Genau in die Mitte der befestigten Stadt Kairo ließ Sultan Qansuh al-Ghuri wenige Jahre nach dem Antritt seiner Herrschaft um 1504 eine prächtige Moschee mit Grabstätte bauen. Die Moschee im Herzen Kairos setzte ihm ein bleibendes Denkmal, doch seine Grabstätte blieb leer.
Sultan Qansuh al-Ghuri war ein umstrittener Herrscher. Einerseits war er als grausamer und willkürlicher Despot gefürchtet, andererseits galt er als feingeistiger Förderer von schönen Künsten und insbesondere der Architektur.
Die herrschenden Mamluken wählten im Jahr 1501 al-Aschraf Qansuh II. al-Ghuri zum Sultan. Es war eine Zeit, in der das Land am Nil immer mehr im Chaos versank. Anarchie machte sich breit.
Blick von der Al-Ghuri-Moschee auf das mittelalterliche Kairo © Dagmar Klementa
Prunkvolle Handelsstadt des Mittelalters
Die Mamluken hatten seit 1250 Ägypten regiert und unumschränkt im Land geherrscht. Nachdem die kämpferische Kriegerkaste 1260 einen glorreichen Sieg gegen die Mongolen errungen hatte, wurde Kairo ein mächtiges Handelszentrum und eine Weltstadt. „Alle Reisenden, die das Kairo jener Zeit beschreiben, sprechen mit Bewunderung von der Stadt und scheinen die Unordnung und die Aufstände, die das Leben der Bevölkerung erschweren, nicht zu bemerken“, schreibt Oleg V. Volkoff in seinem Buch „1000 Jahre Kairo. Die Geschichte einer verzaubernden Stadt“. Volkoff sieht für den Wohlstand des Landes vor allem zwei Gründe. Zum einen waren manche Mamlukenfürsten bedeutende Staatsmänner, die neben ihrer Schönheitsliebe auch einen ausgesprochenen Sinn für die praktischen Belange besaßen. „Während sie anmutige Minarette bauten, befassten sie sich gleichzeitig mit der Lösung von wirtschaftlichen und sozialen Problemen.“ Der zweite Grund für den Wohlstand Kairos unter den Mameluken war rein handelspolitischer Natur. Es gelang ihnen, „den ganzen Handel der Levante an sich zu ziehen und nach Kairo zu leiten. Ebenso planmäßig machten sie sich den Handelsverkehr zwischen Indien und Europa zunutze. Diese kluge Politik sollte den Grund legen für den großen Reichtum der Kairener im Mittelalter“, so Volkoff.
Es war eine Zeit, in der immer mehr Europäer in das Land kamen, vor allem christliche Pilger, die das Heilige Land besuchten und dabei auch durch Ägypten reisten. Oft staunten sie über das Leben in der Großstadt Kairo.
Einer von ihnen war der Ulmer Dominikanermönch Felix Fabri, wahrscheinlich 1441 oder 1442 in Zürich geboren. Er reiste 1483 nach Kairo, in die in seinen Augen „größte, den Erdkreis mit Ehrfurcht erfüllende Hauptstadt“. Der Mönch berichtet von Moscheen, die oft kostbar mit glänzendem farbigem Marmor innen und außen verziert sind, und von deren Minaretten, an denen Lampen aufgehängt sind.
„Bei Sonnenuntergang werden sie angezündet. An einem Turm hängen mehr, am anderen weniger solcher Lampen, einmal 40, einmal 60, dann 20, je nachdem, wie die einzelne Moschee ausgestattet ist“, berichtet Fabri. Und er fügt hinzu: „Aber es brennen bei Nacht in dieser Stadt so viele Lampen an den Türmen und in den Moscheen, dass sie in fast allen Gassen zur Beleuchtung ausreichen und die Dunkelheit vertreiben, nachts scheint vor der Menge der Lichter die Stadt selbst zu brennen. Ich bin einmal auf den Söller des Hauses gestiegen und war geradezu erschrocken über dieses maßlose Lampenbrennen. Mit Recht sagen erfahrene christliche Männer, die dies sahen, dass kein König in der Christenheit, wer es auch sei, in einem Jahr das Öl aus seinen Einkünften bezahlen könnte, das in dieser Stadt in den Lampen verbraucht wird.“
Innenraum der Al-Ghuri-Moschee © Jürgen Sorge
Der Seeweg nach Indien – neue Handelswege
Doch der Wohlstand und die herausragende Stellung der Stadt wurden immer mehr bedroht. Verheerende Folgen für den Handel in Ägypten hatte die Entdeckung des Portugiesen Vasco da Gama. 1497/98 gelang ihm die Umsegelung Afrikas um das Kap der Guten Hoffnung. Die Europäer konnten jetzt auf dem Seeweg nach Indien gelangen. Die seit Jahrhunderten bestehenden Handelswege von Indien durch das Rote Meer und Ägypten nach Europa verloren an Bedeutung.
Auch im Roten Meer trieben nun europäische Schiffe ihr Unwesen. Im Jahr 1506 beziffert der Ägypter Ibn Iyas deren Zahl auf über zwanzig. Mit Grausen berichtete der Chronist, wie sie Schiffe indischer Kaufleute überfallen, so dass feine Stoffe und Schleier in Ägypten und anderswo kaum noch zu haben sind.
In Istanbul übernahm 1512 nach dem Tod des Sultans Bayezid sein tatkräftiger Sohn Selim die Herrschaft. Er warf begehrliche Blicke auf irakische und syrische Gebiete, auch auf Ägypten.
Sultan al-Ghuri soll Ordnung schaffen
Der inzwischen um die 60 Jahre alte Qansuh al-Ghuri übernahm die Herrschaft nur mit Widerwillen. Ibn Iyas schildert, wie ein hanbalitischer Qadi die Absetzung von Adil Tuman vom Sultanat protokollierte. Daraufhin erschienen der schafiitische und der hanafitische Qadi und vollzogen die Huldigung für Qansuh. Auch der Kalif huldigte ihm.
„Dann wurden ihm die Insignien der Herrschaft gebracht, nämlich der schwarze Mantel und der schwarze Turban, und ihm angelegt – all das, während er sich weiter weigerte und weinte! Man gab ihm den Namen al-Malik al-Aschraf und den Beinamen Abu’n Nasr … dann brachte man ihm ein Paradepferd mit goldenem Sattel und Schabracke, und er ritt von der Harraqa-Treppe am Kettentor los. Qait ar-Radjabi trug den Schirm mit dem Vogel über seinem Haupt und war damit Kandidat für das Amt des Atabegs. Der Kalif ritt zur Rechten des Sultans, und die Emire gingen in Galauniform vor ihm, bis sie zur Geheimtür des großen Schlosses kamen, und dort setzte er sich auf den Thron“, beschreibt Ibn Iyas in seinen „Alltagsnotizen eines ägyptischen Bürgers" die Ernennung al-Ghuris zum Sultan.
Eine Moschee - so luftig, herzerfreuend und lieblich wie ein Lustschloss
Der neue Sultan al-Ghuri brachte zunächst ein wenig Ruhe in das von Aufruhr aufgewühlte Land und errichtete in unmittelbarer Nähe der Azhar seine Moschee. Ibn Iyas berichtet: „Am Freitag, dem Beginn des Monats [Rabi’ II 909 d. H. (23. September bis 21. Oktober 1503 n. Chr.)], wurde die Freitagspredigt in der Moschee des Sultans gehalten, die er in Sharabischiyin erbaut hatte. Nun war sie fertig und war überaus schön dekoriert. Er hatte ihr ein Minarett mit vier Spitzen gegeben - er war der erste, der so etwas machte. Die Arbeit an der Madrasa gegenüber der Moschee war auch abgeschlossen ... Der erste, der in dieser Moschee predigte, war der schafiitische Oberqadi von Damaskus, Schihabi Ahmad ibn Farfur. ... Der Sultan verlieh an diesem Tag dem Oberqadi 'Abdul Barr ibn Schihna ein Ehrenkleid, weil er das Urteil abgegeben hatte, dass in dieser Moschee die Freitagspredigt rechtmäßig gehalten werden könnte. Er verlieh ein großartiges Ehrenkleid an Inal, dem Aufseher des Baus ... und gab jeden einzelnen Arbeiter 1.000 Dirhem“, so der Chronist.
Zwei Jahre später kommt der Chronist noch einmal auf die Moschee zu sprechen: „In diesem Monat [Djumada I 911 d. H. (30. September bis 29. Oktober 1505 n. Chr.)] neigte sich das Minarett der Moschee des Sultans im Scharabischiyin-Viertel, und als es einen Riss zeigte und nahe daran war, einzustürzen, befahl der Sultan, es abzureißen, denn es war oben zu schwer, weil es vier Spitzen hatte. Nachdem es abgerissen war, wurde es besser wieder aufgebaut, denn der obere Teil wurde aus Ziegeln erbaut und diese dann mit blauen Fliesen bedeckt.“
Zu den Bewunderern der Moschee zählt auch der Türke Evliya Çelebi, der sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts für längere Zeit in Kairo aufhielt. Weil sie später als andere Moscheen erbaut wurde, konnte der perfekte Architekt von jeder einen Kunstgriff abschauen, bemerkt Çelebi und schreibt weiter:
„Das hat dieser schlaue Architekt denn auch getan und bei diesem Bau seine ganze Kunstfertigkeit unter Beweis gestellt. Im ganzen Gebäude passen die herrlichen, mit Flammenmustern versehenen Marmorplatten an den Wänden so genau zueinander, dass nicht einmal eine Mücke ihren Fuß dazwischensetzen könnte, aber auch die Platten, mit denen der Fußboden ausgelegt ist, sind so genau aufeinander abgestimmt, dass man sie auch bei genauer Betrachtung für ein einziges Stück hält! Die gleiche Präzision findet man höchstens noch bei den Marmorplatten im Pavillon des Palastes des Guri. Weil diese Moschee auf dem Guri Carsusi (Guri-Markt) genau im Zentrum von Kairo steht, besitzt sie eine überaus zahlreiche Gemeinde. Nach dem Gebet freilich werden ihre Tore wieder verschlossen – nur so kann man die Moschee vor den ägyptischen Fellachen schützen, sonst verwandelt sie sich jedesmal, wenn sie geöffnet wird, in ein gewaltiges Gästehaus, weil sie gar so luftig, herzerfreuend und lieblich wie ein Lustschloss ist.“
Al-Ghuri-Moschee © Sailko CC BY 3.0
Ein Grab fern der Heimat
1516 musste der betagte Sultan in den Krieg gegen die Türken ziehen. Bei Mardj Dabiq, nördlich der syrischen Stadt Aleppo, trafen die Ägypter auf das Heer von Sultan Selim. „Ja, es war ein Tag von Gottes Zorn, der sich über Ägyptens Soldaten ergoss, und ihre Hände waren wie gefesselt, so dass sie nicht mehr kämpften“, schreibt Ibn Iyas. Die Mamluken, die kaum Feuerwaffen besaßen, waren der modern ausgerüsteten türkischen Armee unterlegen. Sultan al-Ghuri starb während der Schlacht. Auf dem Schlachtfeld fand sich jedoch keine Spur des Sultans. Seine letzte Ruhestätte in Kairo blieb leer.
„Sein Leichnam tauchte nicht unter den Gefallenen auf – als hätte die Erde sich aufgetan und ihn sofort verschlungen“, notiert Ibn Iyas. „Es ist seltsam, dass er nicht in seiner Madrasa begraben wurde, für die er rund 100.000 Dinar ausgegeben hatte, sondern in die Wildnis geworfen wurde, wo ihn Wölfe und reißende Tiere fraßen! Aber das Allerseltsamste ist, dass der Eunuch Mukhtass, der die Fundamente von al-Ghuris Madrasa gelegt hatte und dem er sie während der Konfiskation gewaltsam abgenommen hatte, ihn gebeten hatte, ihm doch in der Madrasa einen Platz zu überlassen, wo er begraben werden könnte. Aber al-Ghuri verweigerte ihm das, und nun verweigerte Gott ihm ein Begräbnis in seiner Madrasa."
Reichlich fünf Monate nach der vernichtenden Niederlage in der Ebene von Mardj Dabiq drang das türkische Janitscharen-Heer über die Moqattamberge in Kairo ein. Ägypten wurde türkische Provinz. Unter der Oberhoheit der Türken blieben die Mamluken jedoch für weitere fast 300 Jahre die Herrscher im Land.
Markt vor der Al-Ghuri-Moschee heute © Frank Schulenburg CC BY 3.0
Jürgen Sorge ist Autor und Herausgeber u.a. von: Die Moscheen von Kairo. Ein Lesebuch. Engelsdorfer Verlag 2011