Die Nachricht ging am 10. März 2017 um die Welt. Der Kustos des Ägyptischen Museums der Leipziger Universität, Dr. Dietrich Raue, gibt vor laufenden Kameras zu Protokoll, dass das deutsch-ägyptische Ausgrabungsteam, das seit etlichen Jahren auf dem Terrain des ehemals größten Tempelbezirks der Pharaonenzeit, dem des Heliopolis-Tempels, auf eine antike Kolossalstatue gestoßen ist. Scheinbar durch Zufall, aber doch im Gefolge sehr intensiver und systematisch vorgehender Ausgrabungskampagnen.

Der Heliopolis-Tempel befand sich einst dort, wo sich heute der Kairener Stadtteil Matariya explosionsartig ausbreitet. Nach der altägyptischen Mythologie war Heliopolis der Urhügel, der als erstes aus der Urflut aufgetaucht ist. Hier seien auch die Götter entstanden. Der einst glanzvolle Tempel aber hielt der Zeit nicht stand und versank irgendwann unaufhaltsam unter dem Schutt der Jahrtausende. Doch im 18. und 19. Jahrhundert wurden auf diesem Ruinenfeld noch imposante Artefakte geborgen. Weltweit bekannte Obelisken der Zeit um 1400 bis 1300 v. Chr., die man heute in London, Rom und New York bestaunen kann, stammen von hier.

Als Dietrich Raue und Ayman Ashmawy, sein ägyptischer Partner in der Leitung des Unternehmens, auf dem Heliopolis-Gelände mit ihren Ausgrabungen begannen, boten sich ihren Augen, soweit sie blicken konnten, fast nur noch Müll, Sand, Schutt und Wasserlachen dar.

Grabungsgelände und Freilichtmuseum mit Obelisk von Sesostris I. © Ägyptisches Museum Universität Leipzig

Man muss schon von einer starken Vision geleitet und von Erfolgsgewissheit beseelt sein, um hier noch einmal das archäologische Besteck anzusetzen. Außerdem brauchen die Archäologen an dieser Stätte ungeheuer viel Mut und eiserne Nerven, denn sie haben sich einem erbarmungslosen Wettlauf mit der Zeit zu stellen. Eine übermächtige Urbanisierungswelle frisst sich gierig und unaufhaltsam in das Areal, auf der sich einst die ca. einen Quadratmeter große Tempelanlage erstreckte. Kairo hungert nach Bauland. Von den unglaublichen Widrigkeiten, denen man als Ausgräber im Heliopolis-Areal die Stirn bieten muss, war beispielsweise 2016 im „Oktober-Salon am Donnerstag" der Europäischen Stiftung der Rahn Dittrich Group für Bildung und Kultur zu hören, in dem ich Dr. Raue zu seinen Ausgrabungen befragte. Die Besucher waren davon stark beeindruckt, nicht zuletzt aber auch von der Mitteilung des Ägyptologen, sein Honorar voll und ganz für die Ausgrabungen auf dem Heliopolis-Areal zu spenden. Solcher Enthusiasmus ist ansteckend! Die Ägypterin Mona Ragy Enayat, die den Salon musikalisch ausgestaltet hat, schloss sich diesem Beispiel an.

Pharao Psammetich I. © Ägyptisches Museum Universität Leipzig

Eine Skulptur von Ramses II. ist es freilich nicht, was man da ausgegraben hat. In der ersten Euphorie der Entdeckung waren nicht wenige davon ausgegangen. Dr. Raue hat allerdings von Anfang an darauf hingewiesen, man müsse erst genauere Untersuchungen abwarten. Nun, da man nach der Analyse des Fundes weiß, dass es sich um ein Abbild Psammetichs I. handelt, besteht jedoch nicht die geringste Veranlassung, das Ausgrabungsglück kleinzureden. Es bleibt ein spektakulärer Fund! Allein die Kolossalität des antiken Torsos – das Denkmal ist rund 9 m hoch und bringt etliche Tonnen auf die Waage – nötigt gehörigen Respekt ab. Dazu kommt, dass Psammetich I. zweifellos ebenfalls zu den bedeutenden Pharaonen zählt. Das ist zwar noch nicht Bestandteil des Allgemeinwissens der gebildeten Welt, der Fund bietet aber eine günstige Gelegenheit, daran etwas zu ändern. Psammetich I. regierte das Reich ca. 500 Jahre nach Ramses II. Er beendete die assyrische Besetzung, führte Ägypten noch einmal zu hoher Blüte und verhalf dem Pharaonenreich letztmalig zum Rang einer Großmacht.

Ausgrabungsstätte in Matariya © Ägyptisches Museum Universität Leipzig

Wenn von Howard Carters sensationeller Entdeckung des Tut-ench-Amun-Grabes im Jahre 1922 die Rede ist, wird im gleichen Atemzug fast immer auch Lord Carnarvon genannt, denn er hat die Ausgrabungen Carters finanziert. Die Europäische Stiftung der Rahn Dittrich Group für Bildung und Kultur hat die deutsch-ägyptischen Ausgrabungen auf dem Heliopolis-Areal mit 5000 € gesponsert. Wir dürfen natürlich nicht darauf hoffen, dass wir wie weiland Lord Carnarvon mit unserem Namen in die Grabungsgeschichte eingehen. Es genügt uns aber auch zu wissen, dass wir eine sehr gute Sache gefördert haben, und es versteht sich, dass uns der Erfolg mit ganz besonderer Freude erfüllt. Ramses hin oder Psammetich her! Wir haben zur Bergung von Weltkulturerbe beigetragen.

Anmerkung der Redaktion: Die Grundfinanzierung des Projekts erfolgte durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Weitere Unterstützer der Grabung sind neben der Rahn Dittrich Group: Fondation Michaela Schiff-Giorgini, Lausanne, Gerda Henkel-Stiftung, die Freundeskreise der Ägyptologie in Hamburg und Leipzig und weitere private Spender. Die Mitglieder des Ausgrabungsteams kamen  aus Ägypten, Deutschland, Belgien, Frankreich, den Niederlanden und Polen.

Hier finden Sie einen früheren Beitrag über die Ausgrabungen in Matariya