Der Aufenthalt Josephs im Gefängnis des Pharaos, im Heiligen Quran und in Thomas Brunners Drama

Der alte Jakob erhielt die erschütternde Nachricht vom Tode seines Gunstkindes Joseph und lebte in tiefer Trauer zu Hause in Kanaan. Joseph wurde nach dem Scheitern des Verführungsversuches durch seine Herrin, der Gemahlin Potiphars, auf Befehl Potiphars als Diener entlassen und ins Gefängnis des Pharaos geworfen. Er meinte, Joseph hätte seine Ehre verletzt. Der Heilige Quran beschreibt die Szene als Gottesgabe für Joseph mit dem Vers 6 der 12. Sure wie folgt:

Quran Vers 6 der 12. Sure

,,Und so wird dein Herr dich erwählen und dich etwas von der Deutung der Geschichten lehren und Seine Gunst an dir und an der Sippe Yaqūbs vollenden, wie Er sie zuvor an deinen Vätern Ibrāhīm und Isaaq vollendet hat. Gewiss, dein Herr ist allwissend und allweise. (Vers 6)

Im Gefängnis liegen die Gefangenen des Pharaos. Josephs Schicksal setzt sich im Gefängnis fort: Gott steht auf seiner Seite und Joseph wird durch den Gefängnismeister zum Aufseher über die Gefangenen ernannt und ist verantwortlich für alles, was im Gefängnis vor sich geht. Dazu gehören Träume zweier seiner Mitgefangenen, eines Bäckerjungen und eines Mundschenks. Der Bäckerjunge trägt in seinem Traum zwei Körbe Weißgebäck, von dem Vögel fressen. Der Mundschenk ist mit dem Pharao in seinem Garten. In der einen Hand hat er einen absonderlichen Weinstock mit drei Reben voll Trauben und in der anderen Hand den Becher des Pharaos, in den er ein wenig Rebensaft drückt und ihn dem Pharao in die Hand gibt.

Die beiden Diener wandten sich an Joseph, mit der Hoffnung und in der Überzeugung, er werde für sie ihre Träume aufrichtig deuten. Sie sahen in Joseph eine göttliche Begabung, da er aus einem Prophetenhaus stammte, dem Haus Abrahams, Isaaks und Jakobs. Joseph deutete den Traum des Schenken, er werde den Wein weiter pressen und den Beruf als Schenk des Pharaos weiter ausüben. Den Traum des Bäckers deutet er als Verurteilung zur Todesstrafe. Er werde an einem Holzbalken erhängt und die Vögel werden aus seinem Kopf Fleisch fressen. So lautet Vers 41:

Quran Vers 41

„Ihr Kerkergenossen! Der eine von euch wird seinem Herrn Wein zu trinken reichen, der andere wird gekreuzigt werden, und die Vögel werden von seinem Kopf fressen. Abgeschlossen ist die Deutung, um die ihr gebeten habt.“ (S. 41)

Thomas Brunners Drama schilderte die gesellschaftliche Lage Josephs im Gefängnis. Er sprach zu sich und wandte sich an Gott, der, nach seinem Glauben, der Allwissende ist. Joseph sprach ab und zu zu sich selbst:

„Mein Gott sieh an mich deinen Knecht / Du weist wie mir geschicht unrecht /.“ (S.43)

Im Gefängnis sprach zu ihm der Kerkermeister und fragte ihn neugierig nach diesem Gott, an den er so fest glaubt und den er um Hilfe gebeten habe.

„Lieber / wer ist denn dieser Gott? Den du anrüffst in deiner Not.“ (S.43)

Joseph antwortete ihm:

„Er ist der Gott / der alls vermag / Der geschaffen hat bey Nacht und Tag /
Den Himel und die gantze Erd / Mit manigerley Thierlein werdt....
Und wird mich auch verlassen nicht / Er kent mein Hertz und gros Unschuld.“
(S.43)

Der Kerkermeister bat ihn um etwas Geduld und bewunderte seinen Fleiß und seine Begabung. Sein Gott werde ihm behilflich sein und ihn nicht in Stich lassen. Er ernannte ihn zum Aufseher über die Gefangenen:

„Schweig stil / solst sein befohlen mir / Den Gwalt ich jetzt wil geben dir .../
Und trösten die Gefangnen mein / Weil du so hoch begabet bist... /
Da schaff und thue / was dir gefelt. Bist über alls von mir bestelt.“
(S.44)

Joseph erwiderte dankend dem Kerkermeister für seine Unterstützung sowie für sein Lob und seine Begünstigung:

„Gott lohne dich für deine güt / Und dich allzeit vor unglück bhüt /
Was du schaffst / thue ich williglich / Alls guten dich zu mir versich.“
(S.44)

Mit zwei Gefangenen des Pharaos, mit dem Schenken und dem Bäcker, führte Joseph ein Gespräch betreffend ihrer Angelegenheit. Die beiden berichteten ihm über ihre Träume. Der Schenke erzählte Joseph seinen Traum:

„Mir treumet in der letzten Wach/ Wie ich ein Weinstock vor mir sach/
Mit dreien Reben grün und zart/ Jede mit Trauben behenget ward.
Und ich hat Pharaons Pocal/ Drücket darein die Beer zumal/
Und trug dasselb dem König dar/ Wie ich zuvor gewonet war. ...“
(S.45)

Der Schenke erzählte Joseph, dass er vor Tagen träumte, dass er beim Pharao war und einen Weinstock trug und davon in einem Becher den Wein für seinen Genuss drückte: Joseph begann, den Traum des Schenken zu deuten. Joseph beglückwünschte den Schenken, und teilte ihm mit, er werde den Wein weiter pressen und sein Amt beim Pharao wieder erhalten. Joseph bat den Schenken, er solle nicht vergessen, dem Pharao seine Unschuld zu klären:

„Dein Traum sehr gut und glücklich ist / Gwislich wird dir dein Leben gfrist.
Die drey Reben deuten drey Tag / Darum ich dir warhafftig sag /
Als denn du wider kumpst zu Ehrn / Und gnad findest bey deinem Herrn /...
Derhalb wenn du wirst wider Schenck / Als denn meiner im besten gedenck /
Mein Unschuld Pharaon entdeck / Heimlich bin ich gestolen weck /
Aus der Hebräer Land bisher / Vergiss des nicht / ich bit dich sehr /
Kein böse hat mich hat hergebracht.“
(S.45 f.)

Danach kam der Bäckerjunge dran. Er erzählte Joseph seinen Traum:

„Diese Auslegung ist sehr gut / Und mich gleich selbs erfreuen thut /
Wil drauff erzälen meinen Treum / Gott wöl / das er mir sey genem.“...

Joseph deutete:

„So sag nur an / ich hör den gern / Deutet er guts / ich dichs auch lern.“ (S.46)

Der Bäcker erzählte, dass er zwei Körbe Weißgebäck auf seinem Kopf trug, von dem Vögel fraßen:

„Ich lag im Schlaff / und kam mir vor / Wie ich trüg auff dem Haupt entpor /
Drey weisse Körb. Im ersten lag / Gebackne Speis / hör was ich sag /
Die Vogel wischten immer her / Nach der Speis sie verlanget sehr.“
(S.46)

Joseph tröstete den Bäcker, denn sein Traum bedeutete, dass er mit dem Tode bestraft werde:

„Der Schenck erhöhet wird zu Ehrn / Du wirst schendlich erhencket werdn /
Nach dreien Tagn / darauff gedenck.“
(S.46)

Dem Bäcker blieb nichts übrig. Er erwartete den Henker des Pharaos:

„Wenn nur die Zeit vorhanden wer / Zu leben ich nicht mehr begehr.“ (S.47)

Der Schenk war ihm sehr dankbar und Joseph ließ ihn wissen, dass er von ihm wünsche, dass er bei seinem Herrn, dem Pharao, ein Wort zu seinen Gunsten spreche, damit er aus dem Gefängnis komme, da er unschuldig im Gefängnis verweile und er seine Unschuld beweisen sollte. Der Schenk hat nach seiner Entlassung diese Bitte vergessen und nicht weiter vermittelt, und daher verweilte Joseph noch einige Jahre im Gefängnis. Während dieser Jahre erlebte der Pharao einen schrecklichen Traum. Die fachkundigeren Traumdeuter und sogar die Zauberer im Lande konnten den Traum nicht deuten. Da erinnerte sich der Schenk an die Bitte Josephs. Er ging zu ihm. Nachdenklich erwiderte Joseph dem Schenken, er müsse zu seinem Herrn zurückkehren und ihn fragen, wie es mit den Frauen stehe, die sich ihre Hände zerschnitten. Sein Herr wisse doch über ihre List Bescheid. Josephs Wunsch wird vom Pharao erfüllt. Er ging mit dem Schenken, um den schrecklichen Traum zu deuten.

Muhammad Abu Hattab Khaled

Muhammad Abu-Hattab Khaled, geb. 1937 in Abnub, Assuit, Oberägypten
Fachgebiete: Deutsch als Fremdsprache, Sprachwissenschaft, Literatur-wissenschaft, Übersetzungswissenschaft und Komparatistik
1973 Dr. phil. der Universität Leipzig
1982–89 Dekan der Sprachen- u. Übersetzungsfakultät der Al-Azhar Universität
1997–2002 Dekan der Al-Alsun Fakultät an der Al-Minia Universität.
1983 Grimm-Preisträger
1984 Bundesverdienstkreuz 1. Klasse für sein Engagement im Bereich der Germanistik als Forscher, Verfasser und Übersetzer

In Heft 1 – 2014/2015 „Mit Köpfchen“ stellte Dr. Bernd Landmann erstmals Prof. Muhammad Abu-Hattab Khaled in seinem Artikel „Martin Luther und der Islam“ vor. Anschließend stellte dieser Papyrus seine Studien zur Geschichte von Joseph und seinen Brüdern im Alten Testament, im Koran und in der europäischen Literatur zur Verfügung.