Ihr weiteres Leben in der Ferne verbrachte Marianne Manda vor allem im Jemen, wo sie im Zeitraum zwischen 1986 und 2013 über 22 Jahre lebte und arbeitete. In ihrem Buch „Weihrauch, Khat und Pfeffer“ hält Marianne Manda ihre Erinnerungen an dieses verschwundene Land fest.
Marib - die sagenumwobene Wüstenstadt im Osten des Jemen
Schon früh war die junge lesebegeisterte Marianne faszinierte von Fritz Helferichs Expeditionsbericht „Verbotenes Südarabien“; 1986 konnte sie endlich ihr Traumziel besuchen und nahm spontan eine zufällig freigewordene Stelle als archäologische Zeichnerin bei der Außenstelle des Deutschen Archäologischen Instituts an. Damals lag diese in einem Vorort der Hauptstadt Sana‘a, ein abgelegener verschlafener Standort, uneingeschränkt beherrscht von seinem eigentümlichen „mudir“.
Der Bergjemen mit abgeernteten Terrassenfeldern auf 3000 Meter Höhe©Marianne Manda
In vorchristlicher Zeit schufen geografische Lage und natürliche Ressourcen des Landes die Voraussetzungen für die Entstehung hochentwickelter Kulturen. Die legendären südarabischen Reiche der Antike organisierten und kontrollierten den Karawanenhandel und Teile des Seewegs von Afrika, Indien und China nach Mesopotamien, Ägypten und in den Mittelmeerraum inklusive Rom. Insbesondere der Handel mit Luxusgütern, wie dem begehrten Weihrauch, brachte ihnen legendären Reichtum. Hier entstanden einige der beeindruckendsten Bauten der Antike, etwa der Staudamm von Marib, der zu den Weltwundern der Antike gerechnet wird, und die dazugehörigen Tempelanlagen. Mit der Verlagerung der Handelswege änderte sich die Bedeutung der Region. Heute gilt der Jemen als ein Armenhaus der Welt.
1989 öffneten die verfeindeten Staaten Nord- und Südjemen ihre Grenzen; bereits im Jahre 1994 endete der neu entfachte heftige Bürgerkrieg mit dem Sieg der konservativen religiös geprägten Machtelite des Nordjemens und der Vertreibung der kommunistisch geprägten Gesellschaft des Südjemens.
Als 1994 Dr. Burkhardt Vogt die Leitung des Deutschen Archäologischen Instituts in Sana‘a übernimmt, kommt Leben in den Dornröschenschlaf der Außenstelle. Nicht nur richtet er ein neues, für das Publikum offenes Institut im Zentrum der Hauptstadt Sana’a ein, sondern beginnt direkt nach dem Bürgerkrieg auch eine neue Ausgrabungskampagne bei Marib im Südjemen, wo vor 3000 Jahren die Sabäer durch einen legendären Staudamm eine blühende Oase geschaffen hatten.
Der Staudamm in der Marib-Oase zählt zu den sieben Weltwundern. Das gestaute Wasser ließ fruchtbare Felder gedeihen. Hier die Nordschleuse. .©Marianne Manda
Das DAI-Team erforschte die hochentwickelte Technologie der Wasserwirtschaft, seine Staudammschleusen und Nekropolen aber auch eine nahe Aden gelegene Muschelbergkultur. Ab 2000 übernahm Dr. Iris Gerlach die Leitung, eine mutige und hochkompetente Archäologin, in der Marianne Manda eine enge Vertraute und Stütze findet. Unter ihrer Ägide wird Marib der Hauptsitz aller DAI-Ausgrabungen in der Region.
Ausgrabung eines Brunnenschachts für rituelle Waschungen im Tempel©Marianne Manda
Marianne Manda schildert lebendig schillernd und sehr authentisch diese erfolgreiche, aber vor allem abenteuerliche Arbeit. Die Erschließung bisher unberührter Areale wie des sabäischen Almaqah-Tempels bringt atemberaubende Fundstücke ans Licht. Der Höhepunkt: Ein sieben Meter langer und ein Meter hoher Stein mit der Inschrift zur Geschichte der Gründung des Jemen.
Die Säulen vom Barán-Tempel in Marib, das Wahrzeichen des Jemen©Marianne Manda
Diesen Erfolgen gehen unvorstellbare bürokratische Hürden bei Genehmigungen voraus, die aber unerheblich sind gegenüber den Schwierigkeiten, sich mit den Stämmen vor Ort zu einigen, z.B. den sehr kriegerischen Sirwahis, die die Regierung hassen und denen die Erlasse der Zentralregierung eher ein Dorn im Auge sind. Als es der Chefin der Archäologen dennoch gelingt, die Scheichs der Stämme zu überzeugen, wird jedoch schnell und heftig klar, dass diese die Rechnung ohne die Dorfbewohner gemacht haben. Nach nächtlicher Flucht kommt es zu neuen, dann endlich erfolgreichen Verhandlungen, die letztendlich in einer erfreulichen und fruchtbaren, über ein Jahrzehnt bis 2011 dauernden Zusammenarbeit münden. Trotz abenteuerlicher Rahmenbedingungen inmitten regierungsfeindlicher Stämme, ständiger Kämpfe zwischen Arbeitern unterschiedliche Lager oder Regierungstruppen und wegen Entführungsgefahr stets in Militärbegleitung, resümiert Marianne Manda: „Trotzdem war es eine wunderbare Zeit, allerdings nichts für schwache Gemüter.“
Marianne Manda bei ihrer Arbeit in der Tempelanlage Sirwah
Ihre Arbeit in Totenstädten und Tempeln aus vergangenen Jahrtausenden kontrastiert mit dem abenteuerlichen und immer auch kuriosen Leben im Vorkriegsjemen. Voller Empathie und augenzwinkerndem Humor schildert Marianne Manda anschaulich und lebendig ihre Eindrücke von den Jemeniten, ebenso wie von den deutschen Expertinnen und Experten in dieser islamisch-geprägten archaischen Kultur. Dabei wirkt das Verhalten der Ausländer mindestens so befremdlich wie die Sitten und Gebräuche der Jemeniten. Wenn z.B. beim „Oktoberfest“ der deutschen Botschaft inmitten der Stadt riech- und sichtbar Schweinefleisch gegrillt und Alkohol auch den arabischen Gästen angeboten wird. Der Umgang der Jemeniten mit Erkenntnissen aus der Entwicklungshilfe wird deutlich bei der Episode mit dem Heuschreckenschwarm. Um die Pflanzen zu schützen, spritzt man mit den neu eingeführten Insektiziden per Flugzeug die Heuschrecken tot, ohne zu bedenken, dass diese Insekten von Menschen und Tieren verzehrt werden. Am nächsten Tag liegen nicht nur die Heuschrecken tot auf den Straßen und Feldern, sondern auch vergiftete Hunde und Katzen, und sogar Menschen werden Opfer der Insektenvernichtung. Auch über sich selbst und ihre Tast- und Gehversuche in einer fremden aber dennoch faszinierenden Kultur, macht sie sich gerne lustig.
Frauenversammlung auf den Dächern von Tarim©Marianne Manda
Selbst in den Hauptstädten gelten die starren Traditionen im Zusammenleben der Menschen, die Marianne Manda mit kritischer Distanz, aber dennoch wertschätzend darstellt. Gerade in den Stammesgebieten leben die Menschen „in einer gnadenlosen Natur und einer gnadenlosen Gesellschaft mit rigiden Regeln und Sitten“. Die Ruhe erinnert sie an biblische Zeiten, und für Ausländer ist es nicht einfach danach zu leben, zumal sie unter ständiger Beobachtung stehen. Es sind aber dennoch nicht diese archaischen Verhältnisse, die sie das Fürchten lehrten, auch nicht der extensive Gebrauch von Khat, der „beliebten jemenitischen Nachmittagsdroge“, machten ihr das Leben schwer, vielmehr brachten sie die unzähligen auf „schweinefleischfressende Ungläubige“ fokussierten Flöhe zur Verzweiflung.
Wächter bei der Khat-Pause©Marianne Manda
Der Jemen war lange Zeit Marianne Mandas Heimat, 10 Jahre lebte sie in Aden in ihrem eigenen Haus. Ihre Erinnerungen lassen das Bild eines Jemen lebendig werden, der längst Schauplatz von Tragödien und Kriegsgräuel geworden und weitgehend zerstört ist. Sie sind aber auch historisches Zeugnis eines Zeitalters deutscher Entwicklungshilfe und Archäologie.