Vom Traum zur Realität
Schon beim Vorbeifahren war ich immer wieder fasziniert, heute endlich besuche ich ein einzigartiges und eines der aufregendsten Gebäude in ganz Ägypten: den markanten Palast des Baron Empain in Heliopolis. Einige dunkle, schauerliche Geschichten sollen sich auch um das Herrenhaus ranken!
Die Anreise ist ziemlich einfach, direkt an der Salah Salem - der Autobahn zum Internationalen Flughafen Kairo - gelegen, Parkplätze gibt es vor dem Haupteingang. Oder Sie sind abenteuerlustig und fahren mit der Metro bis zur Station Al Ahram der grünen Linie.
Angekommen, scheint es, als wäre das Gebäude geradezu einem Märchen entsprungen: majestätisch, ein wunderbares architektonisches Meisterwerk, elegant, umgeben von einem großen Garten.
Das imposante Eingangsportal©Diana Paw
Dieser mehr als 100 Jahre alte Hindu-Palast wurde seit den 1960er Jahren lange Zeit dem Verfall preisgegeben, und erst im Juli 2020 nach der Restaurierung durch die ägyptische Regierung öffnete er zum ersten Mal seine Türen für die Öffentlichkeit.
Der Erbauer Édouard Louis Joseph Empain (1852-1929) stammte aus einer reichen belgischen Industrieellenfamilie. Der Adelstitel Baron wurde ihm vom damaligen französischen König als Anerkennung für seine Bemühungen beim Aufbau der Pariser Metro verliehen, wo er ein angesehener Ingenieur war. Nach seinen zahlreichen Reisen um die ganze Welt suchte er eine Residenz, ein luxuriöses Zuhause für sich und seine Familie. Als Hobby-Ägyptologe wählte er einen Ort in der Wüste außerhalb Kairos, das heutige Heliopolis, 20 km nordöstlich von Kairo. Hier errichtete er auch 1894 die erste Straßenbahnlinie und gilt seither als Pionier der elektrischen Eisenbahn.
Der Baron starb 1929 in Belgien und wurde nach seiner Überführung in der Heliopolis-Basilika bestattet.
Drachenähnliche Kreaturen bewachen das Gebäude©Diana Paw
Die glorreiche Geschichte des Palastes im Herzen von Heliopolis begann 1904 als der Baron wegen eines Eisenbahnprojektes nach Ägypten kam. Der Bau des Gebäudes dauerte von 1907 bis 1911. Für den sehr spektakulären Hindu-Khmer-Architekturstil, eine Mischung aus Jugendstil und orientalischem Stil, engagierte der Baron den französischen Architekten Alexandre Marcel. Empain beauftragte Marcel auch mit der Beteiligung am Bau seiner neuen Stadt Heliopolis. Das Innere des Palastes wurde von Georges-Louis Claude entworfen und dekoriert.
Nach dem Tod des Barons im Jahr 1929 begann der Palast mit der Zeit zu verfallen. Erst nach langen Jahren der Vernachlässigung und des Vandalismus stellte die ägyptische Regierung das Gebäude unter Denkmalschutz. Ab 2006 wurde es einem umfassenden Restaurierungsprojekt unterzogen, bis es 2020 erstmals seine Türen für die Öffentlichkeit öffnete.
Inspiriert von den Hindu-Tempeln in Asien, erstreckt sich der Palast auf über 12.500 Quadratmetern. Das Wohnhaus besteht aus dem Keller, in dem sich die Dienstbotenunterkünfte, die Küche und der Lagerraum befanden, dem Erdgeschoss mit den Empfangsräumen und dem ersten Stock, der die vier privaten Wohnräume und ein Badezimmer beherbergte, sowie dem Dachgeschoss.
Im Inneren finden Sie heute eine Ausstellung, eine große Sammlung von Archivfotos, Karten, Plänen sowie offiziellen Briefen, Korrespondenz und Dokumenten zur Palastvergangenheit und ihren Legenden sowie zur Geschichte von Heliopolis.
Ein prächtiger Kronleuchter im Treppenhaus©Diana Paw
Über eine atemberaubende Wendeltreppe aus Marmor und Holz mit dem Blick auf einen wundervollen Kronleuchter, gelangt man auf die Terrasse.
Wunderbare Aussicht vom Dach auf Heliopolis©Diana Paw
Bei dieser wunderschönen Aussicht vom Dach genieße ich den bezaubernden Panoramablick – ein leckerer Tee wäre jetzt ideal! Auch beschäftige ich mich mit der Frage an meinem Lieblingsort: Wie viele rauschende Feste mögen hier schon stattgefunden haben?
Mir gefallen auch die reichen, sehr verschnörkelten Verzierungen, Elefanten, Löwen, Drachen sowie Statuen im indischen und buddhistischen Stil sowie die hinduistischen Gottheiten.
Der Palast sieht nicht nur so aus, als ob er direkt einem Märchen entsprungen wäre, es ranken sich nach so langer Zeit auch Gruselgeschichten um dieses Gebäude. Es wird sogar behauptet, dass es hier Geister ihr Unwesen treiben sollen. Sind sie neugierig geworden?
Im Untergeschoss sollen sich mehrere Geheimgänge und Räume befinden. Angeblich gibt es einen unterirdischen Gang zur nahegelegenen Heliopolis-Basilika. Man erzählt sich beispielsweise Geschichten vom Rosa Zimmer, einem verzauberten Raum, zu welchem niemand Zutritt hatte. Dieses Zimmer, das zum geheimen Tunnel führte, verband den Palast mit der ca. 200 m entfernten Basilika.
Es wird angenommen, dass Empain Freimaurer war und magische Rituale in seinen Räumlichkeiten abgehalten habe. Haben diese Rituale tatsächlich Geister in den Palast gelockt?
Es hält sich das Gerücht, dass der ikonische Turm des Gebäudes eine um 360° drehbare Basis hatte, damit der Baron sein Heliopolis überblicken konnte. Andere behaupteten, dass er sich drehte, um der Sonne zu folgen.
Sie erinnern sich an die beschriebene atemberaubende Wendeltreppe? Nun, man geht davon aus, dass diese Treppe, die zum Dach führt, der Grund dafür war, dass Empains Ehefrau Helena in den Tod stürzte. Aber das ist nicht die einzige mysteriöse Todesgeschichte im Baron-Palace! Gerüchten zufolge wurde Mariam, die Tochter des Barons, tot im Lastenaufzug aufgefunden, der die Küche im Keller mit dem Esszimmer verband. Andere Geschichten besagen, dass Mariam eine heimliche Affäre mit einem der Diener hatte und dass es sich hierbei um nichts anderes als einen Selbstmord handelte.
Auch seine Schwester fand hier unter mysteriösen Umständen den Tod. Sie starb beim Sturz vom Balkon, und es wurde spekuliert, dass Empain sie nicht retten konnte. Was zur noch offenen Frage führt: Was hat es mit dem mysteriösen Tod vom Baron Empain auf sich?
Also eine Reihe unglaublicher Gruselgeschichten, Tragödien und Legenden von seltsamen Vorkommnissen, Theorien, Geisterspekulationen bis hin zu übernatürlichen Stimmen!
Vernachlässigt und verlassen stand das tempelartige Gebäude Jahrzehnte lang leer und wurde von Fledermäusen und streunenden Hunden bewohnt. Man erzählt sich, dass Satanisten ihre Messen und Orgien darin gefeiert haben sollen.
Mein nächster Stopp hier ist definitiv in der Nacht, da dann der Palast seine volle Schönheit entfaltet! Er wirkt dann schauerlich geheimnisvoll und man ist geneigt, den Legenden, die sich um den Palast ranken, zu glauben.
Mit meiner Tour bin ich fertig und zum Glück gibt es in Heliopolis, der „Stadt der Sonne“, viele Cafés und beliebte Restaurants. Nutzen Sie die Gelegenheit für einen Spaziergang durch das bezaubernde Viertel Heliopolis – einst errichtet mitten in der Wüste, wo Empains Traum Wirklichkeit wurde.
Der Palast des Barons ist ein einzigartiges und aufregendes Gebäude. Wenn Sie nach etwas Besonderem auf Ihrer Reise in Kairo suchen, sich für Kunst, Geschichte, Architektur und Kultur interessieren, dann werden Sie den Besuch nicht bereuen.
Also – wenn Sie in der Gegend sind, die vor Kurzem eröffnete Sehenswürdigkeit in Kairo wartet auf Sie!