„50 Prozent der in 2012 in London gewonnen Olympischen Medaillen wurden beim Fechten gewonnen“, erzählt mir Tamer Zein Elabedin. Er schmunzelt dabei, handelt es sich doch um zwei Silbermedaillen in Sportarten, die man so ohne weiteres gar nicht mit Ägypten verbinden würde – nämlich Ringen (Karam Mohamed Gaber Ebrahim) und Fechten (Alaa Abouel Kassem). Beide Sportarten sind neben dem Boxen aber seit der Antike im alten Griechenland, dem Römischen Reich und auch in Afrika bekannt.

Als Sport jedoch wurde Fechten in Ägypten erst unter König Farouk etabliert. Der erste Verein in Kairo, der „Ägyptische Fechtclub“ wurde 1891 gegründet. Omar Zein, 18 Jahre jung und Tamers Sohn, ficht seit beinahe zehn Jahren in diesem traditionsreichen Verein. Wie schon sein Vater und sein Großvater, der heute auch als Präsident dessen Interessen vertritt. Großvater Hazem nahm zwei Mal – 1960 in Rom und 1968 in Mexico City - an Olympischen Wettkämpfen teil.

Tamer selbst war während seiner aktiven Zeit stets in der World-Rank-List (19) vertreten, seit September 2013 ist er Präsident der FEE, der Fédération Egyptienne d'Escrime und Omar belegte mit 16 Jahren im Wettkampfjahr 2011/2012 in der U20 World-Rank-List Rang 25. Schon Jahre vorher erregte er international Aufsehen, gewann viele nationale und internationale Wettbewerbe und erhielt zum Jahr 2011 eine sehr persönliche Einladung nach Heidenheim in das Landesleistungszentrum, Regionales Spitzensportzentrum. Ähnliche Einladungen erfolgten auch von der Danish Fencing Federation nach Dänemark, ferner von Jena, Den Haag und auch die Rice University in Houston, Texas, war an ihm für eine sowohl schulische als auch selbstredend sportliche Förderung interessiert.

Omar entschied sich, mit seiner Familie in Kairo zu bleiben. Allerdings muss und möchte er seinen Trainingseinsatz im Verein momentan leider auf etwa zwei Einheiten pro Woche beschränken und trainiert auf der „hauseigenen“ Matte mit seinem Vater. Er bereitet sich auf das anstehende Abitur vor. Im Hof der DEO hat Omar mir so einiges übers Fechten erzählt. Relativ schnell entschied er sich der Familientradition gemäß für das Florettfechten. Hierbei werden als Treffer alle Berührungen des Oberkörpers gewertet mit Ausnahme von Kopf und Armen. Sehr erstaunt war ich, wie oft dabei versucht wird, den Rücken zu treffen. Vor meinem geistigen Auge hatte ich nach dem klassischen: „En garde“ immer den weiten Ausfallschritt, bis hin zum Spagat und weniger die Akrobatik im Blick, die aber wohl nötig ist. Eine ganz andere Dimension, bestätigt Tamer.

Degen und Säbel sind die beiden weiteren Disziplinen, die im Wettkampf zum Einsatz kommen und nicht nur in Ägypten eher rudimentär vertreten sind. Am Körper zu zählende Treffpunkte beim Säbel sind am ganzen Körper ab Gürtel aufwärts – Arme, Finger, Kopf, Oberkörper, hinten und vorne. Beim Kampf mit dem Degen gilt ohnehin schlankweg alles. Auch die Schuhe und gar der kleine Zeh. Dennoch wird das Florettfechten in der Regel bevorzugt. Florett und Degen sind reine Stoßwaffen, der Säbel ist eine Hieb- und Stichwaffe. Gefochten wird auf einem stegartigen Boden (ca. 14 m lang und 1,50–2 m breit), der Fechtbahn (frz.: Planche). Auch ist Französisch die entsprechende Umgangs- bzw. Sportsprache.

Fechten zählt zu den Gründungs-Sportarten von Athen 1896. In Athen standen drei Wettbewerbe auf dem Programm: Säbel, Florett sowie Florett für Fechtmeister. Degenfechten kam in Paris 1900, Mannschaftsfechten in Antwerpen 1920 dazu. 1920 fochten die Frauen in Antwerpen erstmals um Gold im Damen-Florett. In Rom kamen die Mannschaft, in Atlanta Degen, in Athen 2004 Säbel dazu. Da die Anzahl der Fechtwettbewerbe bei den Olympischen Spielen auf zehn beschränkt blieb, mussten ab 2004 jeweils zwei der sechs Mannschaftswettbewerbe pausieren. Auf Beschluss des FIE wurden daher 2004 die Mannschaftswettbewerbe im Damenflorett und Damensäbel nicht ausgetragen. 2008 mussten die Mannschaften im Herrenflorett und Damendegen pausieren und 2012 im Herrendegen und Damensäbel.

Internationaler Dachverband ist seit 1913 die Fédération Internationale d’Escrime (FIE). Diese Föderation feiert in diesem Jahr 2013 ihr 100jähriges Bestehen. Man darf dazu herzlich gratulieren.

Wir bedanken uns bei Omar und Tamer für diesen ausführlichen Einblick in den Fechtsport und wünschen sowohl im schulischen als auch sportlichen Bereich weiterhin viel Erfolg!

Historie des Egyptian Fencing Club in Cairo

Der “Cercle D’escrime Egyptien”, der ägyptische Fechtclub, ist zweifellos der älteste Sportclub in Ägypten und der erste Fechtclub in Afrika und dem Mittleren Osten.

Eröffnet wurde er 1891 und befindet sich heute am Rande des Azbakieh Garden in Kairo mit Blick auf den berühmten historischen Kairoer Opernplatz. Vieles ist im Original erhalten und auch die Geschichte des Clubs ist in der wunderschönen Clubbibliothek in tausenden von Papieren, Zeitungsartikeln und dutzenden von Fotos dokumentiert.

Fechten hat in Ägypten eine lange Tradition © Egyptian Fencing Club

Zuerst traf sich der Club im bekannten historischen Wohnhaus „El Daramally“ und zog aber auch 1891 in o.a. Azbakieh Garden um. Der Garten selbst gilt als Historisches Monument in Ägypten und wurde Mitte des 18. Jh. durch Mr. Del Chaviadi, dem Inspektor der Königlichen Gärten geplant und erbaut.

Förderer waren zu dieser Zeit Mitglieder der Europäischen Königshäuser, Adlige und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Oberhaupt der Gruppe war General Maxwell, Master International Trainer Constancy Salon and the wealthy Egyptian businessman Mr. Cicurel.

Der Saal des “Cercle D’escrime Egyptien” © Egyptian Fencing Club

1931 übernahm Kronprinz Farouk die Schirmherrschaft über den Egyptian Fencing Club und der Club Name änderte sich in The Egyptian Royal Fencing Club. Seither ist Fechtsport fester Bestandteil als Sportart und in Ägypten etabliert.

Kronprinz Farouk (Mitte) © Egyptian Fencing Club

Zahlreiche ausgezeichnete ägyptische und europäische Fechter zählten zu den Mitgliedern. Club Master Trainer in den 30er Jahren war einer der besten französischen Fechter: Mr. De Baron. Ein weiterer war Mr. Lois Renaud, ebenfalls ein Franzose. Bis heute wird jährlich der „Cup Renaud“ ausgefochten. Ältere Generationen der Fechter des Clubs sprechen heute noch vom „Salle Salon“, wenn sie die Trainingshalle meinen. Und dank deren Einsatzes über all die Jahre erreichten viele Clubmitglieder auch international Top Ergebnisse. Als der vielleicht berühmteste Clubfechter Ägyptens gilt wohl Ahmed Hassanien Pasha (*31.10.1889, †19.2.1946), der als erster Ägypter 1920 in Antwerpen und 1924 in Paris an Fechtwettbewerben teilnahm.

Nach der Revolution 1952 wurde der Club geschlossen, da die Mitglieder beinahe ausschließlich aus dem Adel stammten; jedoch bald darauf wieder eröffnet. Das Wort „Royal“ allerdings strich man aus dem Clubnamen. The Egyptian Fencing Club gilt als Meilenstein in der Geschichte des Fechtens in Ägypten, Afrika und dem Mittleren Osten.