Neuer Diskurs oder Missverständnis?
Wenn ein nicht-muslemischer Mann und eine muslemische Frau heiraten, muss der Mann zuvor zum Islam übertreten, so lautet das Gebot. Eine Ehe zwischen einem Muslim und einer nicht-muslimischen Frau hingegen ist in Ägypten ohne Einschränkung erlaubt.
Amina Nosseir, eine renommierte und medienpräsente Azhar-Professorin für islamisches Denken und Philosophie, äußerte sich vor kurzem zur verbotenen Ehe zwischen einer muslimischen Frau mit einem nicht-muslimischen Mann und verursachte mit einer umstrittenen Aussage einen medialen Wirbel.
Während eines Interviews im Fernsehkanal Al-Hadath Al-Youm hatte die Azhar-Professorin am 18.11.2020 recht provokativ geäußert, dass es in der islamischen Scharia (Gesetzgebung) keinen Text gebe, der eine muslimische Frau daran hindere, einen Anhänger einer anderen abrahamitischen Religionen – sprich Juden oder Christen - zu heiraten. Sie argumentierte, dass Muslims, Christen und Juden einer Religion des Buches angehören: Sie glauben an denselben Gott und seien keine Götzenanbeter. Sie praktizieren lediglich eine andere Religion. In einer Ehe zwischen muslimischer Frau und einem Nichtmuslim „tut der Ehemann dasselbe wie ein muslimischer Mann, wenn er eine Christin oder einen Jüdin heiratet“. Er zwinge sie nicht, ihre Religion zu ändern, beraube sie nicht ihres Korans und hindere sie nicht daran ihre Gebete zu verrichten, so Nosseir. Die Kinder aus einer solchen Ehe sollten der Religion des Vaters folgen, meinte Nosseir.
In der Folge ging ein Schrei der Entrüstung durch die sozialen Medien. Besondere Beachtung fand in diesem Wirbel ein Videoclip, in dem Al-Azhars Großscheich Ahmed al-Tayyeb im März 2016 auf die Anfrage deutscher Abgeordneter das Verbot einer Eheschließung zwischen muslimischer Frau und nicht muslimischem Mann mit der fehlenden Gewogenheit erklärt hatte: "Die Ehe im Islam ist kein bürgerlicher Vertrag wie bei Ihnen [Deutschen], sondern eine religiöse Verbindung, die auf der gegenseitigen Gewogenheit zwischen den beiden Enden beruht", sagte al-Tayyeb. Ein Nichtmuslim glaube nicht an den Propheten Mohamed und sei nicht verpflichtet und in der Lage, seine muslimische Frau zur Einhaltung der islamischen Rituale und religiösen Pflichten anzuhalten, weil der Islam die jüngere Religion sei. Der nicht-muslimische Ehemann könne die Religion und ihre heiligen Riten sowie den Propheten nicht respektieren und dadurch seine muslimische Ehefrau moralisch verletzen.
Umgekehrt jedoch könne ein muslimischer Mann durchaus eine nicht-muslimische Frau heiraten, weil der Islam einen muslimischen Mann ausdrücklich verpflichte, seiner nicht-muslimischen Frau die freie Ausübung ihrer Religion zu gestatten, um so die Zuneigung in der Ehe zu gewährleisten.
Etwas später bestritt Amina Nosseir in einem Interview mit dem Journalisten Wael al-Ibrashy im ägyptischen Fernsehprogramm „The Ninth“ die Aussage, dass muslimische Frauen Nicht-Muslime heiraten dürften. Vielmehr sei dies eine durch die sozialen Medien verursachte Verdrehung ihrer Worte. Sie habe lediglich gesagt, dass es keinen schlüssigen Gesetzestext über die Heirat einer muslimischen Frau mit einem Nichtmuslim gebe. Ausdrücklich bekräftigte sie das Verbot der Eheschließung einer muslimischen Frau mit einem Nichtmuslim im Islam. Sie ergänzte auch noch, dass jedem Muslim die Ehe mit einem Polytheisten absolut verboten sei, wie es im Koran geschrieben stehe.
Sie verteidigte in dem späteren Interview das Verbot der Eheschließung mit dem Kindeswohl. Es sei wichtig, dass Kinder nicht zwischen dem Glauben ihrer muslimischen Mutter und dem Glauben ihres Vaters, ob Christ oder Jude, hin und hergerissen würden. Dementsprechend bekräftigte sie kategorisch ihre Haltung zu dem Verbot der Heirat einer muslimischen Frau mit einem nicht-muslimischen Mann.
Die Azhar-Professorin unterstützt die Erneuerung des religiösen Diskurses und betont in ihren Auftritten immer wieder die Notwendigkeit, aufkommende Rechtsfragen, die nicht explizit im Koran geregelt sind, sorgfältig zu untersuchen.