Jeder kennt sie, die ägyptischen Pyramiden: Die Pyramiden von Gizeh gelten als das siebte Weltwunder, als antike Bauwerke ebenfalls sehr bekannt sind Sakkara, Dahshur, die Knickpyramide und Abu Sir sowie - zumindest unter Ägyptenfans - noch Dutzende andere dieser altägyptischen Grabmäler. Weitgehend unbekannt und abseits der Touristenpfade in Ober- und Mittelägypten gelegen sind jedoch sieben sogenannte Provinzpyramiden.

Die Pyramide von Elephantine

Auf der Nilinsel Elephantine bei Assuan befindet sich die südlichste dieser Pyramiden. Sie ist die einzige, die aus Granit erbaut wurde. Man findet diese Pyramide südlich des Nubischen Dorfes und etwa 120 Meter nordwestlich der Siedlung des Alten Reichs. Mit einer Basis von 23,7 Metern und einer errechneten Höhe von 12,7 Metern war die Pyramide nicht zu übersehen.

Die Pyramide von Elefantine ist die südlichste in Ägypten©Stefan Gerke

Wie auch bei den meisten anderen Provinzpyramiden wurde später von Grabräubern ein Gang angelegt, um in das Innere des Bauwerks zu gelangen. Doch ihre Enttäuschung muss groß gewesen sein, denn diese Pyramide war massiv gebaut und wies keine Hohlräume auf.

Überreste der Pyramide von Elefantine©Stefan Gerke

Ein bei einer Grabung in unmittelbarer Nähe der Pyramide gefundener Kegel wies die Inschrift „Palast des Kopfbandes von Huni“ auf. Nimmt man diesen Kegel als Grundlage, so lässt sich die Pyramide von Elephantine in die späte 3. Dynastie datieren, denn Pharao Huni regierte von 2602 bis 2578 v. Chr.

Kegel des Pharaos Huni (2602 bis 2578 v. Chr.)©Stefan Gerke

Zwei weniger bekannte, aber besser erhaltene Pyramiden dieser Art liegen weiter nördlich.

Die Pyramide von Edfu-Süd

Von Süden aus kommend liegt die zweite Provinzpyramide etwa 5 km südlich der Stadt Edfu und nördlich des Dorfes Nag el-Ghenimiya unmittelbar am Wüstenrand.

Aufnahme der Edfu-Pyramide im Jahre 2006. Von der Stufenpyramide ist die Grundstruktur erkennbar©Stefan Gerke

In den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts arbeitete der französische Zeichner und Ägyptologe Legrain auf dem großen prädynastischen Friedhof von Nag el-Ghenimiya. Bei seinen Ausgrabungen im Jahr 1894 stieß er auf einen nahegelegenen Hügel, den er als Pyramide identifizierte und in einem Bericht erwähnte. Auch der Ägyptologe Weigall erkannte in diesem Hügel eine Stufenpyramide, was er 1910 dokumentierte. Danach geriet die Pyramide von Edfu-Süd für lange Zeit in Vergessenheit.

Die Edfu-Pyramide von Süden gesehen©Stefan Gerke

Erst 1980 erwähnte der damalige Inspektor der Altertumsverwaltung von Edfu, Mohamed Ali, in einem Gespräch mit den Ägyptologen G. Dreyer, W. Kaiser und N. Swelim die Pyramide. Eine darauffolgende Untersuchung ergab, dass diese Stufenpyramide den bisher bekannten Provinzpyramiden in Größe und Bauweise ähnelt. 2011 grub das Oriental Institute of Chicago (OIC) die Pyramide aus und restaurierte sie.

Eine Vermessung ergab, dass die Pyramide eine Grundfläche von 18,45 x 18,50 m hatte, während ihre ursprüngliche Höhe auf etwa 13 m geschätzt wird. Gebaut wurde die Pyramide auf einem Sandsteinbett mit Sandsteinblöcken; die der untersten Lage sind behauen. Alle Steine der dreistufigen Pyramide wurden mit Lehmmörtel verbunden. Die OIC-Grabung ergab, dass die Steine in einem etwa 800 m nördlich gelegenem Steinbruch geschlagen wurden.

Die Edfu-Pyramide ist aus Sandsteinblöcken erbaut©Stefan Gerke

Eine Untersuchung der in großen Mengen vorhandenen Tonscherben stellte fest, dass 68 % in die 3. bis frühe 4. Dynastie zu datieren sind, die übrigen stammen aus der koptischen und islamischen Periode. Diese Beobachtung ist ein weiterer wichtiger Anhaltspunkt für die Datierung der Provinzpyramiden. Die Bevölkerung von Nag el-Ghenimiya zeigte sich jedoch erstaunt, dass es sich eindeutig um ein pharaonisches Bauwerk handelte, sie vermuteten unter dem Hügel das Grab eines islamischen Heiligen.

Die Pyramide von el-Kula

Die Stufenpyramide von el-Kula liegt etwa 25 km südlich von Esna und nördlich von Edfu am Fruchtlandrand.

Die el-Kula-Pyramide in südlicher Ansicht©Stefan Gerke

Das Monument wird erstmalig 1842 von den Briten Major Howard Vyce und Ingenieur John Shae Perring beschrieben. Im Februar 1882 besuchten die Ägyptologen Gaston Maspero, Emile Brugsch Pascha, E. Naville und Charles E. Wilbour vom Brooklyn Museum die Pyramide. Unter der Anleitung von Maspero und Brugsch Pascha wurde eine Bresche in die Westseite der Pyramide gegraben, nur um festzustellen, dass auch hier keine Grabkammer angelegt worden war. Der Ägyptologe Jean Capart legte die Stufenpyramide schließlich in den Jahren 1945-1946 frei.

In der Saison 1962/1963 vermaßen und dokumentierten die Ägyptologen Dreyer, Kaiser und Swelim die Pyramide von el-Kula. Ein zentraler Kern ist von zwei Ummantelungen umgeben, die dreistufige Pyramide wurde mit unterschiedlich großen behauenen Kalksteinen gebaut, die mit einer Mörtelmischung verbunden sind. Bei einer Basislänge von 23,6 m ergab sich eine ursprüngliche Höhe von etwa 11,5 m.     

Die Kula-Pyramide von Westen©Stefan Gerke

Es ist bemerkenswert, dass nicht die Seiten, sondern die Ecken der Pyramide nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet sind. Die Ostseite der Pyramide verläuft parallel zum Nil, der hier nach Nordwesten fließt.

Heutzutage befindet sich das Monument in einem recht guten Zustand, weswegen die Pyramide von el-Kula heutzutage auch als die am besten erhaltene Provinzpyramiden gilt.         

Die Pyramide von Tuch

Weiter in Richtung Norden liegt die Kleinstadt Naqada, die durch ihre Spinnereien und Webereien bekannt ist. Sieben Kilometer nördlich davon befindet sich der Ort Tuch. Hier findet man zwischen dem Fruchtland und der von Luxor nach Qena führenden Straße eine zum größten Teil zerstörte Pyramide. Für ihren Bau brach man aus einem nahegelegenen Kalksteinbruch Steine und verband diese mit einer außergewöhnlich stark aufgetragenen Mörtelmischung.

Tuch-Pyramide westliche Ansicht©Stefan Gerke

Dadurch, dass in der Antike Grabräuber einen Stollen gruben und in der Neuzeit Anwohner Steine für ihren Hausbau entwendeten, fehlt ein großer Teil des Bauwerks und man kann das Innere betreten.

Blick in das Innere der Tuch-Pyramide©Stefan Gerke

Der benachbarte kleine Steinbruch wurde in vermutlich römischer Zeit genutzt, um dort Schachtgräber anzulegen.

Die Sinki-Pyramide

Einer der interessantesten Tempel Ägyptens liegt in der Provinz Sohag, nämlich der von Sethos I. erbaute Tempel von Abydos. Fährt man vom Tempel aus gesehen etwa sechs Kilometer in Richtung Südosten, so erreicht man das Dorf Nag Ahmed Khalifa, wo die Sinki-Pyramide steht.

Die Sinki-Pyramide aus nördlicher Sicht©Stefan Gerke

An diesem Bauwerk gelang es den Ägyptologen Dreyer und Swelim, die Bauweise der Provinzpyramiden zu rekonstruieren. Alle vier Seiten der Pyramide wiesen am Fuß eine Baurampe mit einer Breite von etwa 2,4 Metern auf. Diese Baurampen bestanden aus einer Kiesschüttung, die an den Seiten von Ziegelmauern gestützt wurden. Über diese Rampen wurden die Steine transportiert, aus denen die Pyramide erbaut wurde. Dreyer und Swelim rekonstruierten die Arbeitsschritte wie folgt:

  1. Aushub der Baugrube.
  2. Zur Markierung der Seitenfluchten und Plattformecken wurden Ziegelsetzungen gemauert.
  3. Füllen der Plattform mit Steinen und Mörtel.
  4. Setzen von Markierungen für die Grundrisse der Pyramide auf der Plattform.
  5. Anbringen von Ziegelsetzungen an den Ecken und Schalenfugen.
  6. Mauern des ersten Teils des Kerns sowie der ersten Steinlagen der untersten Stufe.
  7. Mauern von weiteren Steinlagen des Kerns und der Stufen.
  8. Anlegen von Rampen, die nach und nach erhöht wurden.

Die Sinki-Pyramide mit Überresten der Rampe©Stefan Gerke

Der heutige Zustand der Sinki-Pyramide lässt sich nur als traurig bezeichnen. Die mühsam rekonstruierte Plattform ist verschwunden, laut Aussagen eines Dorfbewohners werden Steine der Pyramide zum Hausbau verwendet. Wir können nur hoffen, dass entsprechende Maßnahmen getroffen werden, um das Bauwerk zu schützen. 

Wie ein Dorflehrer erzählte, hat die Sinki-Pyramide auch noch heute eine wichtige Bedeutung für die Bevölkerung: Frauen, die sich eine Schwangerschaft wünschen, gehen siebenmal im Uhrzeigersinn um die Pyramide herum, auf der Westseite wird bei jeder Runde ein Stein auf einen Haufen geworfen und für Nachwuchs gebetet.

Die Pyramide von Saujet el-Meitin

Die Stadt el-Minya ist eine verschlafene Kleinstadt, die auf einer Nilinsel angesiedelt ist. El-Minya weist eine Unmenge an archäologischen Stätten auf, seien es die Gräber von Tuna el-Gebel, die Frazer-Gräber oder die ehemalige Hauptstadt des Pharaohs Echnaton in Malawi.

Etwa 15 Fahrminuten entfernt und südostwärts von el-Minya liegt der Ort Saujet el-Meitin. Der Name Saujet el-Meitin, auch Saujet el-Amwat genannt, kann mit „Ort der Toten“ übersetzt werden. Dieses bezieht sich einerseits auf den Gräberberg aus pharaonischer Zeit und andererseits auf die für Saujet el-Meitin typischen neuzeitlichen Gräber.

Pyramide von Saujet ©Stefan Gerke

Die Pyramide befindet sich auf einer kleinen Anhöhe und ist sehr stark zerstört, was auf Steindiebstahl zurückzuführen ist. Wie auch die anderen Provinzpyramiden, wurde der Bauort so gewählt, dass er in der Nähe eines Steinbruchs lag. Eine Besonderheit ist, dass die Pyramide als einzige der sieben Provinzpyramiden auf der Ostseite des Nils liegt, also dort, wo die Sonne aufgeht.

Die Seila-Pyramide

Auch die Seila-Pyramide im Fayum ist einzigartig, denn sie liegt auf einem kleinen Berg und kann von unten nicht gesehen werden. Diese Anhöhe, auch Djebel el-Rus genannt, ist der höchste Punkt im Fayum. Wenn man von el-Wasta kommend Richtung Fayum fährt, so liegt die schwer auffindbare Pyramide nördlich der Stelle, wo die el-Wasta Straße auf das Fruchtland trifft.

Die Seila-Pyramide©Stefan Gerke

Ludwig Borchardt untersuchte die Seila-Pyramide 1898 und maß eine Basislänge von etwa 30 Metern. Die aus grob behauenen Kalksteinen erbaute Pyramide ist sehr gut erhalten, denn sie liegt sehr abseits und ein Raub von Steinen ist damit zu aufwendig.

Bei dem Ort Sherif Pascha, nordöstlich von Beni Suef, befinden sich die traurigen Überreste einer weiteren Provinzpyramide. Dieses Bauwerk wurde noch nicht ausreichend untersucht und kann daher nicht datiert werden. Es ist jedoch gut möglich, dass auch diese Pyramide zur selben Zeit gebaut wurde, da der Umfang den anderen ähnelt.

Schlussfolgerung

Alle beschriebenen sieben Provinzpyramiden weisen zwei Gemeinsamkeiten auf: Sie wurden im Gegensatz zu den bekannten Bauwerken nicht als Grabstätte erbaut und sie verfügten über keinerlei Hohlräume.

Der Granitkegel des Huni und die Tonscherben bilden die einzigen Anhaltspunkte für eine mögliche Datierung der Provinzpyramiden.

Da alle sieben Provinzpyramiden einheitliche Merkmale in Bezug auf ihre Größe, ihre Bauweise und ihre Ausrichtung aufzuweisen scheinen, nimmt man heutzutage an, dass sie alle während der Herrschaft Hunis errichtet wurden. Eine gesicherte Datierung ist aufgrund fehlender Belege jedoch nicht möglich. Wenn man nun diese Datierung als Grundlage nimmt, so lassen sich die sieben Provinzpyramiden zu den ältesten Pyramiden Ägyptens zählen. Nur die Pyramide des Djoser in Sakkara, die des Sechemchet in Sakkara und die des Chaba in Saujet el-Arjan sind älter.

Mit der Erbauung der Pyramiden verfolgte Pharao Huni anscheinend ein klares Ziel: Er manifestierte seine Macht. Die Provinzpyramiden dienten insofern als Machtsymbol, als die Monumentalbauten zeigen sollten, wie weit sich der Machtbereich des Pharaos in Ägypten ausbreitete.