Prunk und Pyramiden sucht man auf dem Schweizer Friedhof in Kairo vergebens. Aber auch dieses Stückchen Land beherbergt Geschichte – und Expats können dort schon heute nach einem Plätzchen Ausschau halten.
Der Tod ist gross in Kairo. Er ist von jeder Minarettspitze aus sichtbar. Die grosse Pyramide ist schliesslich nichts anderes als ein enormes Grab für einen Mann namens Cheops.
Der Tod ist omnipräsent in Kairo. Hunderttausende von Menschen wohnen in alten Grabstätten, denn die Toten verlangen keine Miete. Über 6,4 Quadratkilometer erstreckt sich die bewohnte Totenstadt im Südosten der Metropole.
Im Vergleich dazu sind 2251 Quadratmeter sehr wenig. So klein ist der Schweizer Friedhof, wahrscheinlich der kleinste Friedhof Kairos; vergleichsweise derart winzig, dass sogar diejenigen, die auf ihn Anspruch haben, ihn fast vergessen hätten. Bis ihnen seine Existenz kürzlich, an einer Vorstandssitzung des Swiss Club, in Erinnerung gerufen wurde.
Ein Stück Geschichte
Nun wollen sie ihn sehen, allen voran Jürg und Amal Fischer, Willy und Maha Müller sowie der Klubpräsident Alvin Furrer – einige der wenigen Auslandschweizer, die es in Kairo noch gibt. Die Männer sind alle vor vielen Jahren aus beruflichen Gründen hergekommen und aus privaten Gründen geblieben. An diesem sonnigen Freitag, Wochenendbeginn in Ägypten, treffen sie sich im Garten des Swiss Club, um von dort aus einen kleinen Carausflug auf den Friedhof zu machen. Man ist so zwischen sechzig und siebzig und will schon einmal sehen, wo man dereinst zu liegen kommen wird. Wer wolle, könne sich sogar schon ein Plätzchen aussuchen, heisst es.
Das arabische Wort für Friedhof ist Maqabir. Im engen Bus, in dem die Knie an die Vordersitze stossen, machen die Männer Scherze. «Später im Grab können wir wenigstens liegen», sagt Jürg Fischer. «Ich möchte, dass ihr auf meinem einen Apfel- oder Orangenbaum pflanzt», sagt Alvin Furrer, «dann könnt ihr später in eine Frucht beissen und sagen: ‹Jetzt geniesse ich ein Stück Alvin.›»
Eingangstor zum Schweizer Friedhof in Kairo © Susanna Petrin
1925 wurde dieser Friedhof exklusiv für Schweizer, egal, welcher Religion, eröffnet, auf Initiative der Société Suisse de Secours. Denn nach dem Ersten Weltkrieg war der Platz bei den Engländern eng geworden. Gegen 200 Tote sind seither dort begraben worden, unter ihnen einige berühmte Persönlichkeiten. «Dieser Friedhof ist ein wichtiges Stück Geschichte für uns», betont Alvin Furrer. Bis vor einigen Jahren sei er vernachlässigt worden, doch nun sieht Maggy Lambelet zum Rechten. Fünf Verwandte der in Kairo aufgewachsenen Schweizerin sind hier begraben, unter ihnen ihr Vater, dem die bekannte Kairoer Buchhandlung Lehnert und Landrock gehörte. An diesem Freitag erwartet sie die Besucher vor Ort.
Für alle Ewigkeit
Schön sei es hier, erstaunlich ruhig. Und grün. In einem Monat werden die Aloe vera und der Flammenbaum blühen. Weisse Tauben gurren. Sie sitzen in einem Käfig auf Ästen über weiss-braunen Hasen. Der Gärtner dürfte sich mit den Tieren ein Nebengeschäft aufgebaut haben. Jürg Fischer nimmt ihn zur Seite und bittet ihn, den riesigen Komposthaufen an den Rand zu verschieben.
Blick in den Schweizer Friedhof in Kairo © Susanna Petrin
«Hier könnt ihr einmal liegen, hier vielleicht ich», Alvin Furrer zeigt auf die letzte freie Reihe. Wie viel ein Grab denn koste, wollen die Besucher wissen. Über die Finanzierung werde man an einer nächsten Sitzung reden müssen. «Auf jeden Fall weniger als in der Schweiz.» Erdbestattung. Eine Kremation kommt in Ägypten nicht infrage. Ohnehin nicht für diese Auslandschweizer, die allesamt vor ihrer Heirat zum Islam konvertiert sind. Denn nur ein Muslim kann eine Muslimin heiraten. Und im Gegensatz zur alten Heimat, wo die Gräber in der Regel nach 25 Jahren aufgehoben werden, liegt man hier pharaonisch für alle Ewigkeit.
Doch noch sind diese Schweizer ganz lebendig. Man fährt zurück zum Schweizer Klub und bestellt sich eine Rösti mit Speck und Spiegelei. Der Tod kann warten.