mit drei antiken Buchstaben, 1996
© Gundula Schulze Eldowy

Königinnenkammer in der Cheops-Pyramide, schwarz-weiß Infrarotlichtaufnahme vom Schacht in der Westwands, 1996
© Gundula Schulze Eldowy

Speziell gefilterte Aufnahme der drei antiken Buchstaben, Schacht, Westwand, Königinnen-Kammer, 1996
© Gundula Schulze Eldowy

Farbige Infrarotlicht-Nahaufnahme vom Schacht in der Westwand nach der Sanierung - ohne Buchstaben, 1998
© Gundula Schulze Eldowy

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Auf ihren damaligen Infrarotaufnahmen erscheinen  auf dem Westschacht Konturen von drei Buchstaben, die sich mit speziellen Filtern verdeutlichen ließen. Als Schulze Eldowy diese Fotos dem bekannten österreichischen Koptologen Professor Helmut Satzinger, Direktor der Ägyptisch-Orientalischen Sammlung des Kunsthistorischen Museums Wien, vorlegte, erkannte er in den Zeichen die drei Buchstaben chi, xi, su für die Apokalypse. Nach der Restaurierung der Königinnenkammer im Jahre 1998 waren jedoch der Westschacht und mit ihm die drei Buchstaben wegrestauriert. Lediglich auf Infrarotaufnahmen ist der mit Lehm übertünchte Schacht noch zu identifizieren. Die Fotos von Gundula Schulze Eldowy aus dem Jahre 1995-98 sind nun die einzigen verbliebenen Zeugnisse von dem ursprünglichen Zustand dieses Schachts und der Inschrift.

Drei antike koptische Buchstaben machte die Fotografin durch ein spezielles Filterverfahren sichtbar 1996 © Gundula Schulze Eldowy

Der Klang der Cheops-Pyramide

Eine weitere Entdeckung war für sie der Klang in den völlig schmucklosen Räumen der Cheops-Pyramide. „Da ich auch Gedichte geschrieben habe, fing ich an, meine Gedichte in der Königskammer zu rezitieren. Später folgten Obertongesänge.“ Die Ägypter seien verzaubert und fassungslos gewesen. Es sei ihnen schwer vorstellbar, dass es die Gesänge der Künstlerin waren. Natürlich kam der Ton aus ihrem Mund, aber es war nur der Grundton. Das eigentliche Wunderbare war jedoch die gewaltige Resonanz. Sie beschreibt die überwältigenden Erlebnisse während der Sonnenfinsternis 1999 in ihrem Buch „Spiel und Spielgefährten“. „Ich bin da hinausgegangen mit meinem Bewusstsein. Ich habe mich gesehen, wie ich unten stehe und singe. Das war aber nur ein Teil von mir. Der Hauptteil war weg. Mein Selbst, meine Essenz war weg. Es ist nach oben gegangen und ich habe alles von außen gesehen. Damals begriff ich unsere menschliche Natur, die über noch ganz andere Kräfte verfügt. Die Ägypter kannten diese sehr gut.“

Klang der Cheops Pyramide © Gundula Schulze Eldowy

Geheime Pyramiden

Während Schulze Eldowys Zeit in Ägypten wurde das Land von Anschlägen erschüttert und die Touristen blieben aus. „Da war ich manchmal die einzige Touristin in Kairo und alle Welt fragte mich: ‚Was suchst du hier? Hast du denn keine Angst?' Nein, ich hatte keine Angst. Ich konnte machen, was ich wollte.“ Von ihrer kleinen Wohnung mit Blick auf die Cheops-Pyramide aus erforschte sie das Gizeh-Plateau. Sie hatte freien Zugang zu den Kammern der Cheops-Pyramide und kletterte mit einer Sondererlaubnis der Altertümerverwaltung sogar auf deren Spitze.

Am liebsten ist sie jedoch geritten, tagsüber und nachts, zunächst alleine, später in Begleitung eines verwegenen jungen Beduinen, der sich gut auskannte. Bald kannte sie jeden Winkel zwischen dem Gizeh-Plateau und Dashour im Süden. Vornehmlich in Dashour entdeckte und fotografierte sie unzählige Pyramiden, die zur damaligen Zeit im militärischen Sperrgebiet lagen und offiziell noch nicht bekannt waren. Vom Wind verweht waren nur noch die Spitzen sichtbar.

Fotostrecke | Älteste Pyramiden der 1. Dynastie östlich der Snofru-Pyramide, Dashour (Lehirit oder River of King Farouk) 2000 © Gundula Schulze Eldowy

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Von New York nach Kairo

 Nach dem Fall der Mauer hatte der berühmte amerikanische Fotograf und Filmemacher Robert Frank, der ihre Fotos schon Jahre vorher in Ostberlin entdeckt hatte, sie 1990 nach New York geholt. Hier fühlte sie sich besonders zu ihrem Lieblingsmuseum, dem Metropolitan Museum, hingezogen. Durch seine „prachtvolle ägyptische Sammlung“ wurde sie aufmerksam auf Ägypten. Sie war gerade drei Jahre vorher von Berlin nach Amerika ausgewandert und hatte mit vier fotografischen Serien eine ungewöhnlich kreative Zeit in New York erlebt. „Ich hatte meine fotografische Arbeit gerade beendet und zögerte, mich Neuem zuzuwenden“, erinnert sich die Künstlerin. „Es war Winter. Die Heizungen fielen aus. Den Winter in New York zu erleben, ist grässlich: Er ist kalt, mit arktischen Winden, die durch alle Kleidungsstücke ziehen. Nie in meinem Leben war ich von einer solchen Unruhe gepackt gewesen, die mich in meinem Loft schlaflos wie ein Tiger im Käfig kreisen ließ. Ich sah unentwegt Pyramiden.“ Bei einer New Yorker Fotografin in ihrer Nachbarschaft entdeckte sie Bilder von einigen Pyramiden aus Kairo und „sie schlugen bei mir wie eine Bombe ein.“ Im Interview fährt sie fort: „Ich bin nicht zu den Pyramiden gegangen. Es war umgedreht; sie kamen zu mir. Als Künstlerin bin ich stets mit einer anderen Intelligenz verbunden, ebenso wie Wissenschaftler oft. Diese Intelligenz ist die Triebkraft und der Kulminationspunkt und die Essenz in meiner Kunst.“

In New York, dem Big Apple der westlichen Kultur, erfuhr sie die starke Bedeutung des Äußeren, „diese Blendung des Scheins in starker Übertreibung“. Die Scheinwelt habe hier als Realität gegolten und sei obendrein als objektiv hingestellt worden. „Dabei macht das Tagesbewusstsein ganze fünf Prozent menschlicher Gehirnkapazität aus, das heißt wir Menschen lasten unser Gehirn nicht aus.“ Als sie bemerkte, „Ich bin dies nicht. Mit meinem Wesen und mit meiner Essenz hat diese Scheinwelt nichts zu tun“, war sie in der Lage, New York den Rücken zu kehren und sich auf ihr Ägypten-Abenteuer einzulassen. Ihr enger Freund Robert Frank, der damals gerade von Filmarbeiten aus Kairo zurückkam, bestärkte sie: „Die Kairoer Frauen sind  sehr hoch angesehen, höher noch als hier. Wenn du dich an die Spielregeln hältst, kannst du alleine nach Kairo gehen.“

Nach ihrer Ankunft in Ägypten wird Gundula Schulze Eldowy ihre besondere Beziehung zu Ägypten klar: „Ich habe mich von Anfang an nur für die älteste Geschichte Ägyptens interessiert und wusste Dinge, die ich nicht gelernt hatte. Ich wusste es einfach. Nirgendwo hätte ich lernen können, was aus meinem Inneren von selbst an Wissen zu mir kam.“

In Ägypten verließ sie das  alte Denken ihrer Welt, „wo Determinationen klar einzementiert sind und die genau in Normen, Regeln, Paradigmen besagen, wie einer zu denken hat. Ich hingegen war in einem Nichts gelandet. In diesem Nichts konnte ich nur eins machen, nämlich mich auf das zu stützen, was ich selber bin.“ Sie nennt es „die Hinwendung des Blicks nach Innen“. Sie sammelte zunächst Eindrücke, die sie in Fotografien, Gedichten, Gesängen und Geschichten festhielt. Erst später begann sie mit einer systematischen Erforschung.

Reise ins Licht

Gundula Schulze, geboren 1954 in Erfurt, lebte ab 1972 in Berlin, studierte in Leipzig Fotografie und arbeitete ab 1984 als freie Fotografin. Von 1977 bis 1990 durchstreifte sie das alte Ostberlin und hielt mit ihrem Kameraauge tabulos und mit großer Anteilnahme die Realität hinter den Fassaden des realexistierenden Sozialismus und die Spuren des im Untergang befindlichen Berliner Milieus fest. Bereits damals fotografierte sie als „jemand, der unter denen lebt, die er fotografiert, der wirklich einer von ihnen ist“, so die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Engelchen aus "Berlin in einer Hundenacht" © Gundula Schulze Eldowy

Später in Dresden fühlte sie sich durch die großen Maler inspiriert. Hier begann ihre „Hinwendung zur Farbe.“ Aus diesen Jahren stammen ihre zutiefst beeindruckenden, häufig verstörenden, manchmal abstoßend-faszinierenden Fotografien, mit denen sie berühmt wurde. Nur durch die Auflösung der DDR entkam sie ihrer Verhaftung und siedelte nach Amerika über.

Ulla und Horst aus "Berlin in einer Hundenacht" © Gundula Schulze Eldowy

Der Rote Faden im Leben und Werk der Künstlerin lässt sich als eine Reise zum Licht sehen, die in der Dunkelheit begann. „In Ost-Berlin bin ich dunkle Hinterhöfe mit dunklem Licht gewöhnt gewesen, wo meine Serie ‚Berlin in einer Hundenacht' entstanden ist. Von dort bin ich dem Licht gefolgt und an Orte gegangen, wo es heller wurde. New York ist berühmt für gleißendes Licht.“ Hier sagte sie sich von der sozialkritischen Fotografie los und wechselte zu einer malerischen Fotografie, „wo es um Strahlung geht. Der Inhalt ist Strahlung.“ Durch den Einfluss dieses Lichtes folgt sie „einer musikalischen Sprache im geistigen Sinn wie es Poeten und Maler tun.“

In Ägypten, wo sie die Potenzierung des Lichts erfuhr, wählte sie den Künstlernamen „Eldowy“. Das arabische Wort bedeutet übersetzt „das Licht“ oder „der Lichtschein“ und spielt beim Fotografieren eine zentrale Bedeutung. Im Gegensatz zu New York verlagerte sich ihr Fokus in Ägypten auf die Innenwelt. Ihre Fotografien wurden „Traumbilder.“ C.G.Jung, Sigmund Freud, Rainer Maria Rilke und Ingeborg Bachmann waren vor ihr nach Ägypten aufgebrochen, hätten sich an der Weisheit der Alten Ägypter orientiert. „In einen Tunnel zu gehen, mag eine schöne Metapher für den Weg nach innen sein.“ Sprichwörtlich gesehen stellten die Dunkel-Kammern der Pyramiden den Ort dar, wo sie zu ihrem innersten Kern vorstieß. „Bei meinem ersten Anblick der Gizeh-Pyramiden habe ich sofort gesehen, dass die oberste Konstruktion nur die Fortführung von gewaltigen Bauten unterhalb des Pyramidenplateaus ist. Ich habe es spontan gewusst. Ich bin angekommen und habe aus mir selbst heraus gewusst, dass es im Unterirdischen weiter geht. Das, was oben zu sehen ist, ist nur die Oberfläche.“

Auch hier ließ sie sich zunächst auf ihre Umgebung ein, eine zielgerichtete Forschung begann sie erst am Ende dieser Phase. Sie bleibt eine Querdenkerin, die den offiziellen Interessen oft und gern in die Quere kam, u.a. vertritt sie die Überzeugung, „dass die Pyramiden, oder zumindest die Cheops-Pyramide, ein Grabmal gewesen sind, ist der größte Humbug dieses Jahrhunderts.“

An ihre ägyptische Phase schloss sich zu Beginn des Jahrtausends ihre Peru-Phase an, wo sie bis heute die Monolith-Bauten der Inkas und die Pyramiden der Moche-Kultur erforscht. „In Bezug auf die Monolith-Bauten deckt sich enorm viel zwischen Ägypten und Peru, was mich schlussfolgern lässt, dass es früher eine weltumspannende Zivilisation gab, die diese Monolith-Bauten errichtete.“

Selbstporträt © Gundula Schulze Eldowy

Sie erläutert: „Es gibt auf dieser Erde noch eine andere Intelligenz, die nichts mit diesem Reih-und-Glied-Denken der Schulen und Universitäten zu tun hat. Hätte ich diese nicht gehabt, wäre mein Überleben nicht gesichert gewesen. Mir liegt das Denken in eingefleischten Dogmen nicht. Es ist rau und starr. Die Starre ist die Schwester des Todes. Mit dieser anderen Intelligenz bin ich auf den Straßen dieser Welt gebildet worden, auf den Straßen von über vierzig Ländern, in denen ich lange lebte. Deswegen mag man es mir ein wenig verzeihen, wenn ich manchmal Dinge sage, die völlig konträr zu der herkömmlichen Bildung sind.“ Mit dieser „Intelligenz“ hat sie ihr Werk geschaffen. Und „hinter jedem Bild lauert eine überwältigende, mystische und unvergleichliche Geschichte. Unter den zeitgenössischen Fotografen gehört sie zur seltenen Spezies der mitfühlenden und involvierten Motivsucher“, so die Berliner Morgenpost 1994.

Die aktuellste Ausstellung findet bis 24. Juni 2018 in der Kunsthalle Erfurt statt unter dem Titel „Halt die Ohren steif – Robert Frank & Gundula Schulze Eldowy in New York“. Hier finden Sie einen Bericht auf arte.tv zur Ausstellung.

Der Artikel beruht auf einem Interview von Wilfried Schäfer im Sommer 2017.