Die Al-Azhar-Moschee im Herzen Kairos gehört zu den bedeutendsten Moscheen und Lehrstätten der Welt. Doch sie ist viel mehr als eine Gebetsstätte, denn sie markiert einen besonderen Abschnitt in der Geschichte des islamischen Ägyptens – nämlich die mehr als 200 Jahre, in denen der schiitische Islam in dem Land am Nil vorherrschte.
Die Fatimiden – 200 Jahre schiitische Vorherrschaft am Nil
An einem Freitag des Jahres 972 n. Chr. beten Gläubige das erste Mal in der neu errichteten Moschee. Als sie ihre Blicke vom Boden in die Höhe richten, können sie in der Kuppel über dem Gebetssaal lesen: „Im Namen Gottes, des Barmherzigen, des Erbarmers. Dies ist eines der Gebäude, deren Bau der Diener und Günstling Gottes Abu Tamim Maadd, der Imam al-Muizz li-din Allah, der Herrscher der Gläubigen – Gott segne ihn, seine Vorfahren und seine edlen Nachkommen – durch die Hand seines Sklaven Gauhars, des Sekretärs, des Sizilianers, im Jahre 360 anordnete.“
In der islamischen Welt vollzieht sich im 10. Jahrhundert n. Chr. ein dramatischer Wandel. Die dem sunnitischen Glaubensbekenntnis verpflichteten Abbasiden-Kalifen, die zumindest formell auch über Ägypten herrschen, haben in Nordafrika Konkurrenz erhalten. In Ifriqiya – ein Gebiet, das das heutige Tunesien, Ost-Algerien und West-Libyen umfasste – etablieren sich die dem schiitischen Glauben zugewandten Fatimiden. Diese Herrscherdynastie führt ihren Stammbaum zurück auf Fatima – Tochter des Propheten Muhammad und Ehefrau von dessen Vetter Ali ibn Talib, der als vierter Kalif über die Muslime herrschte.
Der vierte Fatimiden-Kalif al-Muizz li-Din Allah (reg. 953-975 n. Chr.) fühlt sich stark genug, sein Herrschaftsgebiet zu erweitern. Im Jahr 969 n. Chr. schickt er ein gut ausgerüstetes Heer unter dem Befehl von Oberst Dschauhar nach Ägypten. Das Land am Nil ist zu dieser Zeit durch politische Wirren sowie geringe Nilhöhen, die Missernten und Hungersnöte nach sich ziehen, geschwächt. Die Eroberung bereitet Dschauhar offensichtlich keine große Mühe. Nach dem Zeugnis der Geschichtsschreiber setzen die Ägypter den aus dem Westen anrückenden Eroberern kaum Widerstand entgegen. Die Bevölkerung von al-Fustat bleibt während der Einnahme offenbar weitgehend von Kriegshandlungen verschont. Ibn Challikan (1211-1282 n. Chr.), der in seinem umfangreichen biographischen Lexikon „Die Großen, die dahingegangen (Die Söhne der Zeit)“ auch Dschauhar ein Kapitel widmet, beschreibt die Übergabe der Stadt: „Ein Bote erschien von Dschauhar mit einer weißen Flagge, lief von einem zum anderen, versprach allen Sicherheit und untersagte jegliche Plünderung. So kehrte wieder Ruhe in die Stadt ein, die Märkte wurden geöffnet, die Leute beruhigten sich; es war, als hätte es nie einen Aufruhr gegeben.“
Die Sunniten kehren zurück – Unter den Mamluken blüht die Moschee auf
Eine Zäsur erfährt die Moschee 200 Jahre nach ihrer Gründung, als Salah ad-Din Yusuf ibn Ayyub (in Europa als Saladin bekannt) der Herrschaft der Fatimiden in Ägypten ein Ende setzt. Er unterstellt das Land am Nil erneut den sunnitischen Abbasiden-Kalifen. Der al-Azhar-Moschee entzieht er das Privileg des Freitagsgebetes. Der Gebäudekomplex versinkt in Bedeutungslosigkeit und verfällt.
Erst unter der Regierung der Mamluken-Sultane blüht die Gebetsstätte wieder auf. Ab 1266 finden erneut Freitagsgebete in der Moschee statt. Al-Maqrizi überliefert dazu: „Der Grund dafür war, dass der Emir Izz ad-Din Aidemir al-Hilli einige Jahre neben dieser Moschee gewohnt hatte und – Gott sei ihm gnädig – die Pflichten solcher Nachbarschaft wahrnahm. Da er annahm, dass er entsprechend seinem Verhalten als Nachbar im Diesseits morgen im Jenseits belohnt werde, ordnete er die Inspektion der Moschee an und sorgte für die Rückerstattung einiger entwendeter Gegenstände, die sich im Besitz gewisser Personen befanden. Er sorgte sich um die Angelegenheiten der Moschee, wofür er dann große Anerkennung erhielt. Man sprach allenthalben darüber. Der Emir Izz ad-Din stellte eine große Geldsumme aus seinem Vermögen für die Moschee zur Verfügung; auch im Auftrag des Sultans gab er Geld für sie aus. Er begann mit dem Wiederaufbau. Er reparierte zerfallene Säulen und Mauern, weißte sie, renovierte die Decken und pflasterte die Böden und legte sie mit Teppichen aus.“ Moschee und Lehranstalt entwickeln sich von nun an zum geistigen Zentrum des sunnitischen Islam.
Dschauhar schließt bereits beim nächsten Freitagsgebet seinen Herrn al-Muizz in das Gebet ein. An den Gebetsruf lässt er die schiitische Formel „Auf zur besten Tat“ anfügen. Er verbietet die Nennung des Abbasiden-Kalifen al-Muti bei den Freitagsgebeten. Auf den Münzen ersetzt er dessen Namen durch den seines Herrn al-Muizz.
Unmittelbar nach der Eroberung gründet Dschauhar unweit von al-Fustat und al-Qatai eine neue Stadt, die bald den Namen al-Qahira, die Siegreiche (Kairo) erhalten wird. Ihre Moschee trägt den Namen al-Azhar. Al-Azhar ist die männliche Form von al-Zahra, die „Herrliche“, die „Strahlendste“ – ein Epitheton der Fatima.
Al-Muizz‘ Nachfolger al-Aziz (reg. 975-996 n. Chr.) verschönert die Gebetsstätte, die bald auch als Lehranstalt fungiert. Denn im Jahr 988 n. Chr. bittet der Wesir Jaqub ibn Killis, ein zum Islam konvertierter Jude, den Kalifen al-Aziz, einer Anzahl von Juristen ein Gehalt auszusetzen. Der in Kairo wirkende Historiker, Chronist, Theologe und Qadi al-Maqrizi (1364-1442 n. Chr.) berichtet: „Er [al-Aziz] gewährte jedem von ihnen ein ausreichendes Gehalt, hieß sie ein Haus zu kaufen und es wiederzuerrichten. Es wurde neben der Azhar-Moschee errichtet, und jeden Freitag nach dem Gemeindegebet kam man in die Moschee und bildete Zirkel, in denen bis zum Nachmittagsgebet unterrichtet wurde.“ Der Fatimiden-Kalif al-Hakim (reg. 996-1021 n. Chr.) sorgt später für Mietshäuser in Altkairo als waqf (wohltätige Stiftung) zugunsten der al-Azhar und weiterer Moscheen in der Stadt.
Der zentrale Innenhof der Al-Azhar-Moschee © Jürgen Sorge
Doch es gibt auch Rückschläge. Bei dem großen Erdbeben im Jahr 1303 n. Chr. stürzen die al-Azhar und weitere Moscheen in Kairo ein. Die Emire teilten sich in die Kosten für deren Wiederaufbau, wobei sich, laut al-Maqrizi, der Emir Salar der al-Azhar-Moschee annahm. In unrühmlicher Erinnerung ist dagegen der Emir Sudun. Der Qadi und Oberkämmerer übernimmt im Jahr 1415 n. Chr. die Aufsicht über die al-Azhar-Moschee. Er vertreibt die armen Menschen, die in der Moschee Schutz und ihr Auskommen suchen, aus der Gebetsstätte. Der Zeitzeuge al-Maqrizi berichtet: „Vermögende Männer hatten es sich zur Gewohnheit gemacht, Almosen verschiedener Art (Gold, Silber oder Kupfermünzen) in diese Moschee zu bringen, um so durch die Hilfe für die dort Wohnenden Gott, dem Allmächtigen, zu dienen. Von Zeit zu Zeit brachten Leute verschiedene Nahrungsmittel, Brot und Süßigkeiten, besonders an Feiertagen. Doch da befahl der Emir […], alle, die in der Moschee wohnten, hinauszujagen, ihnen den Aufenthalt darin zu verbieten und alle ihre Kisten und Kästen und Lesepulte daraus zu entfernen. Er glaubte, er werde für diese Tat von Gott belohnt werden. In Wirklichkeit beging er eine große Sünde und richtete ungeheuren Schaden an; denn ein großes Unglück traf die Armen, die zerstreut wurden und nicht wussten, wohin sie gehen sollten.“ Zudem verbreitet der Emir das Gerücht, Kaufleute, Rechtsgelehrte, Soldaten und andere, die es sich zur Gewohnheit machten, in der Moschee zu schlafen, würden Verbotenes tun. Al-Maqrizi berichtet, wie der Emir an einem Tag im Sommer des Jahres 1415 nach dem letzten Abendgebet in der Moschee erscheint, eine Anzahl Leute ergreift und in der Moschee auspeitschen lässt: „Die Leute in der Moschee traf großes Unheil. Sie wurden ausgeraubt, ihr Bettzeug und ihre Turbane wurden ihnen weggenommen, ihre Gürtel wurden durchsucht und alles darin aufbewahrte Geld und Silber entwendet. […] Doch Gottes Vergeltung kam schnell“, schreibt al-Maqrizi und berichtet, wie im Monat Ramadan der Sultan den Emir Sudun festnehmen und ihn in Damaskus gefangensetzen ließ. Diese und viele weitere Begebenheiten lassen sich trefflich und spannend in dem Buch: „Der Islam in Originalzeugnissen. Religion und Gesellschaft. Lenningen 2000“ nachlesen.
Wenige Jahrzehnte später setzen sich zwei Mameluken-Herrscher mit der Errichtung von zwei der fünf Minarette, die noch heute die Silhouette der Moschee prägen, ein Denkmal. Ein Minarett baut Sultan Qa‘it Bay, der 1469 das Ost-Tor der Moschee niederreißen und neu errichten lässt. Sultan Qansauh al-Ghuri baut 1510 ein weiteres Minarett mit zwei Glockentürmen.
Eine der prachtvollen gen Osten gewandten Gebetsnischen der Al-Azhar-Moschee © Jürgen Sorge
Die Al-Azhar-Moschee – Anziehungspunkt für ausländische Reisende
Der Türke Evliya Çelebi, der durch viele Länder gereist ist und in den 1670er Jahren in Kairo lebt, schwärmt in seinem Werk „Kairo in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts“ in höchsten Tönen: „Niemals habe ich Geringer in dieser Moschee ein gemeines Wort gehört. Im Gegenteil: Sooft ich dorthin kam, habe ich alles Weltliche vergessen, habe eine eigenartige Ruhe erlangt und bin im Gemüt froh geworden.“ In ganz Kairo kennt der weitgereiste Mann keine zweite Moschee mit einer so großen Gemeinde. Die ganze Moschee ist mit ägyptischen Theologen überfüllt – an hundertsiebzig Stellen erteilen die Professoren Unterricht, zählt der Türke. Und fügt hinzu: „Tag und Nacht befleißigen sich dort ja allein zwölftausend Theologiestudenten der Wissenschaft. Das hört sich an wie in einem Bienenstock, dass einen schier der Schrecken packt, und alle diese Leute obliegen dem Studium der Wissenschaft. Wer in dieser Moschee einmal vor dem Meister ‚Bismillah’ (‚Im Namen Gottes!’) gesagt hat, der geht nimmermehr verloren – so gesegnet ist diese Moschee!“ Wenn ein Mann, der Blutschuld auf sich geladen hat, oder ein Dieb in der Al-Azhar-Moschee Zuflucht findet, seine Tat bereut und sich rein wäscht, dann kann ihn kein Richter mehr verhaften lassen. In der Küche Gottes werden morgens und abends als Wohltat an die Armen eine Schüssel Reis- oder Linsensuppe und ein Stück Brot ausgegeben, und an jedem Abend auf den Freitag Honigreis und Hackfleisch, erzählt Çelebi.
Der aus dem Oldenburger Land stammende Forschungsreisende Ulrich Jasper Seetzen beschreibt im mehrbändigen Bericht über seine Orientreise (Berlin 1855/Hildesheim 2004) auch seinen Aufenthalt in Kairo. Dort verwirklicht er sich 1808 einen großen Wunsch. Landestypisch bekleidet mischt er sich an einem Abend im Fastenmonat Ramadan unter die Betenden in der al-Azhar-Moschee. Er berichtet: „Die Studenten erhalten unentgeltlich Essen und Trinken, und vorhin auch Kleidung und Geld; allein letzteres soll jetzt nicht mehr stattfinden. In jedem Saale sind eine Menge Wandschränke angebracht, wovon jeder Student einen zum Aufheben seiner Kleidungsstücke, Bücher etc. erhält. Vorhin hatte überdem jeder Saal seine besondere Bibliothek; allein bei der Invasion der Franzosen und nach dem Aufruhr in Kahira sollen die meisten verloren gegangen sein, und die Studenten glauben, dass man sie zerrissen und verbrannt habe. Allein da ich unterschiedliche Manuskripte aus dieser Moschee bei Privatpersonen und unter anderem bei einem mohammedanischen Buchhändler fand, wovon ich viele kaufte: so vermute ich, dass die Mohammedaner selbst bei dieser Gelegenheit mehr raubten, als die französischen Soldaten, und dass man noch eine Menge davon versteckt bei hiesigen Bürgern antreffen dürfte. – Die Studenten schlafen auch in diesen Sälen zur Winterzeit; des Sommers aber auf dem Dache. Ihre Sitze bestehen bloß aus Fußmatten.“
Auch Kronprinz Rudolf von Österreich bereist Ägypten und berichtet in seinem Buch „Eine Orientreise vom Jahre 1881“ über das quirlige Leben, das sich rund um die al-Azhar-Moschee abspielt. „Neben dem Haupttore unterhielt ich mich in einem langen Vestibül mit dem Betrachten der echt orientalischen Barbiere“, schreibt der Kronprinz. „Am Boden hockend, halten sie die Köpfe ihrer Opfer zwischen den Knien und nun wird mit ätzender Seife eingerieben, hierauf geschabt und rasiert, bis der Schädel spiegelglatt ist; denn der wahre Mohamedaner trägt niemals Haupthaar, nur der ganz arme Landbewohner und der zügellose Beduine sind behaart; der Städter hält ein kahles Haupt für die größte Zierde. Mit eleganten Bewegungen arbeiten, scheren und waschen die Haarkünstler des Orients und ein Duft von Rosenöl und anderweitigen wohlriechenden Salben umgibt die Stelle ihrer Tätigkeit.“
Der französische Marineoffizier und Schriftsteller Pierre Loti (1850-1923) ist Anfang des 20. Jahrhunderts in Ägypten unterwegs. Der Franzose, der zeitlebens eine Vorliebe für den Orient hegt, zahlreiche Bücher darüber verfasst hat und von einer tiefen Skepsis in Hinblick auf die westlichen Errungenschaften in Wissenschaft und Technik geprägt ist, beschreibt, wie er in der al-Azhar-Moschee in der mittäglichen Stille der Koranrezitation eines Studenten lauscht: „Seine warme, leichte Stimme, die er aus Bescheidenheit dämpft, ist von unwiderstehlichem Reiz in der weiten, hallenden Moschee, in der um diese Zeit nichts zu hören ist, als das kaum vernehmbare Vogelgezwitscher, das von den verblassten Vergoldungen der Decken herabtönt. Alle, die mit dem Islam vertraut sind, wissen wie ich, dass es kein Buch von schönerem Rhythmus gibt als das des Propheten. Selbst wenn man den Sinn der Verse nicht versteht, so wirkt die singende Vortragsweise bei manchen Gottesdiensten durch den Zauber der Klänge, wie die Oratorien in christlichen Kirchen, die zu Tränen rühren. Der schwermütige, wiegende Sprechgesang des jungen Priesters, auf dessen Antlitz Verzückung liegt und dessen Kleider verschämte Armut verraten, scheint, so verhalten er ist, allmählich die sieben verlassenen Säulenschiffe von El Azar zu erfüllen. Unwillkürlich bleibt man stehen und lauscht ihm in der Mittagsstille. Überall in dieser hochheiligen Stätte, die den Verfall und die Abnutzung der Zeiten selbst an den abgegriffenen Marmorsäulen verrät, ertönt diese goldene einsame Stimme wie ein Klagelied über den Untergang des alten Islam und das Ende der Zeiten, wie eine Elegie auf das allgemeine Verschwinden des Glaubens im Menschenherzen.“
Die al-Azhar-Universität ist heutzutage eine moderne Lehranstalt. Doch auch solche Szenen kann man in der Moschee beobachten. Sie erinnern an frühere Zeiten, als hauptsächlich in der Gebetsstätte gelehrt wurde. © Jürgen Sorge
Die Al-Azhar-Universität – Das Herz des Islam
Ebenfalls aus Frankreich stammt der Schriftsteller Roger Vailland. In seinem 1953 erschienenen Buch „Erlebnisse in Ägypten“ wirft er einen Blick auf den Lehrbetrieb an der al-Azhar-Moschee nach dem Zweiten Weltkrieg. In seinen Augen ist die mohammedanische Religion „lange nicht so doktrinär wie der römische Katholizismus [und] setzt dem Gedankenflug und der freien Diskussion kaum Hindernisse entgegen“. Vailland schreibt: „Man kann sie [die al-Azhar] mit Recht als das Herz des Islam bezeichnen. Theologie und mohammedanisches Recht sind die Hauptfächer, daneben werden arabische Grammatik und – in geringem Umfang – Naturwissenschaften gelehrt. […] Die Studenten der Azhar, deren Zahl zwischen zwanzig- und dreißigtausend schwankt, stammen aus allen Ländern des Islam.“ Im Hinblick auf die ägyptischen Studenten bemerkt Vailland: „Die einheimischen Feudalherren pflegen ihre Söhne zum Studium nach London, Paris, Berlin oder auf amerikanische Universitäten zu schicken. Die Bourgeoisie lässt ihre junge Generation an den modernen nationalen Fakultäten studieren. Der „Azharist“ dagegen ist meist der Sohn eines armen Bauern, dem die Religionsgemeinde seines Heimatdorfes ein Stipendium gewährt. […] Das erste, was der junge Student in Kairo kennenlernt, ist die Ungleichheit der Klassen. […] Die modernen Fakultäten Kairos, die lange Zeit an der Spitze des Kampfes für Demokratie standen, überlassen dem Azhar heute den Vortritt. In den letzten Jahren ist er zum entscheidenden geistigen Widerstandszentrum gegen das Regime geworden.“
Nach der Revolution der Freien Offiziere wird unter Präsident Gamal Abd al-Nasser die al-Azhar-Universität verstaatlicht. Im Juni 1961 verabschiedet die ägyptische Nationalversammlung das Gesetz Nr. 103, das eine umfassende Reform der Azhar vorsieht. Neben theologischen Fächern entstehen unter anderem Lehrstühle für Medizin und Ingenieurwesen.
Heute ist die al-Azhar-Universität über zahlreiche Standorte in ganz Ägypten verteilt. An der al-Azhar-Universität sind derzeit fast 319.000 Studenten eingeschrieben – eine Zahl, die an europäischen Hochschulen überhaupt nicht vorstellbar ist.
Jürgen Sorge ist Autor und Herausgeber u.a. von: Die Moscheen von Kairo. Ein Lesebuch. Engelsdorfer Verlag 2011