Kein Wölkchen hängt am Himmel. Der Planet ballert, wie man in meiner Heimat Sachsen-Anhalt sagen würde. Die Sonnenstrahlen piksen buchstäblich die Haut. Schweißbächlein rinnen unter T-Shirt, Hose und Haaren. Alles klebt. 40 Grad, kein Lüftchen weht und es ist gerade mal 7.30 Uhr. Das ist April-Wetter in Sifah, rund 30 km südlich von Maskat, der Hauptstadt des Sultanats Oman. Zwar sitzt mein Neopren zunächst am Körper wie heißes Gummi. Doch meine Vorfreude auf die kommenden Tage und die zwölf Tauchgänge rund um Bander Kairan und die Daymaniyat-Inseln vermag die sengende Hitze nicht zu trüben.

Auf geht´s! Mit 50 Knoten fliegt das Speed-Boot quasi zur „Mermaid´s Cove". 30 Minuten dauert die Fahrt. Kurzer freier Fall rücklings von der Bordwand, 15 Meter abtauchen und ich schwebe. Unter mir ein Garten. Neben einer Kolonie gelber Weichkorallen, die mich ein wenig an Kutteln erinnern, haben sich lila Hohltiere angesiedelt. Diese Farben! Diese Größe! Meine Pupillen weiten sich. Mein Herz hopst vor Aufregung. Und es soll nicht der letzte Hopser sein.

Gestreifte Korallen-Shrimps © Volker Teufel

Groß, viel, artenreich

Das nährstoffreiche Wasser im Golf von Oman lässt Muränen, Rochen, Sepia, Schildkröten, Fischschwärme, Schnecken, Schrimps und Korallen prächtig gedeihen. In jedem Winkel der Steilwände hockt wahrscheinlich ein Bewohner und einige bringen es zu gigantischer Größe, wie die Schildkröten in „Turtle City". Ich hätte das Urtier fast übersehen. Denn nach einem Panzer von über einem Meter Durchmesser hielt ich wahrlich nicht Ausschau. Sekundenlang stiere ich in die Richtung, in die mein Tauchpartner weist, sehe viel grün und etwas schwarz-weiß geflecktes, einem übergroßen Sichelblatt ähnlich, das sich minimal bewegt. Ich bin bereit aufzugeben. Ein vermeintlich so kleines Kriechtier in den Korallen zu orten, scheint mir die Mühe nicht wert. Mit einem kleinen Flossenschlag bringe ich mich einen Meter weiter oben in Position für den Abmarsch. Ich linse ein letztes Mal, mein Herz hopst. Da liegt der Koloss, rupft Seegras und schlingt es Stück für Stück hinunter.

Giganten mit Stachel

Gigantisch groß war auch der Stachelrochen am Grund von Ras Abu Daub. Friedlich schlummerte das Tier zwischen den Steinen. Ich hielt gebührend Abstand, denn Stechrochen haben spitze giftige Stacheln auf ihren Schwänzen, die sie wie Peitschen nutzen, um Attacken abzuwehren. Deshalb gilt: Schlafende Rochen soll man nicht wecken. Folglich ließ ich auch den gewaltigen Federrochen im „Aquarium", einem Tauchspot an den Daymaniyat-Inseln, weiterträumen und genoss den Anblick aus sicherer Entfernung. Die Riffe und Felswände rund um die Inseln zählen zu den schönsten an der Omanischen Küste. Korallen bedecken fast drei Viertel der Routen. Mitunter lassen sich hier sogar Walhaie beobachten. Reichlich Plankton lockt die hungrigen Meeressäuger und teils kräftige Strömung sorgt für Wal-wohlfühl-Wassertemperaturen.

Königlicher Truppentransporter

Fürs Wracktauchen konnte ich mich bislang nicht erwärmen. Denn die gesunkenen Schiffsrümpfe sind immer auch Zeugnisse einer Katastrophe und ihrer Opfer. Glücklicherweise trifft das auf die „Al Munassir" nicht zu. Der ehemalige Truppentransporter der königlich-omanischen Marine wurde 2003 als künstliches Riff im Golf von Oman versenkt. Auf der Brücke, in den Ladeluken und im Maschinenraum driften nun Fischschwärme in Reih und Glied. Korallen haben die Reling besetzt, und auf dem Hubschrauberdeck führt eine Netzmuräne das Kommando.

Unberührte Natur

Die Riffe und Steilwände rund um Sifah sind nahezu unberührt. Denn Massentourismus oder Schnäppchen-Reisen weiß das Sultanat zu verhindern. Die Boote der „Extra Divers" sind meist die einzigen vor Anker. Ab und an kommen ein paar Fischer vorbei, um das Terrain abzustecken. Sie genießen großzügige Fangrechte an Omans Küsten und legen mitunter nah an den Tauchplätzen ihre Netze aus. Taucher genießen zwar Gastrecht, aber wenn es um den Fisch geht, hört der Spaß schlicht auf.

Golf von Oman - trotz Rotem Meer vor der Tür eine Reise wert?

Ich finde, die Frage ist ein bisschen kniffelig, denn gerade einmal 98 Tauchgänge stehen in meinem Logbuch. Aber ich bin an einigen der schönsten Plätze in der Andamanischen See sowie im Indischen Ozean rund um die Malediven abgetaucht, wohne vom Golf von Akaba und Roten Meer nur eine Flugstunde entfernt. So traue ich mir ein Urteil zu: Die zwölf Tauchgänge rund um Sifah waren toll, trotz Algenteppich und Sichtweiten teils unter fünf Metern. Ich beherzigte den Tipp: Konzentrier dich auf den Nahbereich! und wurde reich belohnt. Denn dort recken Moränen ihre Köpfe aus Korallen, Kugelfische geistern herum, Fischschulen ziehen ihre Bahnen, Rochen verstecken sich im Sand, Baby-Kaiser-Angelfische schwimmen Salto und ein Sepiaschwarm ließ mir das Wasser auf der Zunge zusammenlaufen.